ANALYSE-Macron lehrt Frankreichs etablierte Parteien das Fürchten

  25 April 2017    Gelesen: 1027
ANALYSE-Macron lehrt Frankreichs etablierte Parteien das Fürchten
Die Franzosen haben bei der Präsidentenwahl den etablierten Parteien die rote Karte gezeigt.
Erstmals seit Jahrzehnten erreichte kein Vertreter der Konservativen oder der Sozialisten die entscheidende zweite Runde im Rennen um das höchste Staatsamt. Die Wahl ist ein Fiasko für die beiden Parteien und zeigt, dass ein Riss durch die Bevölkerung geht. Ängste, in der Globalisierung abgehängt zu werden, mischen sich mit Vorbehalten gegen die politische Elite des Landes, die immer wieder mit Affären Schlagzeilen macht. Der partei-unabhängige Kandidat Emmanuel Macron lehrt die Etablierten das Fürchten. Sollte er sich in der Stichwahl gegen die Rechtsextreme Marine Le Pen vom Front National (FN) durchsetzen, werden die Karten neu gemischt.

Macrons relativ neue Bewegung "En Marche" vermittelt dessen Botschaft: "Vorwärts". "Der Kandidat steht für ein neues, zukunftsorientiertes Frankreich, das keine Angst hat vor Globalisierung, europäischer Integration oder kultureller Vielfalt", sagt Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Macron hat Mut. Er redet offen und sehr elegant, nicht so steif und staatstragend. Er vermittelt einen ansteckenden Optimismus", beschreibt der Direktor des deutsch-französischen Instituts in Ludwigsburg, Frank Baasner, das Erfolgsrezept des 39-Jährigen.

Macron fordere, dass die politischen Eliten ihren Stil ändern und mit dem politischen Gehabe um den französischen Präsidenten aufhören müssten, der immer noch "wie ein Sonnenkönig" behandelt werde. So hatte sich der scheidende Präsident Francois Hollande seine Frisur monatlich fast 10.000 Euro kosten lassen.

Doch das höchste Staatsamt hat in den vergangenen Jahren einiges an Glanz eingebüßt: Der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy muss sich wegen angeblicher illegaler Wahlkampffinanzierung vor Gericht verantworten. Sein Parteifreund und Vorgänger Jacques Chirac wurde 2011 wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gesprochen.

Und der Sozialist Hollande ist der unpopulärste Staatschef seit langem. Viele Wähler und auch Mitglieder seiner Sozialistischen Partei haben es ihm nicht verziehen, dass er 2012 mit seinem Wahlprogramm um die Stimmen von Arbeitern warb, um dann später auf eine eher wirtschaftsfreundliche Politik umzuschwenken. Da die Konjunktur nicht so schnell anzog wie erhofft und die Arbeitslosenquote noch immer bei rund zehn Prozent liegt, sackte er in der Wählergunst immer stärker ab. Als erster Präsident im Nachkriegs-Frankreich verzichtete Hollande daher auf eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit.

SOZIALISTEN VOR ZERREISSPROBE

Laut einem Regierungsmitglied, das nicht namentlich genannt werden möchte, droht der Sozialistischen Partei (PS) eine Zerreißprobe: Die PS könnte demnach in ein sozialdemokratisches und ein traditionell-sozialistisches Lager auseinanderfallen. Bereits rund 50 Abgeordnete haben sich Macrons "En Marche" zugewandt, die bei der Parlamentswahl im Juni in ganz Frankreich antreten wird. "Die spannende Frage wird sein, wie viele aus der PS und dem bürgerlichen Lager Macron aus Überzeugung folgen werden. Wenn viele es nur aus taktischem Kalkül tun, hat er ein Glaubwürdigkeitsproblem", meint Baasner.

Auch die Scheinbeschäftigungsaffäre um Familienmitglieder des gescheiterten konservativen Spitzenkandidaten Francois Fillon verstärkte offenbar die Vorbehalte der Franzosen gegen ihre politischen Eliten. Der langjährige Berufspolitiker sah sein Bild in der Öffentlichkeit auch durch Untersuchungen getrübt, wonach er teure Anzüge als Geschenk angenommen haben soll. "Angesichts solcher Vorfälle ist es verständlich, dass vielen Franzosen die Hutschnur hoch geht", meint Baasner. Le Pen kanalisiere geschickt den Unmut über den Politikbetrieb. Die EU- und Euro-Gegnerin, für die in der ersten Wahlrunde mehr als ein Fünftel aller Wähler ihr Kreuz machten, sieht sich selbst auf einer "historischen" Mission. Es sei an der Zeit, das Volk von der "arroganten Elite" zu befreien.

Ihr Vater Jean-Marie Le Pen hatte 2002 auch die Stichwahl um die Präsidentschaft erreicht, scheiterte aber deutlich gegen Chirac. Damals hatten die Sozialisten mit ihrem Kandidaten Lionel Jospin ebenfalls die Stichwahl verfehlt. Zehn Jahre später konnten sie das Präsidentenamt erobern. Ob die einst von Francois Mitterrand aus der Taufe gehobene Partei nach der schweren Niederlage wieder ein Comeback feiern wird, ist offen. Expertin Adelaide Zulfikarpasic vom Umfrageinstitut BVA sieht die PS vor schweren Zeiten: "Die Partei muss in dieser Umbruchphase ums Überleben kämpfen."

Quelle. reuters.de

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