Porsche Macan erstmals gefahren - ist er emotional?

  23 April 2024    Gelesen: 519
  Porsche Macan erstmals gefahren - ist er emotional?

Mit der zweiten Macan-Generation verabschiedet sich die Modellreihe vom Verbrennerantrieb. Ob das gut gehen kann, muss die Zukunft zeigen. Ob der elektrisch angetriebene Porsche gut fährt, hat ntv.de herausbekommen.

Da steht der elektrisch angetriebene Macan nun erstmals nicht bloß zum Angucken, sondern auch zum Losfahren. Skepsis? Könnte angebracht sein. Aber nicht, weil der Macan schlecht fahren würde, sondern vielleicht eher, weil manche Porsche-Kunden eben auch in der Kategorie mittlerer SUV einfach weiterhin Verbrenner fahren möchten. Kalter Entzug oder Markenwechsel? Das ist jetzt die Frage.

Aber genug der Spekulation, einfach jetzt mal starten mit dem Macan, der, optisch an den Taycan angelehnt, seinen Antrieb qua Design unterstreicht. Allein, die Tatsache, dass der Startknopf auf der linken Seite sitzt, ist nicht das einzige porschetypische Merkmal. Das ist eine gute Nachricht. Der Macan riecht wie ein Porsche, das Lenkrad fühlt sich an wie bei einem Porsche.

Gut, das war jetzt ein bisschen Zeitraffer, denn ich rolle schon Richtung Straße, und zwar mit einem Macan 4 auf dem Vorplatz als erste Option hier auf dem Fahrtermin. Und da die erste Testfahrt im dichten Stadtverkehr von Antibes startet, passiert eine halbe Stunde lang nicht viel: Der Macan wühlt sich lautlos durch den Stau von Ampel zu Ampel. Aber dann lichtet sich der Stau und vor dem zweimotorigen Mittelklasse-SUV tut sich eine lange Passage auf mit kurvenreicher freier Strecke. Das ist jetzt der Zeitpunkt, an dem der Zuffenhausener zeigen muss, dass er auch ohne Motorsound attraktiv genug ist. Wobei, Sound generiert der Macan auf Wunsch schon, aber den kann man natürlich nicht mit dem natürlichen Geräusch eines Verbrennungsmotors vergleichen. Er mutet eben synthetisch an. Also ausgeschaltet im Menü und weg damit. Die 452 Euro Aufpreis kann man sich getrost sparen.

Der Elektro-Macan mutet in keiner Weise synthetisch an

Was sich beim Macan hingegen überhaupt nicht synthetisch anfühlt, sind Bremse und Lenkung. Aber erst einmal wäre da ja noch die kurvige Strecke. Und die ist ziemlich frei sowie menschenleer. Also los, volle Kraft voraus mit 408 PS in diesem Fall. Das ist zwar nicht die Dauerleistung, aber immerhin die für kurze Zeit verfügbare "Overboost"-Power. Und das Verrückte ist: Aus dem Stand heraus legt der Elektriker so richtig druckvoll los. Ist die Straße aber frei und man beschleunigt aus höheren Tempi heraus, könnte man auf den Gedanken kommen, dass da noch ein kleiner Nachschlag nottut. Ohne Geräusch fehlt irgendwie die Dramatik. Hier macht der alte Benzin-Macan mit deutlich weniger Leistung (245 oder 265 PS) fast mehr her gefühlt. Okay, Dramatik? Alles klar, verstanden. Schnell zurück, durch den Stadtverkehr gequält, den Fahrzeughub angefahren und Macan 4 gegen Turbo getauscht. Und dann noch einmal Stadtverkehr aushalten bis ins Ländliche. Und dann Feuer, ähm, Strom frei.

Und der Turbo ist in der Tat ein ganz anderes Kaliber. Drückst du das rechte Pedal in Richtung Bodenblech, verpasst der Allradler dir einen derartigen Schlag, dass dir schwindelig werden kann, insbesondere wenn etwas Lenkwinkel im Spiel ist. Ist das emotional? Aber so was von. Mal kurz den Zahlenvergleich: Statt 5,2 erstürmt der Turbo die 100-km/h-Marke binnen 3,3 Sekunden. Ach ja, und so ganz nebenbei stemmt der Antrieb auch noch 1130 Newtonmeter Drehmoment (650 beim Macan 4). Als kleine Schmankerl bietet der Turbo zudem Hinterachslenkung (1856 Euro) plus Luftfederung (serienmäßig) plus elektronisch gesteuertes Sperrdifferenzial für die Hinterachse (serienmäßig).

Und Letzteres kann er auch gebrauchen, denn die Ingenieure haben das SUV maximal fahraktiv hinbekommen. Die Lenkung passt punktgenau, reagiert feinnervig auf Befehle und du ertappst dich dabei, tendenziell immer einen Tick zu viel Speed mit in die Kehre zu bringen, was der Athlet aber verzeiht trotz seiner zweieinhalb Tonnen Leergewicht (ein niedriger Schwerpunkt kann so praktisch sein); nicht weniger exakt bremst der noble Mittelklässler und unterschlägt dabei virtuos, dass er lediglich beim richtig harten Druck auf das Pedal die Beläge abschleift. Denn mit einer Rekuperationsleistung von 240 Kilowatt erzeugt der Macan immerhin 40 Prozent der maximalen Bremsleistung. Das ist jede Menge Holz.

