Brisante Forderung soll Flüchtlinge besser integrieren

  17 Auqust 2016    Gelesen: 380
Brisante Forderung soll Flüchtlinge besser integrieren
Ökonomen zufolge wird es 3,5 Milliarden Euro kosten, die Flüchtlinge in Deutschland gut auszubilden. Aber das Geld könne schnell Erfolge bewirken – wenn es auch radikale Maßnahmen gebe.
Die Bildung von jungen Flüchtlingen wird in den kommenden Jahren Milliarden kosten – zahlt sich aber binnen kurzer Zeit aus. Das ist das Ergebnis eines aktuellen INSM-Bildungsmonitors des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Danach fehlen derzeit unter anderem rund 100.000 Kita-Plätze und 200.000 Schulplätze im Land, 120.000 meist jugendliche Flüchtlinge müssen auf eine Ausbildung vorbereitet werden. Das alles koste den Staat rund 3,5 Milliarden Euro im Jahr.

"Das Geld ist da. Aber wir müssen vom Krisenmodus umschalten auf die Integration durch Bildung", sagte Studienleiter Axel Plünnecke. Konkret gelte es etwa, junge Flüchtlinge in berufsvorbereitenden Kursen mit Unterstützung zusätzlicher Integrationsbegleiter auf eine Berufsausbildung vorzubereiten. Allein dafür veranschlagen die Wissenschaftler, die im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) arbeiteten, Kosten von rund 1,2 Milliarden Euro im Jahr.

Die Kosten für zusätzliche Schul-Plätze setzen sie mit 1,3 Milliarden Euro an, diejenigen für Kita-Plätze mit rund 700 Millionen Euro im Jahr. All dieses Geld aber könne bereits binnen weniger Jahre durch geringere Ausgaben bei Sozialleistungen eingespart werden, sagt Plünnecke. Dann nämlich, wenn eine bessere Integration der Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt gelungen sei.

Vorrangprüfung soll ausgesetzt werden

Politisch brisant ist eine zentrale Forderung der Wissenschaftler: Sie wollen die freie Wohnortwahl für Flüchtlinge auch nach positiv beschiedenem Asylantrag beschränken. Ziel sei es, Flüchtlinge in Regionen mit guten Integrationsperspektiven zu verteilen. Bisher dagegen zögen viele Zuwanderer trotz schlechter Arbeitsmarktaussichten in westdeutsche Großstädte. Auch künftig sollten Flüchtlinge allerdings umziehen können, die in einer anderen Region einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildungsstelle finden, heißt es im Bildungsmonitor.

Im ganzen Land ausgesetzt werden solle dagegen die sogenannte Vorrangprüfung. Bisher dürfen Asylbewerber in vielen Regionen nur dann eine Arbeit aufnehmen, wenn die Bundesagentur für Arbeit bestätigt, dass für diese Stelle kein Bewerber aus dem Inland oder der Europäischen Union zur Verfügung steht. Viele Flüchtlinge tun sich ohnehin schwer, eine passende Arbeitsstelle zu finden, und kommen vor allem in Helferberufen unter. Unternehmen bemängelten jüngst in einer Umfrage vor allem fehlende Deutschkenntnisse und unzureichende Qualifikationen als Einstellungshemmnisse.

Umso wichtiger ist es, mehr Flüchtlinge als bisher in das deutsche Bildungssystem zu integrieren. Bisher nämlich erreicht das von den Ländern finanzierte Bildungssystem nur etwa 40 Prozent aller 18- bis 25-jährigen Flüchtlinge. Vor allem junge Männer steigen häufig direkt in den Arbeitsmarkt ein, um schnell Geld zu verdienen.

Engpass bei den Lehrern

Die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sind im Durchschnitt deutlich jünger als die inländische Bevölkerung. Bisherigen Schätzungen zufolge werden sich Ende des Jahres rund 1,3 Millionen Flüchtlinge im Land aufhalten. Über die Hälfte von ihnen ist zwischen 18 und 35 Jahre alt. Die inländische Bevölkerung dagegen ist in großer Mehrheit (64 Prozent) über 35 Jahre alt. Auch haben die Flüchtlinge deutlich mehr kleine Kinder: Neun Prozent von ihnen – oder 117.000 Menschen – sind unter vier Jahre alt. Bei den Inländern beträgt dieser Anteil lediglich drei Prozent.

Unterdurchschnittlich allerdings ist das Ausbildungsniveau der Flüchtlinge. Je nach Erhebung kommen 16 bis 25 Prozent mit höchstens einer Grundschulbildung nach Deutschland. Umso wichtiger sind Bildungsangebote.

Ein Engpass dürfte sich dabei allerdings bei den Lehrern und Grund- und Sekundarschulen auftun. Die Kultusministerkonferenz rechnet – je nach angestrebter Schüler-Lehrer-Relation – mit einem Bedarf von 15.000 bis 30.000 zusätzlichen Lehrern. Die allerdings lassen sich nur gewinnen, wenn Pensionäre ihren Ruhestand aufschieben und Hochschulen eine Qualifizierungs-Offensive für Deutsch als Fremdsprache starten.

Entspannter dürfte die Lage dagegen in der Berufsvorbereitung sein. Hier ist in den vergangenen Jahrzehnten eine Vielzahl privater Bildungsanbieter entstanden, die auf Staatskosten Hunderttausende von jungen Leuten im Land nach der Schule auf eine Berufsausbildung erst vorbereiten sollen.

In Zeiten von schrumpfenden Jahrgängen haben diese jedoch inzwischen Mühe, ihre Klassen überhaupt noch zu füllen, und konkurrieren zum Teil direkt mit den Betrieben, die Lehrlinge suchen, um den Nachwuchs. Sie könnten ihre Übergangsklassen, Berufsgrundbildungsjahre und Einstiegsqualifizierung nun verstärkt mit Flüchtlingen füllen.

Quelle : welt.de

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