Doch erst am 25. Oktober 1956 erklärte das Amtsgericht Berchtesgaden den "Führer" offiziell für tot. Vorausgegangen war eine detaillierte Untersuchung, in deren Verlauf mehr als 40 Zeugen vernommen wurden, darunter Hitlers Adjutant Otto Günsche und sein Kammerdiener Heinz Linge. Die beiden waren die ersten, die nach dem Selbstmord des Diktators am 30. April 1945 Hitlers Privaträume im "Führerbunker" unter der Reichskanzlei betraten, zusammen mit dem wenige Tage später verschollenen Chef der Parteikanzlei, Martin Bormann.
Aber mehr als 50 Jahre blieb unbekannt, dass die spektakulären Aussagen der beiden Zeugen Linge und Günsche seinerzeit mitgeschnitten wurden. Jahrelang lagerten die Tonbänder im Münchner Staatsarchiv, in dem es aber keine technische Möglichkeit gab, sie abzuspielen. Nun wurden die Schlüsseldokumente in dem Verwirrspiel um das Ende des "Führers" eigens für SPIEGEL TV aufwendig restauriert und können erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Zuflucht im Königin-Maud-Land?
Gespenstisch klar klingen die Stimmen der beiden Hitler-Vertrauten aus der Vergangenheit. "Als ich eintrat, saß links, von mir aus gesehen links, Hitler, und zwar in der rechten Sofaecke", schildert Kammerdiener Linge den Moment, in dem er die Toten entdeckt. Hitler habe "den Kopf etwas leicht nach vorne geneigt und es war an der rechten Schläfe eine Einschussstelle zu sehen, die ungefähr die Größe eines Groschenstückes hatte."
Selten nur haben Heinz Linge und Otto Günsche Journalisten oder Historikern Auskunft gegeben über Hitlers Ende im Bunker. Vor allem Ex-Adjutant Günsche wies bis zu seinem Tod 2003 die allermeisten Anfragen ab; Video- oder Tonaufnahmen von ihm waren bislang nicht bekannt. Noch bedeutsamer sind die Tonbänder, weil die beiden ehemaligen SS-Sturmbannführer seinerzeit unter Eid aussagten.
Vor allem Günsches Erinnerung erweist sich als außerordentlich detailgenau. "Hitler saß auf einem Armsessel", berichtete der den Ermittlern. "Der Kopf hing über die rechte Schulter, die ebenfalls über die Lehne hing, die Hand schlaff herunterhängend. An der rechten Seite eine Einschussstelle." So folgt die bundesdeutsche Justiz schließlich seiner Beschreibung von der Beschaffenheit des Tatorts und der Verbrennung der Leichen Hitlers und Eva Brauns.
Um 15.30 Uhr am 30. April 1945 nahmen sich der "Führer und Reichskanzler" und seine frischangetraute Ehefrau im Bunker unter der Reichskanzlei das Leben - so steht es seither in den Geschichtsbüchern. Doch lange Zeit hatte es Zweifel daran gegeben. Geheimdienste und Polizei suchten seit Mai 1945 weltweit nach dem Diktator, gingen jedem noch so abwegigen Hinweis nach. Am Rande der Potsdamer Konferenz verkündete Josef Stalin im Juli 1945, er wisse nicht, wo Hitler sei; der besiegte Diktator befinde sich in Spanien oder Argentinien. Immer wieder nährten sowjetische Funktionäre in Stalins Auftrag Zweifel an der Selbstmord- und Verbrennungstheorie, die Zeugen aus der Umgebung Hitlers britischen und amerikanischen Ermittlern zu Protokoll gaben - worauf die West-Alliierten ihre Geheimdienste mit Nachforschungen beauftragten.
Hitlers Pistole
Unzählige Spuren verfolgte auch die amerikanische Bundespolizei FBI. So hatten die Beamten von FBI-Chef J. Edgar Hoover Hinweise erhalten, der Diktator sei mit einem deutschen U-Boot entkommen und lebe auf einer Ranch in Südamerika. All dem, das belegen Akten, wurde akribisch nachgegangen. Eine besonders absurde Version über Hitlers Flucht hält sich bis heute: Ein U-Boot habe Hitler in die Antarktis gebracht, wo seine Helfer bereits Ende der dreißiger Jahre einen Zufluchtsort in dem von Norwegen beanspruchten Königin-Maud-Land ausgekundschaftet hätten.
Das Amtsgericht Berchtesgaden eröffnete 1952 dann ein Toderklärungsverfahren in Sachen Adolf Hitler und untersuchte noch einmal alle Details. Längst hatte da ein Münchner Gericht das gesamte Vermögen des Diktators dem bayerischen Staat zugeschlagen - doch das war juristisch heikel, da er nie für tot erklärt worden war. Immerhin ging es um wertvolle Liegenschaften in München und am Obersalzberg; auch die Rechte an seinem Buch "Mein Kampf" waren zunächst Bayern zugesprochen worden. Und: Weiterhin wurde der "Führer" von treuen Anhängern in deren Testament bedacht.
Obwohl auch die Staatsanwaltschaften in Berlin und Wien Interesse an der Sache zeigten, blieb das Verfahren in Berchtesgaden - Bayern war erpicht darauf, den Löwenanteil des Erbes für Bayern zu sichern. So vernahm Amtsgerichtsrat Heinrich Stephanus zum Zwecke der Feststellung des Todes Hitlers zahlreiche, zum Teil prominente Zeugen, darunter Hitlers Sekretärinnen und den ehemaligen "Reichsjugendführer" Artur Axmann, der die Pistole, mit der sich Hitler erschoss, an sich genommen haben soll.
Der Schädel des "Führers"
Hitlers Kammerdiener Linge und seinen Adjutanten Otto Günsche konnten die Berchtesgadener Ermittler vorerst nicht befragen - sie galten Anfang der fünfziger Jahre als verschollen. Tatsächlich befanden sich die beiden seit Kriegsende in sowjetischem Gewahrsam. Günsche wurde 1955 in die DDR entlassen und setzte sich umgehend in die Bundesrepublik ab. Auch Linge konnte erst nach dem Moskau-Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer gemeinsam mit den letzten deutschen Kriegsgefangenen 1955 nach Deutschland zurückkehren - und zu den Umständen von Hitlers Ableben befragt werden.
Die sowjetischen Behörden gaben erst 1970 zu, dass die sterblichen Überreste von Adolf Hitler und Eva Braun von ihnen noch im Anfang Mai 1945 im Garten der Reichskanzlei exhumiert und anhand von Zahnschemata identifiziert wurden. Um die Gerüchte, der "Führer" sei im Mai 1945 lebend aus Berlin entwischt, ein für alle Mal den Boden zu entziehen, präsentierte der russische Geheimdienst im Jahr 2000 ein Schädelfragment und ein Stück Kieferknochen als sterbliche Überreste Adolf Hitlers. Das Gegenteil trat ein: Ein US-Wissenschaftler behauptete 2009 die angeblichen Hitler-Knochen gehörten einer Frau.
Quelle : spiegel.de
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