BAADD – jetzt gibt es Gegner für die Giganten

  26 Januar 2018    Gelesen: 895
BAADD – jetzt gibt es Gegner für die Giganten
Nie zuvor waren die Tech-Riesen Facebook, Amazon und Google so mächtig wie heute. Doch auch nie standen sie so sehr unter Druck wie jetzt. Denn es regen sich mächtige Gegenspieler und die bringen ihre Zerschlagung ins Spiel.

Sigmar Gabriel hat einen Riecher für Themen, die die Gesellschaft bewegen. „Werden wir zu tatenlosen Zuschauern im neuen Kalten Krieg um Technologie werden?“, fragte der geschäftsführende Außenminister provokativ bei der Auftaktveranstaltung der Innovationskonferenz DLD kürzlich. Oder könne Europa mit besseren Antworten aufwarten, um im globalen Technologiestreit zwischen den USA und China nicht zerrieben zu werden?

Bisher kann Europa das nicht. Was ein Problem ist, wie sich am Umgang mit den amerikanischen Tech-Giganten Facebook, Google und Amazon zeigt. Google zum Beispiel kontrolliert den Suchmaschinenmarkt inzwischen zu 90 Prozent. Facebook wiederum beherrscht die sozialen Kommunikationsdienste in den USA zu 75 Prozent. Ähnlich stark dominiert Amazon den E-Book-Markt.

Die Big-Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley verdienen mit ihrem Geschäft nicht nur Milliardenbeträge in Dollar. Sie haben meist auch noch einen exklusiven Zugriff auf die Daten von Milliarden Nutzern weltweit. Das verschafft ihnen einerseits eine Marktmacht, mit der sie in der Lage sind, nicht nur konkurrierende Unternehmen, sondern ganze Branchen plattzumachen. Und es gibt ihnen auch eine politische Macht, bei der sich Experten und Politiker fragen, ob der Einfluss dieser Unternehmen auf gesellschaftliche Entscheidungsprozesse mit demokratischen Spielregeln noch vereinbar sei.

„Big Tech“ – Das klingt inzwischen nach Bedrohung

Größe und Macht aber können für die Konzerne zur Gefahr werden. In der Öffentlichkeit ist aus Bewunderung längst auch Angst geworden. Der Begriff „Big Tech“ wird vielerorts inzwischen als Bedrohung verstanden. Das renommierte britische Magazin „Economist“ belegte die Riesen jüngst mit einem neuen Akronym: BAADD. Es steht für big, anti-competitive, addictive and destructive to democracy. Groß, wettbewerbsfeindlich, suchterzeugend und Demokratie zersetzend. „Bad“ steht im Englischen für „schlecht“. Und in Wissenschaft und Politik macht sich langsam die Idee breit, was so schlecht ist, muss vielleicht zerschlagen, mindestens aber streng reguliert werden.

Tatsächlich werden die Forderungen nach einer Zerschlagung der großen Tech-Konzerne lauter. Auf der DLD-Konferenz in München forderte der New Yorker Starprofessor Scott Galloway Anfang der Woche in München kurzerhand, die Internetriesen aufzuspalten. Sie behinderten als Monopolisten den Fortschritt und bezahlten zu wenig Steuern, sagte er. Galloway ist auch Autor des „New York Times“-Bestsellers „The Four – Die geheime DNA von Amazon, Apple, Facebook und Google“. In München wagte Galloway eine Prognose: Die Entflechtung beginne 2018.

Vor wenigen Jahren noch wäre Galloway für solche Aussagen ausgelacht worden. Big Tech war gut. Google gibt Antworten, Facebook verbindet Menschen, Amazon bringt Produkte besonders günstig. Doch mit der rasanten Ausbreitung der Firmen in viele Gebiete wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens ändert sich die Einstellung zu diesen Unternehmen. „Große Internetkonzerne und ihr Zugang zu Daten haben die Tendenz, Monopole zu bilden und eine marktbeherrschende Rolle zu spielen“, sagte Matthias Machnig (SPD), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, gegenüber WELT.


Dies könne dazu führen, dass ein fairer Wettbewerb gefährdet sei. Deswegen sei eine digitale Ordnungspolitik notwendig. Machnig plädiert für ein Wettbewerbsrecht, das diesen Entwicklungen Rechnung trägt, ein Kartellrecht, das diese Strukturveränderungen ernst nimmt und gesicherte Rechte der Verbraucher im Hinblick auf die Nutzung. „Dazu brauchen wir gemeinsame europäische Regelungen und ein Steuersystem, das aggressive Steuervermeidung von Internetkonzernen verhindert.“

Google, Facebook und Amazon dominieren auch andere Märkte
Denn was bei der gesellschaftlichen Diskussion über Google, Facebook und Amazon übersehen wird: Die drei Stars der Tech-Branche sind nicht nur Monopolisten auf ihrem ureigenen Geschäftsgebiet. Gemeinsam teilen sie sich auch noch weitere Märkte untereinander auf: Facebook und Google etwa haben im vergangenen Jahr in den USA 80 Prozent des Online-Werbewachstums auf sich ziehen können. Gemeinsam halten sie zwei Drittel des US-Online-Werbemarktes.

Google und Apple wiederum bestücken weltweit 99 Prozent aller Smartphones mit ihren mobilen Betriebssystemen, die Systemsoftware von Microsoft und Apple läuft auf 95 Prozent aller Personal Computer. Und mit den Milliardengewinnen aus diesen Geschäften stellt man sich so auf, dass jeder potenzielle Konkurrent kaum eine Chance hat – lautet der Vorwurf aus der Politik.

Für die Firmen ist das eine gefährliche Erkenntnis, auch weil die Debatte gerade erst so richtig beginnt. Selbst beim Treffen der Welt-Entscheider in Davos war das ein Thema. Was den Unternehmen droht, lässt sich in jedem guten Wirtschaftslexikon nachlesen: Als Standard Oil in den USA vor mehr als 100 Jahren einen Marktanteil von mehr als 80 Prozent erreichte, machte die US-Regierung kurzen Prozess – und zerschlug den weltgrößten Erdölraffinerie-Konzern, der die Rockefeller-Dynastie mit enormem Reichtum beglückte. Als der Telekom-Riese AT&T ein ähnlich dominantes Monopol aufbaute, ereilte ihn vor 34 Jahren das gleiche Schicksal. Die Vereinigten Staaten von Amerika, so lernen es Generationen von Ökonomen, pflegen mit Monopolen nicht zu scherzen.

Zuckerberg trägt wenig zur Deeskalation bei
Die Frage ist nur, ob nun auch die Großkonzerne der Tech-Branche dran glauben müssen. 2017 war für die Branche ein Jahr voller Selbstzweifel und Ernüchterung. Und das nicht nur im ewig nörgelnden Europa. In den USA ist der Wind rauer geworden. Politiker sind aufgeschreckt, weil die sozialen Netzwerke es zugelassen haben, dass Russland über Facebook auf die US-Wahlen Einfluss nahm. Dass der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mit diesen Vorhaltungen noch dazu höchst ungeschickt umging, macht die Sache nur schlimmer: „Ich persönlich glaube, die Überzeugung, dass Fake-Nachrichten auf Facebook die Wahl in irgendeiner Art und Weise beeinflusst haben könnten, ist verrückt“, sagte er noch im November 2016. Ein Satz, den er inzwischen bereut.

welt.de


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