An die Ladethematik muss man sich gewöhnen

Sieht so aus, als könne man mit dem elektrischen Antrieb schon mal ganz gut leben. Die Skepsis dürfte bei vielen Kunden dennoch bleiben, weil sie immer noch das Ladeabenteuer fürchten. ntv.de kann hier und heute tatsächlich nicht die Ladeperformance überprüfen, weil der Batterieladestand auf dieser Strecke kaum unter 85 Prozent fällt. Porsche verspricht allerdings, dass der 95 kWh (netto) große Akku mit einer Peakladeleistung von 270 kW binnen 21 Minuten von 10 auf 80 Prozent gebracht werden kann (800 Volt). Anders ausgedrückt bedeutet das, dass der Porsche innerhalb von zehn Minuten Energie für 240 Kilometer nachfasst.

In Deutschland könnten die Ladepausen aber dennoch länger ausfallen. Also nicht tagsüber auf rege befahrenen Autobahnen. Aber wenn man in den Abendstunden auf unlimitierten Strecken größere Distanzen zurücklegt nahe der Höchstgeschwindigkeit von 220 (Macan 4) respektive 260 (Macan Turbo) km/h, dürfte die Reichweite zusammenschrumpfen. Ja, dann wäre der Verbrenner wohl im Vorteil, weil man einfach noch nicht so schnell laden wie tanken kann - aber der Zeitverlust dürfte überschaubar sein.

Porsche scheint diese Thematik entspannt zu sehen - und verwendet im Gegensatz zu Audi ausschließlich die performanceorientierten permanenterregten Synchronmaschinen, was rund ein kWh Mehrverbrauch je 100 Kilometer zur Folge hat. Der kombinierte WLTP-Stromverbrauch liegt hier zwischen 17,9 und 21,1 kWh je 100 Kilometer. Und im optimalen Fall sollen Reichweiten von über 600 Kilometern drin sein. Das ist wohl ein fairer Kompromiss.

Dass Porsche bei der sogenannten PPE-Plattform keine Kosten und Mühen geschaut hat und in Richtung Performance geht, beweist auch der Einsatz von Siliziumkarbid als effizienteres Halbleitermaterial beim Pulswechselrichter des Hinterachsmotors. Im Falle des Turbos arbeitet dieser mit 900 Ampere - das ist übrigens der gleiche Wert wie beim Überflieger Taycan Turbo GT.

Doch genug jetzt mit den Superlativen. Viel spannender ist doch, ob der Macan überhaupt als Reiseprofi infrage kommt. An den Sitzen gibt es nichts zu mäkeln, die sind über jeden Zweifel erhaben, klimatisieren und massieren auf Wunsch. Wie steht es um das Platzangebot? Geht in Ordnung, zumal insbesondere die Passagiere der zweiten Reihe von acht Zentimetern mehr Radstand profitieren. Allerdings hat das Auto um einen ähnlichen Wert in der Länge zugelegt und ist damit leider nicht mehr so kompakt, was beim häufigen Einsatz in urbanen Räumen ja durchaus erstrebenswert wäre.

Dafür ist das Kofferraumvolumen bei aufgestellten Lehnen um 40 Liter (auf 540 Liter) gewachsen - gut auf Reisen mit viel Gepäck an Bord. Insgesamt jedoch ist das Laderaumvolumen geschrumpft; bei umgeklappten Rücksitzen schluckt das Gepäckabteil jetzt nur noch 1348 Liter (statt früher 1500). Doch daran dürfte der Kauf eher nicht scheitern.

Zum Schluss ein Blick auf das Infotainment. Es gibt natürlich Display in rauen Mengen - jetzt auch für den Beifahrer. Darauf lassen sich beispielsweise Streaming-Inhalte genießen, wenn das Laden doch mal länger dauert womöglich an schwachen Ladesäulen. Und inmitten der ganzen Screen-Landschaft prangt da die analoge Uhr des sogenannten Sport-Chrono-Pakets (815 Euro). Vielleicht dient diese ja als kleines Zückerchen zwecks Umstiegshilfe für die Verfechter der Alten Welt.

Die Grundpreise kalkuliert Porsche übrigens ambitioniert - unter 84.100 Euro läuft nichts. Turbo-Kunden müssen gar 114.600 Euro berappen. Immerhin - Dienstwagenfahrer (und das dürfte etliche Macan-Kunden betreffen) können sich darüber freuen, dass der halbierte Bruttolistenpreis als Grundlage für die pauschale steuerliche Abgeltung privater Fahrten herangezogen wird. Dieses Instrument sollte zumindest Anreiz genug erzeugen für eine Probefahrt. Und vielleicht überzeugt der neue Macan ja doch auch alte Verbrenner-Hasen. Denkbar wäre es angesichts seiner Performance und des authentischen Porsche-Fahrgefühls. Die Zeit wird es zeigen.

Quelle: ntv.de


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