Misiewiczs größtes Verdienst dürfte sein, dass er mit seinem Namen einen neuen Begriff geprägt hat, der in den vergangenen Wochen Einzug in die polnische Sprache gehalten hat: Misiewicze. So werden nun jene Personen bezeichnet, die nur aufgrund ihres PiS-Parteibuchs oder enger Kontakte zu Politikern der nationalkonservativen Regierungspartei gutbezahlte Positionen in staatlichen Unternehmen und kommunalen Betrieben bekommen.
So wie Misiewicz, der es neben seinem Job im Verteidigungsministerium auch noch gleich in die Aufsichtsräte des Energieversorgers Energa Cieplo Ostroleka sowie der Polnischen Verteidigungsgruppe (PGZ) schaffte - einem staatlichen Rüstungskonzern, zu dem neben dem Panzerwagenhersteller Rosomak und der Stahlhütte in Stalowa Wola rund 60 weitere Unternehmen gehören.
Misiewicz ist kein Einzelfall. Allein die Internetseite Misiewicze.pl, die von der Oppositionspartei Nowoczesna im September online gestellt wurde, verzeichnet bisher 253 Personen, die ihre neuen Positionen lediglich ihrem Parteibuch oder ihrer Verbindung zu einflussreichen PiS-Politikern verdanken, zum Teil aber für ihre neuen Aufgaben gar nicht die nötigen Qualifikationen mitbringen.
Was sind die Aufgaben einer "Hauptspezialistin"?
So wie Sabina Bigos-Jaworowska. Diese verdankt dem Wahlsieg der PiS einen Aufsichtsratsposten bei PL2012+, dem Betreiber des Nationalstadions in Warschau. Ein für Bigos-Jaworska unbekanntes Geschäftsfeld , denn bis zu ihrem Einzug in den Aufsichtsrat war sie Direktorin des Kreiskrankenhauses in Oswiecim (Auschwitz), der Heimatstadt von Ministerpräsidentin Beata Szydlo, mit der Bigos-Jaworowska seit den Neunzigerjahren befreundet ist.
Sie ist nicht die einzige Person aus dem Freundeskreis der polnischen Regierungschefin, die in den vergangenen Monaten Karriere machte. Zdzislaw Filip, der Beata Szydlo seit gemeinsamen Schulzeiten kennt, avancierte zum Vorstandsvorsitzendem des staatlichen Bergbauunternehmens Tauron Wydobycie.
Für Schlagzeilen sorgten auch Jan Maria Tomaszewski, ein Cousin des allmächtigen PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski, und seine Ehefrau Beata Fido. Tomaszewski, vom Beruf Bildhauer, stieg mit dem Wahlsieg der PiS zum Berater des Vorstands des staatlichen Fernsehsenders TVP auf. Eine Aufgabe, die ihm ein Monatsgehalt von rund 5000 Euro einbrachte. Das Fünffache des polnischen Durchschnittseinkommens.
Für Tomaszewski ist es nicht der erste Job, den er dem Wahlerfolg seiner Verwandten verdankt. Schon als der 2010 beim Flugzeugunglück von Smolensk verstorbene Präsident Lech Kaczynski Bürgermeister von Warschau war oder die PiS in der Zeit von 2005 bis 2007 zum ersten Mal die Regierungsverantwortung trug, bekam Tomaszewski unterschiedliche Posten bei kommunalen Betrieben und Staatskonzernen.
Ebenfalls bei TVP untergekommen ist Tomaszewskis Ehefrau. Die Schauspielerin, die durch ihre Hauptrolle in dem umstrittenen Film "Smolensk" einem größeren Publikum bekannt wurde, ist seit März dieses Jahres als "Hauptspezialistin" beim Staatsfernsehen tätig. Was jedoch zu den Aufgaben von Beata Fido gehört, die nebenbei noch für den PiS-Europaabgeordneten Karol Karski arbeitet, möchte TVP bis heute nicht erklären.
