Staatsanwälte überprüfen Parlamentsabgeordnete

  28 Januar 2017    Gelesen: 514
Staatsanwälte überprüfen Parlamentsabgeordnete
Seit dem vergangenen Jahr müssen ukrainische Beamte und Politiker ihre Vermögen offenlegen. Die Staatsanwaltschaft hat nun auf Grundlage der Erklärungen Ermittlungsverfahren gegen einige Politiker eingeleitet. Ein Lichtblick - drei Jahre nach der "Revolution der Würde", den Bürgerprotesten im Land.
Von Florian Kellermann

Nur ganz langsam zeigt der Kampf gegen die Korruption in der Ukraine Wirkung. Im jüngsten Ranking der Organisation "Transparency International" hat sich das Land um zwei Punkte verbessert. Damit liegt es nun gleichauf mit Russland, aber immer noch auf einem enttäuschenden 131. Platz aller gelisteten Staaten.

Große Hoffnungen setzen viele Ukrainer inzwischen in die Vermögenserklärungen hoher Politiker und Beamter. Über 100.000 Personen mussten sie im vergangenen Jahr zum ersten Mal abgeben. Ein Erfolg, meint Jaroslaw Jurtschyschyn, Direktor von Transparency International in der Ukraine:

"Dies ist der Beginn einer tektonischen Verschiebung in der ukrainischen Politik. Das System der Vermögenserklärungen wird die Funktionäre wie ein Röntgengerät durchleuchten. Es wird diejenigen, die von ihrem Gehalt leben, trennen von denjenigen, die korrupt sind. Von denen, die einen ganzen Fuhrpark an Autos oder Villen besitzen, für sie gar nicht genug Geld haben dürften."

Die Vermögensaufstellungen sind für jedermann im Internet einsehbar. Was sie zutage brachten, erschütterte die Öffentlichkeit. Zwar ahnten alle, dass Politiker und Richter in der Ukraine sehr reiche Menschen sind. Aber die nackten Zahlen, schwarz auf weiß, waren dann doch für viele ein Schock. Allein die Parlamentsabgeordneten bekannten sich insgesamt zu einem Vermögen von umgerechnet einer halben Milliarde Euro.

Die verdächtigen Politiker stammen aus fast allen Parlamentsfraktionen

Doch woher stammen diese Reichtümer? Viele Abgeordnete gaben in den Jahren zuvor Einkünfte an, die ihnen höchstens einen durchschnittlichen Lebensstandard ermöglicht hätten. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt deshalb inzwischen gegen 29 Abgeordnete, wie sie jetzt bekannt gab. Einige Namen sickerten bereits durch: Die verdächtigen Politiker stammen aus fast allen Parlamentsfraktionen. Unter ihnen auch Boryslaw Rosenblatt aus der Fraktion von Präsident Petro Poroschenko:
"Ich habe auch aus den Medien erfahren, dass es Fragen an mich gibt. Ich werde sie alle beantworten, vor dem Gesetz sind alle gleich. Ich habe eine ziemlich große Summe Bargeld angegeben, da war mir klar, dass Nachfragen kommen können."
Rosenblatt bezifferte allein sein Barvermögen auf umgerechnet 3,7 Millionen Euro. Ein Vielfaches der Summe, die er in den Jahren zuvor verdient hatte, jedenfalls dann, wenn man seinen jährlichen Steuererklärungen glaubt. Er könne das erklären, versichert Rosenblatt.

Anders reagierte Serhij Rybalka, Abgeordneter der oppositionellen "Radikalen Partei". Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn seien politisch motiviert, erklärte er:
"Ein ehrlicher Mensch hat nichts zu fürchten, wie es heißt, und das gilt auch für mich. Aber ich möchte, dass unser Rechtssystem nicht selektiv arbeitet. Korrupte Beamte, die seit Jahr und Tag auf ihren Posten sitzen, wollen mir, meiner Familie und meinen Firmen angebliche Vergehen anhängen. Eine Schande ist das, dagegen haben wir auf dem Maidan demonstriert. Das ist ein politischer Druck auf mich als Oppositionspolitiker und auf meine Fraktion."

Überprüfung von Rada-Abgeordneten und Staatsbeamten geplant

Tatsächlich muss die Staatsanwaltschaft erst beweisen, dass sie politisch unabhängig ist. Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko war bis zu seiner Ernennung Abgeordneter und gehörte der Fraktion von Präsident Poroschenko an. Poroschenko selbst und auch sein politischer Ziehsohn, Ministerpräsident Wolodymyr Hrojsman, deklarierten noch wesentlich größere Vermögen an als die nun verdächtigten Abgeordneten.
Unklar ist auch zur Stunde, wie nicht nur die 450 Rada-Abgeordneten, sondern auch über 100.000 Staatsbeamte überprüft werden sollen. Der Vorschlag, den die Antikorruptionsagentur vor wenigen Tagen dazu gemacht hat, stößt im Justizministerium auf Kritik.

"Das Wichtigste ist, dass der Prozess begonnen hat"

Doch das seien Kinderkrankheiten des neuen Systems, früher oder später werde sich kein korrupter Politiker oder Funktionär mehr verstecken können, gibt sich der mit vielen Bürgerinitiativen verbundene Ex-Politiker Oleh Rybatschuk zuversichtlich:
"Das Wichtigste ist, dass der Prozess begonnen hat. Man kann ihn höchstens verzögern. Der Druck vonseiten der Bürger ist kolossal, ebenso der Druck aus dem Ausland. Wir wollen bald eine neue Kredittranche vom Internationalen Währungsfonds bekommen - die Regierung braucht sie unbedingt. Schon allein deshalb werden wir den Weg der Korruptionsbekämpfung weitergehen. "

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