Im Gazastreifen hat die Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas mit mehreren Stunden Verspätung begonnen. Sie trete um 10.15 Uhr MEZ in Kraft, hatte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mitgeteilt. Die Hamas habe die Liste mit den Namen von drei noch heute freizulassenden Geiseln übermittelt. Eigentlich hätte die Feuerpause schon um 7.30 Uhr MEZ beginnen sollen. Da die Hamas jedoch bis dahin die Namen der Geiseln nicht mitgeteilt hatte, setzte die Armee ihre Angriffe zunächst fort.
Israel und die Hamas hatten sich unter Vermittlung Katars, Ägyptens und den USA auf eine Waffenruhe von zunächst 42 Tagen geeinigt. In der Zeit sollen 33 der 97 im Gazastreifen verbliebenen israelischen Geiseln gegen 1904 inhaftierte Palästinenser ausgetauscht werden. Die erste Phase des Abkommens sieht auch eine schnelle Verbesserung der Versorgung mit Lebensmitteln für die mehr als zwei Millionen Bewohner im Gazastreifen vor, von denen nach UN-Angaben 90 Prozent unter Hunger leiden. Zudem muss sich die israelische Armee aus Bevölkerungszentren im Gazastreifen zurückziehen.
Unter allen Geiseln sind Israelis, die zusätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. In Israel wird davon ausgegangen, dass 34 der Entführten vermutlich tot sind. Laut Israels Regierung ist die Freilassung der ersten drei Geiseln heute um 15 Uhr MEZ geplant. Nach israelischen Angaben handelt es sich um drei Zivilistinnen.
Leiche von Soldaten geborgen
Etwa zur gleichen Zeit sollen in Israel die ersten rund 90 palästinensischen Häftlinge freigelassen und von Sicherheitskräften entweder ins besetzte Westjordanland oder nach Gaza gebracht werden. Ob es wegen des verzögerten Beginns der Waffenruhe bei dem Zeitplan bleibt, ist unklar.
Während Israel auf die Liste mit den Namen der drei Geiseln wartete, setze die Armee ihre Angriffe fort. Artillerie und Luftwaffe hätten eine Reihe von "Terrorzielen" im Norden und Zentrum des abgeriegelten Küstenstreifens attackiert, teilte die Armee mit. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes kamen im gesamten Küstenstreifen 13 Menschen ums Leben. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Armee äußerte sich zunächst nicht dazu.
Derweil barg Israels Armee eigenen Angaben zufolge bei einem Spezialeinsatz die Leiche eines 2014 getöteten Soldaten aus dem Gazastreifen und brachte sie nach Israel zurück. Der Soldat wurde zuvor als eine der 98 Geiseln gelistet, die noch im Gazastreifen festgehaltenen werden. Israel strebte ursprünglich an, ihn im Rahmen eines Abkommens mit der Hamas übergeben zu bekommen. Er war jedoch nicht Teil der ersten Phase des Abkommens, die am Sonntag beginnen und sechs Wochen andauern soll. Der Soldat wäre womöglich in einer späteren Phase an Israel übergeben worden. Der Soldat war im Juli 2014 während des damaligen Gaza-Kriegs gefallen. Seitdem gab es Bemühungen, sowohl seine sterblichen Überreste als auch die eines weiteren 2014 getöteten Soldaten zurückzubekommen.
Rechtsextremer Minister verlässt Regierung
Aus Protest gegen die Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas erklärte Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir laut Medienberichten seinen Rücktritt. Damit verlasse auch seine Partei Otzma Jehudit, die über sechs von 120 Sitzen in der Knesset verfügt, die Regierungskoalition. Die rechtsreligiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verliert damit aber nicht ihre Mehrheit im Parlament. Sie hat weiterhin 62 der 120 Sitze in der Knesset.
Auslöser des Krieges war das Hamas-Massaker, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt wurden. Israel reagierte mit Angriffen auf die Hamas, bei denen nach palästinensischen Angaben mehr als 46.700 Menschen getötet wurden. Die unabhängig nicht prüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. Netanjahu hatte am Vorabend der Waffenruhe bekräftigt, Israel werde bei einem Scheitern des Abkommens die Kämpfe wiederaufnehmen und alle Kriegsziele durchsetzen, darunter die völlige Zerschlagung der Hamas.
Quelle: ntv.de, mli/dpa
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