Der Stuttgarter Automobilkonzern Daimler will sich im Nutzfahrzeuggeschäft künftig voll auf die Entwicklung weitgehend autonom fahrender Lkw konzentrieren. Die teilautonome Fahrt im Konvoi ("Platooning") wird dagegen zumindest bei Daimler nicht weiter verfolgt. Stattdessen soll die Sparte Daimler Trucks innerhalb von etwa zehn Jahren sogenannte hochautomatisierte Lastwagen auf den Markt bringen.
Bei hochautomatisierten Fahrzeugen übernimmt der Computer weitgehend das Steuer, der Fahrer muss aber noch eingreifen können. Es ist die letzte Stufe vor der völligen Automatisierung von Fahrzeugen. Daimler, Weltmarktführer für mittlere und schwere Lastwagen, hatte erstmals 2014 die Studie "Future Truck" vorgestellt.
In die jetzt beginnende Serienentwicklung hochautomatisierter Lkw investiere das Unternehmen eine halbe Milliarde Euro, kündigte Daimler-Trucks-Chef Martin Daum am Vorabend auf der Konsumelektronik-Messe CES in Las Vegas an. In der Forschung und Entwicklung schaffe Daimler mehr als 200 neue Stellen für Ingenieure und IT-Experten, hieß es, um binnen eines Jahrzehnts die Marktreife zu erreichen. Die Technik erhöht nach Überzeugung des Lkw-Herstellers die Sicherheit und bietet mehr Transportleistung, da der Einsatz rund um die Uhr möglich sei.
Kehrtwende beim Platooning
Die großen Hoffnungen, die Daimler mit Aufrüstung von Lkw zur teilautonomen Konvoifahrt auf Highways oder Autobahnen verband, lassen sich dagegen offenbar nicht erfüllen: Der Hersteller zeigte sich am Rande der CES ernüchtert hinsichtlich der Vorteile, die durch digital gekoppelte Kolonnen derzeit erreichbar sind.
Branchenkenner sprachen von einer strategisch-technischen Kehrtwende beim Marktführer: Daimler-Trucks-Chef Daum hatte der Platooning-Technik noch vor wenigen Monaten große Zukunftschancen eingeräumt. "Ich glaube, Platooning wird sich zunächst durchsetzen", sagte Daum im Interview mit dem "Handelsblatt".
Die Platooning-Idee galt bislang als der größte Hoffnungsträger zur Effizienzsteigerung im Nutzfahrzeugmarkt. Elektronische Assistenzsysteme sollten es dabei möglich machen, dass sich Lkw-Fahrer mit ihren Fahrzeugen über weite Strecken zur automatisch überwachten Kolonnenfahrt zusammenfinden. Das Platooning sollte die Fahrer entlasten, die Sicherheit im Straßenverkehr verbessern und die Kosten senken.
Enttäuschende Testergebnisse
Die Platooning-Technologie baut auf schon jetzt verfügbaren Assistenzsystemen wie Tempomat, Abstandswarner und Spurassistent auf und sollte als Übergang zum vollautomatisierten Fahren dienen. Alle großen Hersteller testen Platooning-Konzepte seit einigen Jahren - unter anderem mit dem Ziel, durch bessere Aerodynamik der dicht hintereinander rollenden Transportkolosse den Spritverbrauch zu verringern.
Doch selbst unter idealen Bedingungen sei die Einsparung in der Praxis geringer als erhofft, wie ein Daimler-Sprecher nun erklärte. "Zumindest im Langstreckenverkehr in den USA ergibt sich daher kein Geschäftsmodell für Kunden." Das Problem liegt dabei offenbar nicht bei der Technik, sondern eher in den Anforderungen aus der Praxis: Im Alltagsbetrieb müssen sich die elektronisch gekoppelten Gespanne aus zwei oder mehreren Lkw immer wieder neu zusammenfinden, etwa wenn das Führungsfahrzeug ausschert oder ein Konvoi-Fahrer eine Pause einlegen muss.
Neuer Pflichttermin für Autobauer
Dazu kommen Probleme, die sich aus unterschiedlichen Fahrzeuggewichten, Zuladung und Motorleistung ergeben können: Um den Konvoi zusammenzuhalten, müssen die Bordrechner die einzelnen Fahrzeuge immer wieder abbremsen und wieder beschleunigen. Unter praxisnahen Bedingungen ergeben sich daraus offenbar höhere Verbrauchswerte als im herkömmlichen Betrieb.
Mit der voranschreitenden Vernetzung von Fahrzeugen ist die CES für die deutschen Autobauer in den vergangenen Jahren als Messe in den USA fast noch wichtiger geworden als die Autoshow in Detroit. Daher nutzt Daimler die Technikschau auch zur Weltpremiere seines neuesten Lkw-Modells für den US-Markt, des Freightliner "Cascadia".
Quelle: n-tv.de
Tags: