Der Beluga-Reeder, der sie alle täuschte

  15 März 2018    Gelesen: 949
Der Beluga-Reeder, der sie alle täuschte

Ex-Beluga-Chef Stolberg frisiert Bilanzen, täuscht Banken und betrügt Investoren. Die Staatsanwaltschaft attestiert dem 57-Jährigen in einem zweijährigen Prozess hohe kriminelle Energie und wenig Reue. Nun verkünden die Richter ihr Urteil.

 

Als Angeklagter hat Ex-Beluga-Chef Niels Stolberg das letzte Wort: "Ich habe Fehler gemacht. Die bereue ich zutiefst. Auch, was ich anderen damit angetan habe. Es tut mir sehr leid. Ich wünschte, ich hätte einen anderen Weg gewählt, aber ich kann es nicht mehr rückgängig machen", sagt der schwerkranke 57-jährige ehemalige Reeder vor der Wirtschaftskammer des Bremer Landgerichts.


Wegen Kreditbetrug, Bilanzfälschung und Untreue erhebt die Staatsanwaltschaft Bremen gegen Stolberg Anklage. Sie fordert für den früheren Unternehmenschef eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die Reue, die der Angeklagte vor Gericht zur Schau trägt, kommt für sie zu spät. Die Staatsanwältin attestiert Stolberg in ihrem Plädoyer "hohe kriminelle Energie" und nur wenig Einsicht. Der ehemalige Vorzeige-Unternehmer habe die Reederei mitten in der seit 2008 herrschenden Schifffahrtkrise mit voller Kraft in den Abgrund gefahren.

BELUGA UND WAFFENTRANSPORTEBei einer Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit der Beluga-Pleite stoßen Ermittler auf viele Unterlagen, die auf Waffentransporte hindeuten. Im Jahr 2009 sollen auf der Beluga "Eternity" 16 Schützenpanzer aus der Ukraine nach Myanmar geliefert worden sein. Entsprechende E-Mails wurden über das Enthüllungsportal Wikileaks öffentlich. Die USA und die EU hatten damals ein Waffenembargo gegen Myanmars Militärdiktatur verhängt. Brisant ist das auch deshalb: Angeblich soll ein BND-Mitarbeiteran den illegalen Waffengeschäfte beteiligt gewesen sein. Zwischen der Reederei und dem BND-Mitarbeiter soll es einen intensiven Schriftverkehr gegeben haben. Die Bremer Staatsanwaltschaft hat dieErmittlungen in diese Richtung jedoch eingestellt. Sie sind nicht Gegenstand der Anklageschrift.
Zu viele Schiffe, zu wenig Fracht. Die Krise traf Reeder und Werften vor einigen Jahren hart. Auch an Beluga ging sie nicht spurlos vorbei. Stolberg wollte die Schieflage mit Wachstum bewältigen. Dafür griff er zu unlauteren Methoden. Das hat der 57-Jährige in Vernehmungen zugegeben. Um schneller Schiffe bauen zu können, stellten Werften Beluga überhöhte Rechnungen aus, die die Reederei auch bezahlte. Der Kniff: Den Großteil des Geldes bekam Stolberg wieder zurück und somit die Bilanz. Beluga blieb zahlungsfähig und konnte weiter Schiffe bauen.

Jahresabschlüsse frisiert


Der Auftrag an eine chinesische Werft wurde nach Abwicklung zurückdatiert und die Baupreise um 2,5 Millionen Euro pro Schiff höher angegeben. Dank der aufgeblähten Rechnungen erhielt Stolberg somit von Banken weiter Kredite. Beluga gelang es dadurch, noch bis 2008 ihre Spitzenposition unter den Reedereien zu verteidigen.

Drei Jahre später im Jahr 2011 jedoch zweifelt der US-Finanzinvestor Oaktree, der ein Jahr zuvor Anteile erworben hatte, die wirtschaftliche Lage der Reederei an - und erstattet Anzeige. Der Vorwurf: Die Reederei habe ihre missliche wirtschaftliche Lage verschwiegen, um Banken und den US-Investor zu täuschen. In Wahrheit ist das Unternehmen seit 2010 längst insolvent.

Allein 2009 soll die Beluga Chartering GmbH 35 Millionen Euro mehr Umsatz vorgetäuscht haben. Im letzten Quartal 2010 sollen es 82 Millionen Euro gewesen sein. Für das Jahr 2011 weist Beluga ein Orderbuch mit Aufträgen in Höhe von insgesamt 337 Millionen Euro aus. Dabei sollen sich die tatsächlichen Bestellungen nur auf 22 Millionen Euro belaufen. Stolberg habe es persönlich unterschrieben, heißt es. Nach Einschätzung der Bremer Staatsanwaltschaft hat die Reederei seine Jahresabschlüsse frisiert, um für Oaktree als Investor attraktiv zu sein.

Nicht nur die Reederei wurde für Stolberg zum Problemfall. 2007 eröffnet der Ex-Beluga-Chef auf der Nordseeinsel Spiekeroog ein Künstlerhaus. Das Gebäude mit Ateliers, Konferenzen- und Vortragsräumen steht längst leer. Das Konzept hat sich wirtschaftlich nicht getragen. Die Bank will 3,2 Millionen Euro dafür. Doch das Prestigeobjekt sollte nicht die einzige Immobilie für Stolberg auf der Nordseeinsel bleiben. Seit 2003 kaufte er etliche Immobilien auf Spiekeroog. Ihm gehörten zwischenzeitlich sieben Hotels und Apartmenthäuser. Bis auf ein Ferienhaus und das viel zu teure Künstlerhaus- es fand trotz zweier Zwangsversteigerungen keinen Abnehmer - sind alle Stolberg-Immobilien inzwischen verkauft.

Deal hätte Prozess längst beenden können


Stolbergs Gläubiger fordern von ihm insgesamt 2,2 Milliarden Euro. Das ist selbst für die renommierte Anwaltskanzlei White and Case in Hamburg eine außergewöhnlich hohe Summe, wie man sie sonst nur von großen Firmenpleiten kennt. Das sagte eine mit der Stolberg-Insolvenz beauftragte Juristin dem NDR. Die lange Gläubigerliste setzt sich aus verschiedenen Banken mit hohen Millionen-Forderungen, kleineren Firmen, die Rechnungen im vierstelligen Bereich offen haben oder einem Kreuzfahrtunternehmen zusammen, das auf die Begleichung einer nicht bezahlten Reise wartet.

Sein Unternehmen, seine Reputation, sein Ansehen, seine Gesundheit - in den vergangenen sieben Jahren nach der Pleite habe er nahezu alles verloren, sagt Stolberg in seinem Statement. Seit sechs Jahren lebt er in Privatinsolvenz. Sein Verteidiger Bernd Groß findet, der Ex-Beluga-Chef sei genug bestraft. Er hält eine Bewährungsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren für angemessen. Das geforderte Strafmaß der Staatsanwaltschaft sei "völlig überzogen".

Allein die Krebserkrankung Stolbergs könnte sich jetzt noch strafmildernd auf das Urteil auswirken. Seine Krankheit mache ihm stärker zu schaffen, als es im Prozess den Anschein mache. Nach Ansicht seiner Ärzte sei er gar nicht verhandlungsfähig.

Eigentlich hätte ein Deal den Prozess längst beenden können: Die Richter hatten dem Ex-Beluga-Chef drei Jahre und neun Monate im offenen Vollzug angeboten. Dieses Angebot hatten seine Verteidiger abgelehnt.

Quelle: n-tv.de


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