“Deutschlands Aufgabe, Flüchtlinge ins Land zu lassen“

  27 Oktober 2015    Gelesen: 729
“Deutschlands Aufgabe, Flüchtlinge ins Land zu lassen“
Die Flüchtlingskrise ist eine Zerreißprobe für die Union: Bei "Hart aber fair" verteidigt Kanzleramtschef Peter Altmaier den Kurs von Merkel. Die Reaktion aus der bayerischen CSU bleibt rau.
Er gestikuliert, er beschwört große Bilder, er streitet, er kämpft. Peter Altmaier, Merkels Mann in der Krise, der Chef im Bundeskanzleramt, ihr Flüchtlingskoordinator, tritt engagierter auf, als man es von ihm gewohnt ist. Er signalisiert vor allem eins: In der Flüchtlingsfrage geht es mittlerweile um alles oder nichts. Es gibt kein Zurück mehr hinter das Wir-schaffen-das.

"Den Flüchtlingsstrom können wir nicht an- oder abdrehen wie einen Wasserhahn": Das ist die Botschaft von Peter Altmaier an diesem Abend und in diesen Tagen. Und er verspricht, dass es gelingen wird, jedem Geflüchteten ein Dach über dem Kopf zu verschaffen – jetzt, wo der Winter näher rückt.

Dass es auch weiterhin Deutschlands Aufgabe sein wird, Flüchtlinge ins Land zu lassen, begründet er auch damit, dass andere noch viel mehr Menschen aufnehmen – ein Argument, das normalerweise eher von Personen hervorgebracht wird, die politisch links von Altmaier stehen. Nun aber ist er es, der die zwei Millionen Geflüchteten nennt, die in der Türkei gestrandet sind. Die 1,6 Millionen in Jordanien. Und er sagt, dass Schweden – prozentual gerechnet – immer noch mehr Menschen aufnimmt als Deutschland.

Die EU-Vereinbarungen: "Eine Lachnummer"

Altmaiers Widersacher ist, wieder mal, eigentlich ein politischer Verbündeter: Christian Bernreiter, CSU-Politiker aus Deggendorf, Präsident des Bayerischen Landkreistags. Auch er sucht nach den großen Bildern. Spricht von den Helfern, die restlos überfordert sind. Nennt die Vereinbarungen der Europäischen Union zur Flüchtlingsverteilung eine "Lachnummer".

Bernreiter beklagt sich: "Es gelten in Europa keine Gesetze mehr, alles ist außer Kraft gesetzt." Der österreichischen Regierung wirft er vor, dass sie die Flüchtlinge einfach "nur noch durchs Land durchwinken würde". "Das kann nicht funktionieren", sagt er.

Unterstützung erhält Bernreiter von Rainer Wendt, dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, der zuletzt mit der Forderung, einen Grenzzaun zu Österreich zu errichten, viel Kritik auf sich zog. "Unsere Kollegen sind am Ende ihrer Kräfte", beschreibt Wendt die Situation der Polizeibeamten. "Wir brauchen dringend Unterstützung."

Peter Altmaier lehnt eine Änderung des Grundgesetzes ab

Wie die Flüchtlingskrise die Union zerreißt, das steht bei dieser Ausgabe von Frank Plasbergs Talkshow "Hart aber fair" im Zentrum. Der Optimismus des Merkel-Lagers (vom "Zweckoptimismus" spricht der Politikberater und frühere Journalist Michael Spreng) steht auf der einen, der Wunsch nach einem schnellen Ende des Zustroms auf der anderen Seite.

So fordert der CSU-Mann Bernreiter etwa die Begrenzung des Asylrechts im Grundgesetz, wie sie jüngst auch vom Deutschen Landkreistag vorgeschlagen wurde. Menschen, die aus Ländern kommen, die als sichere Herkunftsstaaten eingestuft wurden, sollen demnach gar kein Anrecht mehr auf eine individuelle Prüfung ihres Asylantrags erhalten. Der CDU-Politiker Altmaier lehnt eine solche Grundgesetzänderung ab, hält sie für nicht durchsetzbar.

Die Zustimmungswerte für Angela Merkel sind in der jüngsten Vergangenheit gesunken, die für ihren unionsinternen Kontrahenten Horst Seehofer dagegen gestiegen. Und auch die Zahl der Deutschen, die sich wegen der Flüchtlingskrise große Sorgen machen, nimmt zu: 51 Prozent hätten kürzlich gesagt, dass sie Angst haben vor den Folgen der Einwanderung, zitiert Frank Plasberg eine Umfrage.

Es geht jetzt um die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin

"Ein Politiker muss das durchstehen", kommentiert Michael Spreng, der einmal Chefredakteur der "Bild am Sonntag" war und Edmund Stoiber beraten hat, als dieser Bundeskanzler werden wollte, trocken. Merkel habe sich auf ihre Position festgelegt, deswegen geht es jetzt um ihre Glaubwürdigkeit. Eine Umkehr sei für die Kanzlerin undenkbar, davon ist Spreng überzeugt.

Die Frage sei deshalb nun vielmehr, wie lange die Union ihr noch folge. Bleiben ihre politischen Verbündeten ihr treu oder "wandern CDU und CSU aus dem Land von Merkel aus"? "Bislang ist Merkel für die Union eine Machtgarantie", sagt Spreng. "Wird sie nicht mehr als solche gesehen, dann wird sie auch schnell fallengelassen." Dass Peter Altmaier das anders sieht, ist keine Überraschung. "Die Fraktion steht hinter Angela Merkel", postuliert er.

Sevim Dagdelen, die für die Linke im Bundestag sitzt, glaubt, dass sich ein ganz anderer verrechnet hat: Horst Seehofer, der in "einen Wettstreit mit der AfD" getreten ist, die sich wiederum "in einen Wettstreit mit der NPD" befände. "Dieser Rechtspopulismus von Seehofer wird nicht erfolgreich sein", sagt Dagdelen. Sie ist sich sicher: "Die AfD wird in den bayerischen Landtag einziehen."

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