Was könnte als Setting für den Startpunkt einer kleinen Klassikerfahrt besser passen als das Messegelände in Essen zur Zeit der Techno Classica? Zu dieser hatte nämlich Cadillac höchstselbst geladen anlässlich der europa-, wenn nicht weltbekannten Show für klassische Fahrzeuge. Also wird heute Cadillac gefahren. Aber nicht irgendeiner, sondern die große Limousine namens Brougham.
Der Name geht auf das 19. Jahrhundert zurück, als der englische Lord Henry Brougham eine besonders komfortable Kutsche fertigen ließ. Die hat offenbar einen solchen Eindruck hinterlassen, dass die Bezeichnung bei Cadillac zunächst im Kontext mit exquisiten Ausstattungslinien auftauchte und später sogar als Modellname zum Einsatz kam. Das ist die Ultrakurzversion der Geschichte, klar.
Und wer hier als Kunde wählte, bekam so ziemlich das Luxuriöseste, was die Cadillac-Palette hergab über viele Jahre. Dabei trug das eher schlichte Modell mit den klassischen Breitbandscheinwerfern wenig auf. Um über den Typen zu informieren, macht einzig ein kleiner Schriftzug am hinteren Kotflügel aufmerksam, der auf dem Supermarktparkplatz immer im wahrsten Sinne des Wortes herausragt. Denn mit 5,61 Metern Länge kann es der Ami selbst mit den sündhaft teuren Rolls-Royce-Modellen aufnehmen, obwohl er selbst zeitgenössisch viel günstiger war. Und spätestens wenn man in den weißen Lederpolstern im Stil einer alten Clubgarnitur versinkt, weiß man, dass auch das Interieur den Luxus verströmt, den der rollende Riese verspricht. Verschwenderisches Wurzelholz kommt ebenso zum Einsatz.
Coole Gimmicks im Brougham
Bevor ich jetzt aber losfahre, schaue ich mich um. Die elektrisch verstellbaren Sitze wollen zelebriert werden. Denn was heute selbstverständlich ist, war damals absoluter Luxus. Wer hatte in den 1980ern bereits elektrisch verstellbare Sitze? Aber wenn schon von Epochen die Rede ist, muss auch über den abgebildeten Brougham gesprochen werden. Hierbei handelt es sich nämlich um ein ganz spätes Exemplar aus dem Jahr 1991 oder 1992 - so ganz genau weiß man es nicht -, jedenfalls wirkte die Limousine da eigentlich schon ein bisschen aus der Zeit gefallen.
Aber das zierliche Old-Fashion-Design mit den kantigen Linien und dem markanten Vinyldach plus zusätzlichem Heckfenster lässt den Cadillac irgendwie nicht ganz so ausladend wirken. Und neben einer langen Motorhaube bekommt der Betrachter auch gleich einen langen, aber flachen Kofferraum dazu.
Und so kommt es, dass die Beinfreiheit im Fond zwar üppig ausfällt - immerhin beträgt der Radstand 3,08 Meter -, aber nicht eben nicht richtig überbordend üppig, wie man sich das angesichts von fast sechs Metern Länge vorstellen würde.
Brougham als Chauffeurfahrzeug? Beim Einparken in der Stadt auf jeden Fall, aber solange der Luxusliner rollt, möchte ich lieber ans Steuer. Denn es ist einfach cool, mit dem selten über 2000 Touren drehenden Fünfliter-V8 durch die Gegend zu cruisen. Nicht, weil das 170-PS-Großkolbentriebwerk den fast zwei Tonnen schweren Straßenkreuzer besonders energisch anschieben würde. Und auch die Lenkung ist eher das Gegenteil als direkt. Es braucht schon Konzentration, um den Cadillac in der Spur zu halten.
Aber er bringt andererseits auch eine unglaubliche Lässigkeit mit sich. Die liegt sicherlich auch an den 345 Newtonmetern Drehmoment bei 2400 Umdrehungen und an der ultraweich arbeitenden Viergangautomatik, an der höchstens stört, dass ihre Lenkradbedienung schwergängig arbeitet. Aber diese Prozedur muss man ja bloß einmal pro Fahrt durchführen.
Selbst für Digital Natives etwas dabei
Und selbst für Digital Natives hat der Oldie etwas zu bieten: Es gibt nämlich keine einzige mechanische Anzeigenadel. Das Kombiinstrument zeigt die Geschwindigkeit digital an - in grün leuchtenden LED-Ziffern. Gleiches gilt für den Kilometerstand und die Grafik für den Kraftstofffüllstand. Auf den Kraftstoffverbrauch will man lieber nicht achten. Augenzwinker. Allein solche Gimmicks machen den Cadillac schon ziemlich cool.
Und zum Schluss sei noch mit einem Vorurteil aufgeräumt. Wer denkt, US-Cars seien immer laut bis zum Abwinken, hat sich getäuscht. Gerade der gehobene Cadillac fährt eher gedämpft. Unter Last hebt sich seine Haube majestätisch und in das Innere dringt bloß leises Murmeln. Natürlich bollert das Triebwerk in Achtzylinder-Manier, aber eben vornehm zurückhaltend.
Bleibt die Preisfrage. Große Cadillac-Limousinen der Achtziger gibt es für halbwegs überschaubares Geld. Je nach Modell und Zustand muss man für gute Exemplare irgendwo zwischen 10.000 und 15.000 Euro einplanen, vielleicht etwas mehr. Dafür gibt es verdammt viel Auto.
Quelle: ntv.de
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