Wirtschaft reißt langsam der Geduldsfaden

  17 Oktober 2018    Gelesen: 804
Wirtschaft reißt langsam der Geduldsfaden

Wer sein Geld auch damit verdient, Geschäfte mit Großbritannien zu machen, dem wird angesichts des drohenden Brexits ohne Deal langsam mulmig. Exportwirtschaft und Autoindustrie schlagen Alarm.

Die deutsche Exportwirtschaft und die europäischen Autohersteller warnen eindringlich vor einem ungeregelten Brexit und damit verbundenen Kosten in Milliardenhöhe. Es bestehe die "reale Gefahr", dass am Ende ein von beiden Seiten ungewollter, vertragsloser Austritt Großbritanniens aus der EU stehe, warnte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Holger Bingmann. Dieser hätte "für Briten und Europäer schwerwiegende Folgen".

Auch die europäischen Autohersteller richteten über ihren Verband Acea einen dramatischen Appell an Brüssel und London. "Die Uhr tickt, aber es ist noch nicht zu spät." Die Verhandlungsteams müssten ihre Anstrengungen für den erfolgreichen Abschluss eines Austrittsvertrags verdoppeln. Den Unternehmen drohten ansonsten massive logistische Probleme.

BGA-Präsident Bingmann sagte: "Die Lage ist ernst, die Verhandlungen haben den kritischen Zeitpunkt längst überschritten und stecken in einer Sackgasse fest." Die Staats- und Regierungschefs, die am Abend beim EU-Gipfel in Brüssel nach Lösungen suchen, um die Verhandlungen wieder in Schwung zu bringen, müssten nun "endlich eine Lösung herbeiführen", forderte er. Dies sei nun "zentrale Aufgabe der gesamten EU und ihrer Institutionen". Der BGA-Präsident sprach sich dafür aus, die Übergangszeit nach dem Brexit auf mindestens zwei Jahre auszudehnen, um Rechtssicherheit zu wahren.

"Massive Probleme" drohen

Zugleich dürfe es keine Einigung um jeden Preis geben. Für die deutschen Groß- und Außenhändler stehe nach wie vor der europäische Binnenmarkt an erster Stelle. "Kein einzelnes europäisches Land kann auf der internationalen Bühne auch nur annähernd so viel Einfluss haben wie die EU als Ganzes", erklärte Bingmann. Allerdings solle auch die EU "nicht so hart verhandeln, dass das Band zwischen ihr und England auf Dauer zerschnitten bleibt".

Vom Autoverband Acea hieß es, täglich überquerten 1100 Lastwagen mit Teilen nur für die "Just-in-time"-Produktion in Großbritannien den Ärmelkanal. Sollten sie nach dem Brexit auch nur kurz am Zoll aufgehalten werden, würde das massive logistische Probleme, Risse in der Produktionskette und immense Kosten verursachen. 

Die Unternehmen bereiteten sich mit Notfallplänen vor und suchten Lager zur Überbrückung. "Aber die harte Wahrheit ist, dass auch die beste Notfallplanung die Lücken realistischerweise nicht schließen kann, wenn Großbritannien die EU auf Grundlage von WTO-Regeln verlässt", sagte Acea-Generalsekretär Erik Jonnaert. Die Regeln der Welthandelsorganisation würden nach dem für den 29. März 2019 geplanten britischen EU-Austritt das Verhältnis beider Seiten regeln, wenn sich London und Brüssel nicht auf einen Vertrag einigen können.

Die Folgen eines ungeregelten Brexit wären auch nach Einschätzung des Präsidenten des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, "sehr negativ". Es gebe so viele vertragliche Vereinbarungen mit Großbritannien, "dass ein unkontrollierter Brexit zu großer Unsicherheit führen würde", sagte er der "Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung". "Wie sich das in der Praxis auswirkt, überblickt derzeit niemand."

Quelle: n-tv.de


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