Die Angst wächst wieder, nicht nur in Siena. In dem mittelalterlichen Toskana-Städtchen kämpft die einst so reiche Banca di Monte dei Paschi di Siena, kurz Mps, ums Überleben. Das drittgrößte Geldhaus Italiens sitzt auf einem Berg von Krediten, die wohl nie mehr zurückgezahlt werden. Deshalb bastelt die Regierung in Rom an einem Rettungsplan, natürlich mit staatlichen Hilfen.
Eigentlich sind staatliche Rettungsaktionen für Banken nach neuem EU-Recht mittlerweile verboten. Bevor die Steuerzahler einspringen, müssen demnach erst die Aktionäre und Gläubiger der Banken zur Kasse gebeten werden. Dazu gehören auch jene Anleger, die ihr Geld in bestimmte Formen von Bankobligationen gesteckt haben, die gerade in Italien sehr verbreitet sind. Allein Mps soll Papiere dieser Art mit einem Volumen von sechs Milliarden Euro an rund 60.000 Kunden verkauft haben.
Wenn die bei der Bank-Rettung zumindest teilweise ihre Ersparnisse verlieren, werden überall im Land die Sparer die Banken stürmen und diese Papiere zurückgeben wollen. Denn Mps ist nicht das einzige Geldhaus mit solchen Problemen. Auch andere Finanzinstitute wie die Banca Popolare di Vicenza und die in Genua residierende Sparkassen-Gruppe Carige hätten ähnlich drückende Lasten, heißt es in italienischen Medien.
Angst vor der Kettenreaktion
Zusammengenommen hat Italiens Finanzbranche Kredite von insgesamt 360 Milliarden Euro in ihren Bilanzen, die, freundlich gesagt, "problematisch" sind. Das sind rund 20 Prozent aller ausgegebenen Kredite. Von diesen gelten bis zu 200 Milliarden als "wahrscheinlich unwiederbringlich", wie Branchenprofis es ausdrücken.
Fällt also ein größeres Kreditinstitut, so die Sorge, fallen viele andere mit. Die Auswirkungen wären fatal. Ökonomisch wie politisch: Ministerpräsident Matteo Renzi würde es vermutlich das Amt kosten. Darum dringt der Regierungschef seit Langem in Brüssel darauf, seine gefährdeten Banken unter Umgehung der erst kürzlich eingeführten EU-Regeln retten zu dürfen, nämlich ohne die Anleger in Mithaftung zu nehmen.
Seit gestern streiten die Finanzminister der Eurozone wieder einmal darüber. Wolfgang Schäuble (CDU) ist dagegen. Und auch der niederländische Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem gab sich gestern Abend noch ganz hart. "Die Probleme müssen in den Banken geregelt werden", sagte er, also ohne Staatshilfen zulasten der Steuerzahler.
Der IWF macht Druck
Ob Schäuble und Dijsselbloem sich am Ende durchsetzen können, ist offen. Schließlich kämpfen einige Staaten mit ähnlichen Problemen wie Italien. Und die haben nun auch noch einen wichtigen Verbündeten bekommen: den Internationalen Währungsfonds IWF.
In einem an diesem Dienstag präsentierten IWF-Länderbericht zu Italien mahnt die in Washington ansässige Finanzinstitution schnelle, "geeignete" Aktivitäten an, um das marode italienische Bankensystem zu sanieren. Aus eigener Kraft würden die angeschlagenen Geldhäuser es nicht schaffen, es seien "zusätzliche Maßnahmen nötig", heißt es im Bericht, und - mit Blick auf die starre Nein-Front in Büssel - das EU- Regelwerk sei "flexibel" zu handhaben.
Die offensichtliche Nervosität des IWF kommt nicht von ungefähr. Denn die Prognosen für die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone sehen nicht gut aus. In diesem Jahr werde "Bella Italia" nicht einmal die bislang erwartete Wachstumsrate von 1,1 Prozent erreichen, sondern unter einem Prozent bleiben, erwarten die Experten des Weltwährungsfonds. Für das nächste Jahr senkte der IWF seine Erwartungen von bislang 1,3 auf "etwa ein Prozent" ab - und schrieb gleich dazu, es könne auch noch schlechter kommen. In Brüssel ging man bislang von einem Wachstum von 1,6 in diesem und 1,4 Prozent im kommenden Jahr aus. Aber das sind wohl Träume von gestern - vor dem Brexit.
Die Situation der Finanzbranche wird dadurch "in fast allen EU-Ländern" noch dramatischer, heißt es in einer Studie der Barclays Bank. 150 Milliarden Euro frisches Kapital seien notwendig, um Europas Banken zu stabilisieren, schätzt David-Folkerts Landau, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Und ganz vorn in der Problemzone steht wieder einmal Italien.
Italiens Schulden: weit über zwei Billionen
Italien sei aus der Spur und müsse endlich sein Defizit in den Griff kriegen, warnt die Europäische Zentralbank nachdrücklich. Italiens Schuldenberg dürfte dieses Jahr bei 132,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, also erneut auf der Allzeitrekordmarke des Vorjahres. Drückt man das nicht in Prozentwerten, sondern in harter Währung aus, dann hat Italien damit weit mehr als zwei Billionen Euro Schulden, also etwa 2200 Milliarden. Ein ordentlicher Berg. Und der wächst in jeder Sekunde um 1300 Euro.
Ein neues Defizit von 2,4 Prozent des BIP komme in diesem Jahr dazu, schätzen die EU-Experten in Brüssel. Im darauffolgenden Jahr werde es dann etwas weniger, sagt Rom und hofft Brüssel. Wie in jedem der vergangenen Jahre. Aber, klar, wenn jetzt erst einmal Banken mit Milliarden aus der Haushaltskasse gerettet werden müssen, kann ja aus dem guten Vorsatz nichts werden.
Quelle: spiegel.de
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