Wer hätte gedacht, dass Mercedes die G-Klasse einmal mit Elektroaggregaten ausrüsten würde? Aber da sich die 1979 eingeführte Baureihe vom schnöden Nutzfahrzeug zum edlen Lifestyler gewandelt hat, ist der Schritt eigentlich nur logisch. Der G als Stromer ist wie das vegane Menü im Drei-Sterne-Restaurant - und so, wie es vielleicht gar noch anspruchsvoller ist, Geschmack in ein solches Menü zu bekommen, ist es anspruchsvoller, die elektrische G-Klasse emotional zu machen als eine mit Verbrennungsmotor.
Ironischerweise könnte der elektrische Antrieb gerade in einer Disziplin punkten, die in der Praxis kaum abgefragt werden dürfte: den Geländefähigkeiten. Denn der G 580 nutzt vier Radnabenmotoren, sodass jedes Rad einzeln angesteuert werden kann. Und wenn sich das Auto derart festgefahren hat, dass nur noch ein Rad auf festem Untergrund steht, muss man, so zumindest im Gedankenexperiment, den G doch ganz einfach aus dieser misslichen Lage befreien können - ohne Differenzialsperren, ist klar. Doch das wird zu gegebener Zeit ausprobiert.
Jetzt hat Mercedes erst einmal überhaupt Zugang zum ungetarnten Fahrzeug gewährt, und zwar in Graz, wo der traditionelle Offroader gebaut wird. Mehr als um das Fahrzeug herumlaufen und einsteigen ist aber hier und heute nicht drin. Für einen ersten Eindruck reicht es jedoch freilich. Und Mercedes zeigt, dass man mit dem G 580 mit "EQ-Technologie" (der G 580 ist immer die elektrisch angetriebene Version) demonstrieren kann, das batterieelektrische Modell zu fahren. "Black-Panel-Kühlerverkleidung" mit LED-Leuchtband heißt das Zauberwort. Sieht schon cool aus. Kann man aber auch weglassen. Wenn einem der Elektroantrieb peinlich ist, man aber bloß die Hälfte an Dienstwagensteuer überweisen möchte (0,5-Prozent-Regelung).
Wie sexy kann eine elektrisch angetriebene G-Klasse sein?
Da stellt sich die Frage, ob die G-Klasse ohne bollernden Acht- oder fein säuselnden Sechszylinder (gibt es neuerdings auch wieder benzinerseitig) überhaupt so sexy sein kann, dass sie fleißig gekauft wird. Oder die elektrische Variante als Diesel-Ersatz (der klingt eh unspektakulär). In puncto Drehmoment bestimmt, aber da gibt es ein kleines Problem - der Stromer darf leider keine Anhängerkupplung haben. Mit einem dreieinhalb Tonnen schweren Anhänger im Schlepptau wäre das Gespann ohnehin so schwer, dass der Personenwagen-Führerschein nicht mehr reichen würde. Schließlich wiegt der Fünfachtzig schlappe 3,1 Tonnen leer. Demnach ist der G 580 zum reinen Lifestyle-Objekt verdammt. Er ist allerdings eines, das über verrückte Offroad-Eigenschaften verfügt.
Aber jetzt gibt es erst einmal ein paar Zahlen zum Antrieb. Kumuliert leisten die vier Radnabenmotoren 587 PS (knapp unterhalb des G 63) und geben irrwitzige 1164 Newtonmeter Drehmoment ab. Damit soll der Schwabe innerhalb von 4,7 auf Landstraßentempo beschleunigen. Bei 180 Sachen ist allerdings Schluss - reicht für einen Offroader allemal. Beim Stromverbrauch bleibt sich der 4x4 übrigens treu. Effizienz hin oder her - satte 27,7 bis 30,3 kWh nennt das Werk als gemittelten WLTP-Konsum. Aber was solls, wenn die elektrische Power der hauseigenen Photovoltaik-Anlage entstammt.
