Die drei Autobosse hatten dasselbe Ziel. Sie wollten der aufgebrachten deutschen Autoseele neue Nahrung geben für ihre Wut auf den Staat. Tenor: Lasst uns in Ruhe mit Fahrverboten. "Als Ingenieur setze ich auf technische Verbesserungen statt auf bürokratische Verbote", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Fahrfreude, nicht Fahrverbote", sekundierte sein Kollege von BMW, Harald Krüger, und Herbert Diess, VW Vorstand, ergänzte, dass der Diesel "mit besten Umweltwerten unverzichtbar" sei.
Die Kraftsprüche finden sich in dem inoffiziellen Zentralorgan der Automobilwirtschaft, der "Bild-Zeitung", die damit vergangene Woche ihre Aufkleberkampagne gegen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge weiter anfachen wollte. Was zu dieser publikumswirksamen Aktion der Autobauer gar nicht passen will: Insgeheim sind die drei großen deutschen Hersteller schon einen Schritt weiter: Anders als in der "Bild" publiziert, versuchen sie nicht mehr, Fahrverbote generell abzuwenden, sondern diese so mitzugestalten, dass ihr wirtschaftlicher Schaden möglichst gering ausfällt.
Erst wenige Wochen ist es nämlich her, dass ihre Emissäre einen konzertierten Vorstoß unternommen haben, die Bundesregierung für die Blaue Plakette zu gewinnen. Diskret, selbstverständlich, und nach ihren ganz eigenen Bedingungen. Die Beamten in Berlin staunten nicht schlecht. So wollten die Lobbyisten nach einer langen Übergangsphase die Blaue Plakette als Erkennungsmerkmal für all jene Dieselfahrzeuge eingeführt sehen, die sauber genug sind, um trotz Fahrverbot in die Innenstädte pendeln zu dürfen.
Bundesregierung fürchtet Klagewelle
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Ende Februar, das Dieselfahrverbote von Fahrzeugen mit der Schadstoffklasse Euro 4 erlaubt, gehen die Preise für gebrauchte Dieselfahrzeuge weiter zurück. Nach einer Übergangszeit von einem Jahr sollen dann ab September 2019 auch Euro-5-Diesel ausgesperrt werden dürfen, so die Richter in Leipzig. Obwohl sie Euro-6-Diesel nicht erwähnen, könnte auch die modernste Generation von Dieselmotoren in den Sog von Fahrverboten geraten.
Denn viele Euro-6-Diesel stoßen genauso viele, teilweise sogar mehr Stickoxide aus als Euro-5-Fahrzeuge. Weshalb Besitzer älterer Diesel, so befürchtet es auch die Bundesregierung, auf Gleichbehandlung klagen dürften.
Dann würde die Fahrverbotsfalle für viele Millionen Dieselkunden zuschnappen. Das wollten die Autobosse mit ihrem Vorstoß für die Blaue Plakette offensichtlich verhindern. Denn nicht nur der Absatz gebrauchter Dieselfahrzeuge leidet, sondern auch der Neuwagenverkauf der Autohersteller ist durch die Unsicherheit der Kunden direkt betroffen. Eine Blaue Plakette wäre eine Garantie gegen das Einfahrverbot bei Fahrverboten und könnte so als Verkaufsargument von den Händlern eingesetzt werden.
Grenzwert von 378 Milligramm Stickoxid je Kilometer
Die Emissäre schlugen deshalb der Regierung vor, man könne doch einen Wert von 378 Milligramm Stickoxidemission pro gefahrenem Kilometer festlegen. Alle Wagen, die darunter blieben, sollten den blauen Sticker bekommen. Dabei handelt es sich ganz offensichtlich um eine Finte: Denn dieser Wert liegt um mehr als das vierfache über dem derzeitigen Grenzwert. Damit wären sehr viele Dieselautos von Fahrverboten ausgenommen, ein Softwareupdate hätte für die meisten Fahrzeuge gereicht, um den Wert zu erreichen.
Die Bundesregierung hat den Vorschlag nach Informationen des SPIEGEL deshalb auch abgelehnt.
spiegel
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