Brücke nach Sachalin: Russlands nächstes Großprojekt?

  05 Juni 2018    Gelesen: 1056
Brücke nach Sachalin: Russlands nächstes Großprojekt?

Die spektakuläre Eröffnung der Krim-Brücke im Mai hat die Diskussionen über die Zweckmäßigkeit der Errichtung einer Brücke zwischen dem Festland im russischen Fernen Osten und der Pazifikinsel Sachalin intensiviert. Der russische Politologe Juri Potschta bewertete die Möglichkeit eines baldigen Starts des neuen russischen Großprojekts.

Im Vorfeld des sogenannten „Direkten Drahts“, der alljährlichen TV-Sprechstunde des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, mit seinen Mitbürgern, billigten die Abgeordneten des Sachaliner Parlaments am Montag ein Ersuchen an den Staatschef und an Russlands Regierung um die Errichtung einer Brücke auf die Insel.

Die Notwendigkeit einer sicheren Verbindung nach Sachalin ist bereits seit mehreren Jahren besprochen. Der bestehende Fährverkehr ist häufig durch das schlechte Wetter verunsichert. Ungünstige Transportbedingungen verteuern das Leben auf der Insel wesentlich. Nach der Einschätzung des Gouverneurs des Gebietes Sachalin, Oleg Koschemjako, betragen die Kosten für Materialtransport beispielsweise im Bauwesen bis zu 30 Prozent.

„Natürlich wird die Verbindung eine gewisse positive wirtschaftliche Wirkung auf die Insel ausüben. Die Logistik der Warenbeförderung wird einfacher, folglich werden auch die Preise auf Sachalin nach der Errichtung der Brücke sinken. Die Einwohner der Insel werden einfacher und billiger reisen können“, sagte Juri Potschta dem Portal rueconomics.

Das russische Verkehrsministerium entwarf 2013 zwei Varianten für den Bau einer Eisenbahnlinie zwischen dem Dorf Selichowo in der Region Chabarowsk und dem Dorf Nysch im nördlichen Teil von Sachalin. Die Newelskoi-Meeresstraße könnte demzufolge entweder mit einer Brücke oder mit einem Tunnel überwunden werden.

Nach der vorläufigen Einschätzung der staatlichen Bahngesellschaft RZD („Russische Eisenbahnen“) soll sich der Bau der Bahnverbindung zwischen dem Festland und Sachalin auf 540,3 Milliarden Dollar belaufen. Das sei um das 3,5-Fache mehr als bei der Errichtung der Brücke zwischen der russischen Schwarzmeerhalbinsel Krim und der Region Krasnodar. Einige Experten nehmen die Komplexität des Projekts und die Entfernung der Region in Kauf und vermuten, dass die Kosten der Sachaliner Brücke die der Krim-Brücke sogar fünfmal übertreffen würden.

Das Projekt stößt laut Potschta auf Skepsis. Es sei zweifelhaft, ob die Brücke bzw. der Tunnel nach Sachalin einen großen Waren- und Personenverkehr gewährleisten würde. „Im Vergleich mit der Krim-Brücke sind die Angaben nicht so überzeugend“.

Der Experte wies außerdem auf negative demografische Tendenzen im russischen Fernen Osten hin. „Eine massenhafte Übersiedlung von Menschen nach Sachalin ist nicht zu erwarten, deshalb ist die Frage der Brücke umstritten“.

Der politische Hintergrund beim Bau der zwei Brücken sei prinzipiell unterschiedlich. „Die Frage der Errichtung der Krim-Brücke war riskant, aber die politische Situation vor vier Jahren hat die Entscheidungsfindung angespornt. Man erwartete eine allseitige Blockade der Krim seitens der Ukraine, die 2015 auch erfolgt ist“.

Ein schneller Bau der Brücke nach Sachalin sei nicht notwendig. Dahinter stehe jedoch, wie im Fall der Krim, ein politisches Motiv: Japans Ansprüche auf mehrere russische Inseln, darunter auch auf Sachalin.

„Gleich wie die Krim-Brücke, die die Halbinsel fest mit dem russischen Festland verbunden hat, würde die Verbindung nach Sachalin zum anschaulichsten und letzten Beweis für die Nachbarn, dass ihre Hoffnungen unbegründet sind“.

Die Sachalin-Verbindung sei in die staatliche Strategie der Entwicklung von Russlands Transportsystem aufgenommen. Das heißt, dass sie über kurz oder lang gebaut werden müsse. Das würde auch eine gute Möglichkeit für die russischen Fachleute bedeuten, die beim Bau der Krim-Brücke erworbenen Kenntnisse anzuwenden und zu entwickeln. Russland beschäftige sich aber mit anderen Infrastrukturprojekten, darunter die Entwicklung der Baikal-Amur-Magistrale und die Transsibirische Eisenbahn. Das sei dann eine „Prioritätsfrage“.

"Es gibt bisher keine überzeugenden Argumente, dass die Brücke nach Sachalin zu Russlands nächstem Großprojekt wird. Wieweit dieses Projekt im Vergleich zu anderen Projekten aktuell ist, muss die Staatsführung entscheiden“, schloss der Experte. 

Die 19 Kilometer lange Krim-Brücke, die die Halbinseln Krim und Taman verbindet, war am 16. Mai für den Autoverkehr freigegeben worden — ein halbes Jahr früher als geplant. Es handelt sich um die längste Brücke in Russland und ganz Europa.

sputniknews


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