Langstrecke kann der G 580 natürlich auch. Bis zu 473 Kilometer WLTP-Reichweite sind drin. Und wenn das 116 kWh (netto) große Batteriepaket des chinesischen Herstellers CATL leer ist, wird mit 200 kW im Peak geladen. Der Hersteller veranschlagt 32 Minuten für eine Ladung von 10 bis 80 Prozent - anders ausgedrückt: Binnen 15 Minuten wird Energie für 170 Kilometer nachgeladen. Wenn man bedenkt, dass es viele G-Klassen (und die meisten dürften in urbanen Gegenden unterwegs sein) sowieso bloß bis zur nächsten Flaniermeile schaffen müssen, klingt das locker machbar. Und beim Baumarkt oder Gartencenter kann sich der G 580 ebenso ohne Probleme blicken lassen angesichts knapp 2000 Litern Gepäckraumvolumen.
G-Turn sorgt für Show-Effekt
Aber nach der Pflicht kommt die Kür. Welche Features könnten so interessant sein, dass G-Klasse-Kunden kaum um die elektrische Version herumkommen? Wie wäre es mit dem "G-Turn"? Schon seit Monaten kursieren Videos im Netz, auf denen noch getarnte G-580-Entwickler in der Gruppe Pirouetten tanzen. Echt jetzt, eine 360-Grad-Wende auf der Stelle? Ja, kann der G 580 tatsächlich auch in der Serie nach entsprechender Aktivierung mithilfe radselektiver Eingriffe.
Ist das nur Show? Mercedes erklärt, dass es im Gelände tatsächlich auch Situationen geben könne, in denen dieses Gadget helfe. Beispielsweise, wenn ein Hindernis die Strecke versperre. Zugegeben, das ist schon sehr spitz angelegt. Da klingt die zweistufige Übersetzung für jedes Rad schon eher nach echter Geländekompetenz. Auch die 100-Prozent-Steigfähigkeit geht mit Umstellung auf elektrischen Antrieb keineswegs verloren.
Und bei der Wattiefe ist der Stromer den konventionellen Varianten sogar überlegen. Weil es keinen Auspuff gibt, durch den Wasser angesaugt werden könnte, was für einen Verbrenner zerstörerische Wirkung hätte. Daher sind es hier 85 statt 70 Zentimeter. Bleibt nur die Frage, ob es in Gegenden Ladesäulen gibt, in denen man zwingend Flüsse durchqueren muss. Schön zu wissen jedoch, dass man es könnte. Für das Ingenieur-Team keine einfache Aufgabe, schließlich muss das Hochvolt-System in besonderer Weise geschützt werden vor äußeren Auswirkungen. Was, wenn der schwere Koloss aufsetzt? Daher befestigen die Techniker eine 2,6 Zentimeter dicke Bodenplatte am Leiterrahmen teils aus Carbon von stattlichen 58 Kilogramm Gewicht.
Was die Ausstattung angeht, entspricht der Stromer ohne Frage den Verbrenner-Modellen. Gimmicks wie klimatisierte Cupholder sind genauso am Start wie leistungsfähiges MBUX-Infotainment. Und das verdient seinen Namen, weil man in der G-Klasse auch Filme schauen oder im Internet surfen kann. Bietet sich doch an, wenn der Stromer gerade am Kabel hängt. Wahlweise geht natürlich auch Musikgenuss mit der 3D-Surround-Anlage inklusive Dolby Atmos.
Apropos Sound. Daran haben auch die Antriebsentwickler gedacht und verschiedene Töne für diverse Anlässe kreiert, die unter der hübschen Marketing-Bezeichnung "G-Roar" zusammengefasst werden. So soll bereits ein Sound ertönen, wenn man sich dem Auto nähert. Beim Start der Antriebseinheit ist es wieder ein anderes Geräusch, das den Coolnessfaktor erhöhen soll. Und für den Fahrsound hätten sich die Modellstrategen gar vom Klang der Achtzylinder-Modelle inspirieren lassen, kann man bei Mercedes nachlesen.
Bleibt die Frage, ob die Kunden dann nicht lieber gleich zum Original greifen. Blöd nur, dass der G 580 mit einem Einstiegspreis von 142.622 Euro mehr als 46.000 Euro günstiger ist als der Achtzylinder. Und hier ist der Vorteil bei der Dienstwagensteuer noch gar nicht berücksichtigt. Da kommt vielleicht auch der eine oder andere wohlhabende Kunde ins Grübeln. Oder aber dem G 580 gelingt es gar, eine neue Kundengruppe zu erschließen. Man darf gespannt sein.
Quelle: ntv.de
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