Der gefallene Ölpreis, Misswirtschaft und Korruption haben das Land ruiniert. Schlangen vor oft nahezu leeren Supermärkten und Apotheken prägen das Straßenbild. Bäckereien haben oft kein Mehl, um Brot zu backen; Menschen suchen im Müll nach Essensresten. Sogar Toilettenpapier ist Mangelware.
In Zahlen ausgedrückt: Die Inflation betrug 2016 dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge 255 Prozent, dieses Jahr dürften es demnach 720 Prozent sein. Für 2020 sagt der IWF eine Teuerungsrate von rund 4000 Prozent voraus. Zudem leidet Venezuela seit vier Jahren unter einer tiefen Rezession. Für das laufende Jahr rechnet der Fonds damit, dass die Wirtschaftsleistung um weitere 7,4 Prozent sinkt, alleine im vergangenen Jahr war sie um 18 Prozent geschrumpft. Ein Ende der Negativentwicklung und die Rückkehr zu Wachstumsraten erwartet der Fonds in den nächsten fünf Jahren nicht.
Maduro führt all das auf einen "Wirtschaftskrieg" zurück, mit dem die USA und die Opposition seinen Sturz herbeiführen wollen. Das ändert allerdings nichts daran, dass zunehmend nicht nur Venezolaner aus der Mittel- und Oberschicht Maduro und seinen Vorgänger Hugo Chávez für die Misere verantwortlich machen.
Staatspleite droht
Chávez hatte den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" postuliert, mit Öleinnahmen wollte er Millionen Menschen aus der Armut zu holen. Venezuela verfügt über die weltgrößten Ölreserven und erwirtschaftet nahezu seine gesamten Einnahmen aus dem Verkauf des Rohstoffs. Angesichts des Preisverfalls in den vergangenen Jahren sind Präsident Maduro und seine Regierung aber in Geldnot geraten und können die Subventionen bei Lebensmitteln, Treibstoff oder Medizin kaum noch zahlen.
Um angesichts der Inflation den weiten Rückhalt bei den Ärmeren nicht zu verlieren, hatte Maduros Regierung in der Vergangenheit die Renten sowie Mindestlöhne und daran gekoppelte Lebensmittelgutscheine erhöht. So stiegen die Mindestlöhne Anfang Februar um 50 Prozent, Ende April nochmals um 60 Prozent und Anfang Juli um weitere 50 Prozent auf monatlich 97.532 Bolívar. Das waren - wenn man den Schwarzmarktkurs zugrunde legt - 12,50 Dollar. Fünf Wochen später sind es noch 6,30 Dollar. Obwohl sich die Inflation beschleunigt hat, hat die Regierung bislang nicht mehr nachgelegt.
Tatsächlich besteht die Gefahr, dass der Regierung bald das Geld ausgehen könnte. Bisher hat sie eine Staatspleite zwar verhindern können. Staatssozialisten und Finanzinvestoren fanden in der Vergangenheit stets zusammen, um alte Schulden durch höher verzinste neue Anleihen abzulösen. Venezuela zahlte immer pünktlich - was auch daran liegt, dass die Regierung große Mengen der Goldreserven und Anteile an Ölfeldern verkauft, um Schulden noch bedienen zu können.
Doch langsam wird es kritisch. Das liegt nicht nur daran, dass die Devisen- und Goldreserven Schätzungen zufolge auf rund zehn Milliarden Dollar zusammengeschmolzen sind. Es wird mittlerweile für Venezuela auch schwieriger, Käufer für seine Anleihen zu finden. Denn immer mehr Banken schrecken angesichts von politischem und öffentlichem Druck davor zurück, Venezuela Geld zu leihen. Und wenn sich neue Gläubiger finden, verlangen sie eine satte Risiko-Rendite.
Im Oktober und im November müssen Schulden von rund 3,7 Milliarden Dollar bedient werden. Doch selbst wenn es Maduro gelingt, das Geld zusammenzukratzen, hat er lediglich eine Atempause gewonnen, um eine Staatspleite abzuwenden. Insgesamt haben das Land und der staatliche Ölkonzern PDVSA, der größte Devisenbringer, etwa 170 Milliarden Dollar Schulden.
Zudem drohen die USA mit Sanktionen gegen den Öl-Sektor. Sollte sich die Regierung unter Präsident Donald Trump tatsächlich dazu entschließen, würde das zu einem Einbruch der überlebenswichtigen Ölexporte führen. Denn sind die USA der wichtigste Abnehmer von Erdöl aus Venezuela, beim derzeitigen Ölpreis importieren die USA für rund zehn Milliarden Dollar im Jahr Öl aus dem Land. Ohne diese Exporte droht die Staatspleite.
Was macht das Militär?
Doch selbst ohne US-Sanktionen sieht es düster aus. In den vergangenen zwei Jahren ist die Förderung in Venezuela infolge von Missmanagement und fehlenden Investitionen um 20 Prozent gesunken. Die Ölproduktion steuert auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren zu.
Sollte Venezuela tatsächlich in die Staatspleite rutschen, wäre Maduro angesichts der Folgen wahrscheinlich politisch am Ende. Denn dann würden Gläubiger venezolanische Vermögenswerte wie etwa die Öllieferungen der staatlichen PDVSA pfänden lassen - und damit dem Land die Finanzierungsgrundlage entziehen.
Die Frage ist, ob Maduro dann seinen wichtigsten Rückhalt verliert - den des Militärs. Für ihre Loyalität zum Präsidenten werden die Streitkräfte üppig belohnt. Maduro gewährt ihnen Zugriff auf profitable Wirtschaftsbereiche. Das Militär besitzt beispielsweise einen Fernsehsender, eine Bank, ein Werk zur Pkw-Montage, ein Bauunternehmen und den einflussreichen Erdöl-, Gas- und Bergbaukonzern Camimpeg. Zwölf der 32 Minister in Maduros Kabinett sind Militärangehörige.
Bisher hält das Militär Maduro die Treue, doch eine Staatspleite mit unabsehbaren Konsequenzen könnte das ändern. Ein Sturz Maduros würde allerdings nicht zwangsläufig die Rückkehr zur Demokratie bedeuten. Das Militär wird sich seine Macht auch künftig nicht nehmen lassen wollen.
Quelle: n-tv.de , mit rts/dpa
Tags: