Wussten Sie, dass Porsche auch mal Transporter gebaut hat? Das Biest hörte auf den Namen B32. Äußerlich sah der Nutzwertprofi aus wie ein braver Volkswagen T3 (seit 1979 gebaut) abgesehen von Felgen und Reifenformat, aber innen steckte ein luftgekühlter Boxer mit 3,2 Litern Hubraum, 231 PS und sechs Zylindern - kurzerhand entnommen aus dem Elfer und sichtbar an entsprechenden Luftschlitzen in der Karosse. Und der ganze Aufwand nur, damit die Zuffenhausener ein adäquates Testbegleitfahrzeug einsetzen konnten.
Und heute? Braucht es keine üppige Zusatzentwicklung mehr für einen besonders starken VW-Bus. Und der Besteller muss kein renommierter Autohersteller sein, ein ganz normaler Kunde tut es auch. Es reichen ein paar Klicks oder Taps im Volkswagen-Konfigurator, und schon kann eine Version des ID.Buzz bestellt werden, die in puncto Leistung wieder einmal recht nah am Porsche 911 (Basisausführung des aktuellen Modells) angesiedelt ist.
ID.Buzz GTX ist kein Schnäppchen
Die Rede ist vom ID.Buzz GTX 4Motion mit zwei Elektromaschinen und 340 PS. Dann noch das Kreuzchen bei der Langversion machen - schon steht da ein veritabler Luxustransporter auf den Rädern. Warum eigentlich Luxus? Der elektrische Lastesel mit dem retrofuturistischen Touch und freundlichem Kindchenschema-Lächeln auf der Haube ist doch ein bodenständiger, volksnaher Nutzwert-Meister für Familien inklusive Sinn für Umweltschutz, oder? Denkste! Bei dieser Konfiguration stehen sofort 75.065 Euro auf der Uhr. Ein tiefer Griff in die bunt sortierte Kiste der Sonderausstattungen treibt den Kurs dann stramm Richtung 100.000 Euro.
Ups, das sind ja Porsche-911-Preise, könnte man vermuten. Aber die Sportwagen-Ikone aus Zuffenhausen tummelt sich mittlerweile tatsächlich wiederum in gänzlich anderen Preissphären - ab 136.300 Euro geht es hier los, um den Vergleich einmal vor Augen zu führen. Dennoch darf man festhalten: Die etwaige Großfamilie braucht schon ordentlich finanzielle Puste für den stillen PS-Riesen, und auch wenn viele Kunden heute keine Barkäufer mehr sind - die Leasingrate für den Power-"Buzz" dürfte nicht trivial sein. Doch lass mal für einen Moment das Finanzielle vergessen und lieber checken, ob der Transporter nach dem Größenwachstum der LWB-Variante endlich sein Raumversprechen einlösen kann.
Die Langversion ist geräumig
Ein kleines Auto ist er jedenfalls nicht, misst 4,96 Meter in der Länge (25 Zentimeter mehr gegenüber der kurzen Version) und bietet dank 3,24 Metern Radstand - ebenfalls plus 25 Zentimeter - reichlich Spielwiese für die Innenarchitekten sowie die Passagiere. Der Testwagen führt drei Sitzreihen à jeweils zwei Plätzen mit sich und wird so zum bequemen Sechssitzer (1261 Euro Aufpreis), in dem sich die Mitreisenden keineswegs zu nahe kommen. Dann heißt es Schiebetür auf Knopfdruck zur Seite surren lassen und rein in die gute Stube. Ich setze mich in die dritte Reihe und lasse mich kutschieren.
Enge? Keine Spur. Ja, die dritte Reihe muss man sich trotz "easy Entry" körperlich erarbeiten, aber dann kneift nichts. Knie- und Kopffreiheit satt, hier wird die Urlaubsfahrt zur angenehmen Angelegenheit, zumal sich die Stühle selbst nicht verstecken müssen. Ordentliche Polster, weder zu hart noch zu weich, schonen die vier Buchstaben. Es gibt außerdem Ablagen nebst USB-C-Anschlüssen in Hülle und Fülle im ganzen Auto verteilt. Passt.
Doch, es muss ja so sein: Wo Licht ist, kann Schatten kaum vermieden werden. Das komplexe Innenleben bestehend aus unzähligen Kunststoffablagen, verschiebbaren Sesseln und Verkleidungen erzeugt während der Fahrt vor allem auf nicht gerade lupenreiner Asphaltoberfläche unschöne Knarzgeräusche. Immerhin versüßt der Blick durch das riesige Panorama-Glasdach gen Himmel die Fahrt. Vielleicht löst ja auch die Glaskonstruktion das Knarzen aus? Man weiß es nicht.