Fido ist übrigens nicht die einzige Darstellerin aus dem "Smolensk"-Film, die von der PiS bedacht wurde. Mariusz Bulski wurde im März zum Berater der Geschäftsführung der Polnischen Agentur für Informationen und Auslandsinvestitionen.
"Um Leute unterzubringen, werden sogar Gesetze geändert"
Die Liste derer, die durch den politischen Erfolg der PiS wirtschaftlich aufgestiegen sind, ließe sich problemlos um einige Namen erweitern. Selbst der frühere Leibwächter von Jaroslaw Kaczynski, Zbigniew Lasek, wurde zum Dank für seine jahrelangen Dienste mit dem Posten des Sicherheitschefs beim staatlichen Mineralölkonzern PKN Orlen belohnt.
Experten gehen davon aus, dass die Liste sogar noch länger ist. "Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein, da viele Fälle aus den kommunalen Behörden noch nicht gemeldet sind", sagt Grzegorz Makowski von der Stefan-Batory-Stiftung, die sich seit Jahren mit den Themen Korruption und Vetternwirtschaft befasst. Ende Oktober wurde zum Beispiel bekannt, dass alle PiS-Abgeordneten des Stadtparlaments von Zoppot einen Job beim lokalen Energieversorger Energa bekamen.
Dass Regierungsparteien ihre Mitglieder oder ihnen nahestehende Personen mit Posten in staatlichen Unternehmen oder Behörden entlohnen, ist in Polen nicht neu. Mit jeder Regierung wechselte die Führung polnischer Staatsunternehmen - die immerhin 20 Prozent der Wirtschaftsleistung erbringen - oder des staatlichen Rundfunks. Weshalb man in Warschau von dem "Teraz Kurwa My"-Prinzip spricht, was freundlich übersetzt "Verdammt, jetzt sind wir dran" bedeutet. "Neu ist jedoch die Aggressivität, mit der die PiS vorgeht", sagt Makowski. "Sie ändern Gesetze und die Statuten von Staatskonzernen, um ihre Leute problemlos unterzubringen."
Damit verweist Makowski auf zwei umstrittene Fälle: Bereits Ende Dezember 2015, nur wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt, brachte die PiS ein neues Gesetz durch den Sejm, wonach Stellen im öffentlichen Dienst nicht mehr durch eine Ausschreibung, sondern durch eine Berufung besetzt werden. Und als im September bekannt wurde, dass Bartlomiej Misiewicz nicht die nötigen Zusatzkurse für einen Aufsichtsratsposten besaß, änderte man kurzfristig die Statuten der entsprechenden Staatskonzerne.
"Es wird keine großen Enthüllungen geben"
Die negativen Schlagzeilen und den damit verbundenen öffentlichen Druck konnte die PiS jedoch nicht verhindern. Und sie reagierte, um die Debatte zu entschärfen. Dawid Jackiewicz, der Minister für Staatsvermögen, wurde vor einigen Wochen aus seinem Amt entlassen. Der Kaczynski-Cousin Tomaszewski verlor seinen Beraterposten beim Staatsfernsehen, und Namensgeber Misiewicz selber wurde von all seinen Ämtern suspendiert. Zudem kündigte Ministerpräsidentin Szydlo an, dass das Zentrale Antikorruptionsbüro (CBA) alle staatlichen Unternehmen überprüfen werde.
Ankündigungen, die offenbar jedoch wenig mehr sind als leere Worte. Denn laut Recherchen polnischer Medien handelt es sich bei der Entlassung Tomaszewskis nur um eine Versetzung auf den Direktorenposten der bei TVP fürs Theater zuständigen Redaktion. Gefördert vom staatlichen Gasversorger PGNiG. Und Misiewicz selbst wurde lediglich vorübergehend von seinen Aufgaben suspendiert, damit er sein Studium beenden kann.
Auch was die groß angekündigte Überprüfung angeht, sind Experten skeptisch: "Das Antikorruptionsbüro befindet sich unter der Kontrolle der PiS", sagt Makowski von der Stefan-Batory-Stiftung. "Da wird es keine großen Enthüllungen geben."
Quelle : spiegel.de
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