Geschichte wiederholt sich nicht, wie man so schön sagt. Aber manchmal tut sie es eben doch - nur nicht immer ganz exakt. Auf die Renault-Welt bezogen heißt das: Früher war der R4 der Vorgänger des R5 - heute jedoch laufen die neu aufgelegten Retromodelle parallel. Und der Renault 4 ist nicht etwa das simplere Fahrzeug, wie er es in der Vergangenheit war - klar, der Ur-4 ist ein Kind der 1960er-Jahre, entwickelt in den 1950ern, während sein Nachfolger Renault 5 (Debüt 1972) schon deutlich moderner war, vor allem stilistisch.
Doch nun zum neuen Modell. Hier fällt auf, dass die Kreativen nicht ganz so radikal unterwegs waren wie beim etwas kürzeren R5. Während dieser die Formensprache des Urahns nämlich wirklich fast kopiert und in die Moderne transformiert, zitiert der neue Renault 4 E-Tech bloß markante Partien des vergangenen Modells. Vor allem Front und Heck sind die Sahnestücke, wenn man so will. Und hier unterscheiden sich Renault 4 und 5 nicht nur stilistisch, sondern auch in ihren verfügbaren Gimmicks.
So verleihen dem R4 ein beleuchtetes Emblem sowie der filigrane LED-Rahmen um den Grill auf den ersten Blick mehr Coolness. Doch der R5 hat diese auch - allerdings nicht festgemacht an einzelnen Details. Hier ist es eher das gesamte Erscheinungsbild.
Der R4 zitiert das historische Vorbild, aber kopiert es nicht
Und wenngleich der R4 insgesamt nicht das historische Vorbild kopiert, finden sich doch etliche Retro-Elemente wie beispielsweise die schräge C-Säule nebst drittem Seitenfenster. Doch was spricht aus der Faktenperspektive überhaupt für den Renault 4, da der R5 doch irgendwie der coolere Typ ist und überdies noch 1500 Euro günstiger zu haben? Zunächst einmal bietet der Newcomer mit 4,14 Metern satte 22 Zentimeter mehr Länge als Renaults Retro-Erstling. Und acht Zentimeter mehr Radstand versprechen darüber hinaus leichten Platzzuwachs in der zweiten Reihe, wenngleich das Raumgefühl nicht überbordend ausfällt.
Unverständlich auch, warum die Franzosen auf das praktische Feature wie die verschiebbare Rücksitzbank verzichten. Immerhin: Der Beifahrersitz lässt sich umklappen, sodass man lange Gegenstände (bis zu 2,20 Meter) verstauen kann bei Bedarf. Und das Kofferraumvolumen kann sich sehen lassen. In der Grundkonfiguration beträgt es 420 Liter - da sollte sich genügend Urlaubsgepäck für vierköpfige Reisegruppen unterbringen lassen. Klappt man die Lehnenelemente um, wächst der Stauraum auf über 1400 Liter. Darüber hinaus hält der Kofferraum praktische Ebenen, Fächer sowie Bänder bereit, um unhandliche Gegenstände zu befestigen.
Kein Raumwunder
Und im Innenraum darf der User natürlich sein Körbchen für das obligatorische Baguette unterbringen. Oh lala. Und sonst? Der Blick des Fahrers fällt auf viel Display, soweit bekannt aus dem Renault 5. Leider übernimmt er auch die dezente Enge hin zu den Seiten. Dafür wiederum lässt sich der Kleine flink und wieselig durch die City dirigieren, ist sich aber dennoch nicht zu schade, seine Besatzung kommod an weiter entfernte Ziele zu verfrachten.
Als Ausgleich für das vorn begrenzte Raumangebot gibt es nämlich betont komfortable Sitze samt körperergonomisch ordentlich ausgeformter Polster. Und die erfreuen außerdem durch schicken Retrolook - ebenso wie der Dachhimmel mit seiner eigenwilligen Stoffstruktur.
Ergonomisch ist beim Renault 4 übrigens so einiges. Darunter fällt auch die Bedienung. Mit zwei "Tippern" auf die entsprechende physische Taste links des Lenkrads lassen sich sämtliche Assistenten ausschalten, die ansonsten durch unangenehme Geräusche oder Vibrationen auffallen würden. Dafür muss man zunächst erlernen, wo die Lautstärke zu regulieren ist. Nämlich über an einem weiteren Bedienungssatelliten (Lenksäule) angebrachte Tasten. Und diese kleine Kommandozentrale ist gar nicht so leicht zu finden. Aber daran gewöhnt man sich mit der Zeit.
R4 E-Tech ist ganz schön komfortabel
Aber jetzt geht es mit dem extrovertierten Kleinwagen endlich auf Tour. Die Fahrstufe "D" wird per Hebel in Lenkradnähe eingelegt, doch Vorsicht! Vor allem das Wechseln zwischen Rück- und Vorwärtsgang gelingt nur, wenn du absolut stillstehst. Das könnte bei einem hastigen Wendemanöver auch mal ins Auge gehen. Sonst fährt der Franzose ausgewogen und komfortabel. Weniger segmenttypisch, mehr so ein bisschen wie ein "schwerer Wagen" - sanft beim Anfedern im Falle gebeutelter Straßen, aber auch nicht undefiniert weich oder schaukelig. Ist doch klar, die Akkublöcke liegen ganz unten im Boden und senken den Schwerpunkt. Im Testwagen finden sich 52 kWh installierte Stromkapazität und 150 PS Motorleistung.
Verfügbar laut Liste sind auch 40 kWh und 120 PS - nicht aber hier zu Demonstrationszwecken. Entsprechend hurtig setzt sich der Renault 4 in Bewegung, scharrt bei beherztem Tritt auf das Fahrpedal und Lenkwinkel oder Steigung auch mal mit den Vorderrädern (8,2 Sekunden bis 100 km/h sowie 150 km/h Höchsttempo). Mangelnder Vortrieb sieht anders aus. Als Sportler geht der Renault dennoch kaum durch, zu sehr haben die Techniker seine Lenkung auf Leichtgängigkeit ausgelegt.
Die zentrale Frage lautet nach wie vor beim batterieelektrischen Fahrzeug, wie lange der Vortrieb anhält. Bei den um Lissabon herum herrschenden frühsommerlichen Temperaturen sind es laut Reichweiteanzeige jedenfalls etwas über 400 Kilometer. Damit kann man leben. Allerdings ist der 1,5-Tonner kein Ladeperformer. Demnach lässt sich der Akku mit maximal 100 kW (DC) binnen 30 Minuten von 15 auf 80 Prozent laden. Andererseits muss man immer das Segment berücksichtigen - der R4 ist primär kein Langstreckenvehikel.
Zum Schluss noch der Hinweis, dass die Version "Plein Sud" etwas später folgt. Dabei handelt es sich um die begehrte Variante mit dem legendären Faltdach. Die Auslieferung der ersten Exemplare soll in den nächsten Wochen erfolgen. Preislich startet der Franzose bei 29.400 Euro.
Quelle: ntv.de
Tags: