Saudische Millionen und ein verschwundener Oscar

  27 September 2016    Gelesen: 558
Saudische Millionen und ein verschwundener Oscar
Malaysias Ministerpräsident Razak steht im Zentrum eines weltweiten Finanzskandals und klebt an der Macht. Nun empfängt ihn Bundeskanzlerin Merkel.
Eine in Malaysia bekannte Karikatur zeigt Ministerpräsident Najib Razak als einen grimmigen Clown. So unerhört erscheint vielen seiner Landsleute der Sumpf aus Korruption, Intrigen und Missachtung der Menschenrechte zu sein, der den Regierungschef umgibt, dass sie sich das Ganze nur noch als Witz erklären können. Razak steht im Zentrum eines Finanzskandals, der weltweit Seinesgleichen sucht. Trotz des Skandals um den verschuldeten Staatsfonds „1MDB“ und Zahlungen auf sein persönliches Konto versucht er mit allen Mitteln, sich an der Macht zu halten.

An diesem Dienstag trifft der malaysische Ministerpräsident in Berlin zum Mittagessen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. Nach Angaben der Bundesregierung wollen sie bilaterale, wirtschaftliche, regionale und globale Fragen erörtern. Die von Menschenrechtlern und der malaysischen Opposition beklagte Verschärfung der Sicherheitsgesetze in Malaysia steht offiziell nicht auf der Agenda, ebenso wenig die zunehmende Islamisierung des Landes.

Wohl dosierte Kritik

Kritik an den Vorgängen in Malaysia dürfte in Berlin nur wohl dosiert geäußert werden. Denn Malaysia ist nicht nur ein wirtschaftlicher Partner, sondern spielt auch eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der mit den Terroristen des „Islamischen Staates“ verbündeten Islamisten in Südostasien. Merkel gewährt dem Malaysier den vergleichsweise intimen Rahmen eines Mittagessens. Schon der amerikanische Präsident Brack Obama hatte Razak zu einer Runde Golf eingeladen und ihm so Wertschätzung entgegengebracht.

Najib Razak galt als Reformer, als er im Jahr 2009 das Amt des Regierungschefs in dem südostasiatischen Land übernahm. Die Hoffnung war groß, dass er das semi-autoritäre System liberaler und offener machen würde. Seine Partei ist seit dem Jahr 1957 an der Macht, sieht sich aber einer zunehmend kritischen Mehrheit gegenüber. Kritiker werfen Najib Razak vor, dass die Repression gegenüber Oppositionellen unter ihm weiter zugenommen hat. So ist im August ein Gesetz in Kraft getreten, das dem Regierungschef erlaubt, willkürlich Sicherheitszonen zu erklären, in denen die Polizei Personen ohne richterliche Anordnung durchsuchen und festnehmen kann. Offiziell will die Regierung damit der Bedrohung durch islamistische Terroristen begegnen.

Der eigentliche Grund dürfte sein, dass der Ministerpräsident seine Kritiker in Schach halten will. Immer mehr von ihnen sehen sich nun einer politisch instrumentalisierten Polizei und Justiz ausgeliefert. So wie der Karikaturist Fahmi Reza, der wegen der Clown-Zeichnung festgenommen wurde und nun mit bis zu einem Jahr Haft rechnen muss. Das prominenteste Opfer der politisierten Justiz ist der einstige Finanzminister und spätere Oppositionsführer Anwar Ibrahim, der Anfang des vorigen Jahres ein weiteres Mal wegen angeblicher „homosexueller Handlungen“ zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Milliarden verschwanden in dunklen Kanälen

Das war noch vor den Enthüllungen um den malaysischen Staatsfonds „1MDB“, die vom „Wall Street Journal“ und dem Weblog „Sarawak-Report“ vorangetrieben worden waren. Razak, der auch als Finanzminister fungiert, hatte den Fonds im Jahr 2009 gegründet und steht ihm seither vor. Milliarden wurden in den Sand gesetzt oder verschwanden in dunklen Kanälen. 681 Millionen Dollar fanden sich auf einem Privatkonto des Regierungschefs. Der allerdings bestritt, dass sie es sich dabei um Geld aus dem Staatsfonds handelte. Es sei vielmehr eine Spende des saudischen Königshauses, ließ er verlauten. Doch dann wurde bekannt, dass Razaks Ehefrau Rosmah Mansor mit Kreditkarten Millioneneinkäufe getätigt haben soll.

Mittlerweile hat der Skandal sogar Hollywood erreicht: So soll ein Teil des Geldes zur Produktion des Martin-Scorsese-Films „Wolf of Wallstreet“ aus dem „1MDB“-Fonds stammen. Das Bindeglied dabei ist ein junger Geschäftsmann mit dem Kurznamen Jho Low, ein alter Schulfreund von Najib Razaks Sohn. Dieser hatte offenbar auch mit Geld aus dem Staatsfonds in Amerika teure Partys veranstaltet, Luxuswohnungen in Manhattan erworben und Werke berühmter Künstler gekauft. Als einflussreicher Financier soll er dem Hauptdarsteller des Films Leonardo DeCaprio freundschaftlich verbunden gewesen sein. Wie jüngst bekannt wurde, hatte Jho Low ihm zum 38. Geburtstag einen Oscar geschenkt, der einst aus dem Nachlass des Schauspielers Marlon Brando verschwunden sein soll.

Mysteriöse Todesfälle

Mittlerweile haben die Behörden in Singapur, der Schweiz und in Amerika Ermittlungen wegen der von „1MDB“ offenbar veruntreuten Milliarden eingeleitet. Insgesamt geht es um mindestens vier Milliarden Dollar. Damit dürfte es einer der größten Finanzskandale der jüngeren Geschichte sein. In Malaysia hatten nach den Enthüllungen Zehntausende gegen den Regierungschef demonstriert. Selbst Mahathir Mohamad, die graue Eminenz der malaysischen Regierungspartei, stellte sich gegen seinen früheren Polit-Zögling und versöhnte sich darüber gar mit seinen einstigen Feinden aus der Opposition.

Doch Najib Razak, dessen Vater und Onkel einst schon Regierungschefs Malaysias waren, klebt an der Macht. Ein Vize-Ministerpräsident und vier weitere Minister wurden entlassen, weil sie den Sturz ihres Chefs vorbereitet hatten. Auch der in Sachen „1MDB“ ermittelnde Generalstaatsanwalt wurde geschasst. Sogar zwei mysteriöse Todesfälle werden in die Nähe des Skandals gerückt. Um davon abzulenken, treibt der Ministerpräsident die Islamisierung im Land voran. Dadurch werden die Gräben zwischen den muslimischen Malaiien, die er als Machtbasis seiner Partei weiter an sich binden will, und den Minderheiten der Chinesen und Inder unter den knapp 30 Millionen Einwohnern noch vertieft.


Tags:


Newsticker