Journalisten dürfen gehen, Priester soll in Haft

  09 Juli 2016    Gelesen: 331
Journalisten dürfen gehen, Priester soll in Haft
Die Urteile zur Affäre „Vatileaks 2.0“ fallen milde aus. Die Journalisten, die über geheime Dokumente schrieben, sind straffrei. Die Liaison eines Priesters und einer PR-Beraterin aber hat Folgen.
Mit den milden Urteilen, mit denen am späten Donnerstag nach fünf Stunden richterlichen Ringens hinter verschlossenen Türen der Prozess „Vatileaks II“ endete, habe die Pressefreiheit gesiegt, frohlocken Italiens Medien. Endlich zeige sich, dass der Vatikan, selbst wenn es um seine Gelder und Pfründen geht, nach Jahrhunderten hoher Mauern auf gläserne Transparenz umschalte. Tatsächlich allerdings mussten sich die Vatikanrichter reichlich spät eingestehen, über zwei der fünf Angeklagten gar nicht rechten zu dürfen. Zudem gibt es bisher nur ein erstinstanzliches Urteil. Und selbst wenn keiner der Beteiligten in Revision gehen will, endet der Prozess erst mit dem Spruch des Souveräns im Kirchenstaat: Papst Franziskus kann die von zivilen Richtern gesprochenen fünf Urteile bestätigen oder verwerfen, verschärfen und die Angeklagten begnadigen.

So kann der Papst den spanischen Geistlichen Lucio Ángel Vallejo Balda, den ehemaligen Leiter der längst aufgelösten Wirtschaftsprüfungskommission Cosea, freisprechen und ihm seine Haftstrafe von achtzehn Monaten wegen der unerlaubten Weitergabe vertraulicher Dokumente erlassen; allemal ein mildes Urteil, hatten doch die Staatsanwälte drei Jahre und einen Monat gefordert. Seine frühere Mitarbeiterin, die von ihm in den Vatikan geholte PR-Beraterin Francesca Immacolata Chaouqui, welche die Staatsanwälte als Anstifterin bei der Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Verrat vatikanischer Geheimdokumente für drei Jahre und neun Monate hinter Gitter sehen wollten, erhielt nur zehn Monate auf Bewährung. Ihr Mitarbeiter Nicola Maio wurde freigesprochen.

Auch die Journalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi gingen straffrei aus. Dabei hatten sie die von den Cosea-Mitarbeitern aus dem Vatikan geschleusten Dokumente ohne Bedenken angenommen und für ihre Bestseller ausgeschlachtet. Erleichtert stellten sie nach dem Urteil fest, die Richter hätten eingesehen, dass sie nur im Dienste der Öffentlichkeit agiert hätten. Sicherlich sei für das Gericht auch wichtig gewesen, dass nicht eines der verwendeten Dokumente falsch war und dass es zu ihren Veröffentlichungen nicht ein Dementi aus dem Vatikan gab. Tatsächlich aber erklärten sich die Richter bei den Journalisten für formal unzuständig. Sie könnten nur über Angeklagte richten, wenn deren Straftat im Vatikan geschah oder wenn die Beschuldigten durch ihre Anstellung im Vatikan zum Stillschweigen verpflichtet seien.

So geht ein bizarrer Prozess dem Ende zu, bei dem nicht wie bei „Vatileaks I“ 2012 der Kammerdiener des Papstes wegen Geheimnisverrats im Zentrum stand; sondern ein Priester, der offenbar zumindest für eine Nacht mit der PR-Beraterin sehr vertraut war. Die beiden lieferten sie sich vor Gericht einen hasserfüllten Schlagabtausch. Sie habe noch nie etwas so Schmerzhaftes erlebt, sagte die als „Papessa“ bezeichnete Chaouqui nach dem Bewährungsurteil mit ihrem wenige Wochen alten Baby im Arm, und das nur „wegen der Lügen des Monsignore Balda“, der alle Schuld auf sie habe lenken wollen. Ganz PR-Frau, sah sie sich laut Twitter-Beitrag „allein gegen eine Welt, die mich eines Verbrechens anklagt, das ich nicht beging“. Nun warten alle auf das Urteil des Papstes, der wohl – so sagen viele – im Jahr der Barmherzigkeit Begnadigungen aussprechen werde.


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