Der GTX fährt souverän
Szenenwechsel. Ich verlasse den heimeligen Fond beim nächsten Stopp und erklimme den Fahrersitz. Jetzt bin ich neugierig, wie sich der stärkste "Buzz" mit Allradantrieb unter voller Last so anfühlt. Ich muss an den B32 denken und an den Leistungszuwachs - damals waren über 200 PS im Transportersegment ziemlich surreal. Und heute? Sind über 300 PS in diesem Segment nicht wenig, hauen aber auch niemanden mehr vom Hocker.
Und ja, der große Volkswagen wird mit diesen Elektroaggregaten zum Sportwagenkiller beim Ampelsprint. Weniger, weil er binnen 6,4 Sekunden auf Landstraßentempo hastet, mehr, weil man diese Gangart kaum von solch einer Fahrzeugart erwarten würde. Dass die Beschleunigungsfähigkeit nicht vollends eskaliert, liegt auch am Gewicht. Denn immerhin bringt die Fuhre 2,8 Tonnen Leermasse auf die Waage. Und dafür powert der stets mit voller Traktion hantierende Bulli ziemlich wuchtig los, wird kurzzeitig zum König der Überholspur. Allerdings nicht nachhaltig. Erstens ist bei 160 km/h Schluss (was auch reicht) und zweitens saugen die beiden lautlosen Kraftwerke den 86 kWh großen Akku ganz schön zügig leer.
Sparsam ist der E-Bulli nicht
Und zwar nicht nur bei Höchsttempo, sondern auch schon um Richtgeschwindigkeit herum. Allerdings hängen Reichweite und Verbrauch auch stark von der Außentemperatur ab. So kann es passieren, dass man mit dem doppelmotorigen ID.Buzz auf dem Weg in den Winterurlaub im Falle von Temperaturen um den Gefrierpunkt herum nach 260 Kilometern schon wieder eine Ladestation aufsuchen muss bei Start mit 90 Prozent State of Charge. Viel Stirnfläche und Kälte fressen eben Energie. Und die ist beim batterieelektrischen Fahrzeug nicht so schnell nachgefasst wie beim Verbrenner, dieser Tatsache sollte man sich vor dem Kauf des ID.Buzz bewusst sein.
Um Strom in den Akku hineinzubekommen, sind 200 kW Peakladeleistung vorgesehen. Wer die werksangegebenen 26 Minuten einhalten will, um von 10 auf 80 Prozent zu laden, muss den Speicher bloß konditionieren. Das geht bei Volkswagen mittlerweile zum Glück auch manuell über den Touchscreen - eine Ladeplanung ist hier nicht erforderlich. Bis die Batterie die optimale Temperatur hat, können bei kühlen Außentemperaturen indes 30 bis 40 Minuten vergehen. Wer mit humanen Geschwindigkeiten unterwegs ist auf der Autobahn, sollte also 60 bis 70 Kilometer vor dem geplanten Ladestopp mit dem Batterieheizen beginnen.
Und wenn man lädt, lässt sich die Gelegenheit nutzen, um das modernisierte Menü auf dem großen Touchscreen zu studieren. An dieser Stelle sei ein Lob ausgesprochen, denn die wichtigsten Features lassen sich wirklich intuitiv bedienen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, sämtliche Vibrations- und Piepwarner schnell deaktivieren zu können. Bleibt zu hoffen, dass die Techniker bald auch die schlecht reagierenden Softtouchflächen auf dem Lenkrad gegen klassische Drucktasten austauschen - so wie bei Golf, Passat oder Tiguan bereits geschehen.
Zum Schluss noch ein Wort zu den praktischen Fähigkeiten. Auf Wunsch passt Ladegut im Äquivalent von bis zu dreieinhalbtausend Liter in das hintere Abteil. Und ob man mit 1,6 Tonnen Anhängelast leben kann, ist eine sehr individuelle Entscheidung. Aber für den Anfang schon mal ganz gut. Denn hier stoßen Autos mit elektrischem Antrieb bisher noch an ihre Grenzen.
Fazit: Volkswagen ID.Buzz in der stärksten Version mit langem Radstand kann man machen, ist aber ein teures Unterfangen - mit ein bisschen Sonderausstattung sind 80.000 Euro weg wie nichts. Zumal selbst für die Wärmepumpe über 1000 Euro Aufpreis fällig werden. Günstig ist der elektrische Retrotransporter aber selbst in der einfachsten Ausführung kaum, unter 50.000 Euro gehts nichts. Wer bei seinem Händler ein passendes Angebot findet, sollte zugreifen. Allerdings immer mit dem Wissen im Hinterkopf, dass der mächtige Lifestyle-Kandidat weder Stromknauserer noch Ladebiest ist. Wer nach sorgfältiger Abwägung zu dem Schluss kommt, dass der Coolness-Faktor des ID.Buzz die oben genannten Nachteile überkompensiert - und zu diesem Schluss kann man durchaus kommen -, wird mit dem stillen Bulli ganz sicher glücklich.
Quelle: ntv.de
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