„Wie zu den Tiefzeiten des Kalten Krieges“: AfD und Linke für neue Russlandpolitik

  01 Februar 2019    Gelesen: 928
  „Wie zu den Tiefzeiten des Kalten Krieges“: AfD und Linke für neue Russlandpolitik

Die AfD- und Linksfraktion im Bundestag setzen sich - trotz eklatanter Meinungsdifferenzen - als einzige Parteien für eine echte Verbesserung der Beziehungen zu Russland ein. Außenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, Armin-Paulus Hampel, und Bundestagsabgeordneter Dr. Alexander Neu (Die Linke) erklären im Sputnik-Interview, was sie dabei bewegt.

Gute Beziehungen zu Russland bleiben weiterhin ein Streitthema zwischen den Fraktionen. Der Bundestag diskutierte am Donnerstag erstmals über einen Antrag der AfD-Fraktion, die „Für eine neue Russlandpolitik“ wirbt und dabei auf „Kooperation statt Konfrontation“ setzt.

Der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Armin-Paulus Hampel, sprach sich für ein Ende der Sanktionspolitik aus: „Wir halten die Sanktionspolitik, die wir seit vielen Jahren gegen Russland führen, für falsch. Wir folgen da einer alten sozialdemokratischen Formel: Wandel durch Annäherung. Und nicht Wandel durch Sanktionen. Das hat nie funktioniert“, betont Hampel im Sputnik-Interview.

Deutschland und die EU müssten schnellstmöglich mit Russland ins Gespräch kommen, warnt der AfD-Politiker. Gerade jetzt sei es wichtig, in der Frage des auslaufenden INF-Vertrags zu einem neuen Ergebnis zu kommen, unterstreicht Hampel. „Wenn Russland und Amerika dort ein Problem haben, sich einig zu werden, dann würde ich vorschlagen, dass Deutschland die europäischen Nachbarn überzeugt, dass wir als Europäer mit Russland diskutieren und über eine freie Zone von nuklearen Mittelstreckenraketen verhandeln.“

„Wie zu den Tiefzeiten des Kalten Krieges“

Dr. Alexander Neu (Die Linke), Obmann im Verteidigungsausschuss des Bundestages, hält den Antrag der AfD-Fraktion für bessere Beziehungen zu Russland „von seinem Anspruch und von der politischen Forderungen her“ für „vollkommen wichtig“. Er betont gleichzeitig die „großen Differenzen in der politischen Ausrichtung“ zwischen den beiden Parteien und findet: „Es ist sehr bedauerlich, dass die AfD, eine Partei, die so eine Ausrichtung hat, neben der Linken die einzige Partei im deutschen Bundestag ist, die eine Entspannungspolitik mit Russland einfordert.“

Das deutsch-russische Verhältnis sei an einem Tiefpunkt angekommen, erklärt Neu gegenüber Sputnik. „Wir haben einen Spannungsboden wie nicht nur zu Zeiten des Kalten Krieges, sondern zu den Tiefzeiten des Kalten Krieges — Kuba-Krise, Berlin-Krise, oder die Krise Anfang der 1980er Jahre! Soweit sind wir vorangeschritten im gegenseitigen Missverständnis.“ Neu beklagt weiter Deformation gegen die sogenannten Russlandversteher. „Seiner Zeit konnte man sich äußern und die sowjetische Perzeption ausführen. Heutzutage wird sogar das Wording kritisiert und zensiert. D.h., das Spektrum, indem man sich äußern darf, wird immer weiter eingeengt. Nimmt man nur eine Position ein, die auch die russische Seite reflektiert, wird man schon als Putinversteher deformiert.“

„Uneinholbar vorne“ — Der Westen und seine Rechtsbrüche

Dabei warnt der Abgeordnete: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ Denn was Vertragsbrüche und Völkerrechtsbrüche anbetreffe, sei der Westen uneinholbar vorne, so Neu. „Angefangen mit Blick auf Vietnam, geht es weiter mit der Zerlegung Jugoslawiens. Man hat an der Zerschlagung Jugoslawiens einen massiven Anteil. Das waren nicht nur innere Kräfte, sondern ganz starke Kräfte von außen, die das vorangetrieben haben — bis hin zum militärischen Einsatz 1999 im Kosovo. Das Gleiche:  Die Unterstützung des Putsches in Kiew; die Geschichte in Syrien ist ein Völkerrechtsbruch; die militärische Drohung gegenüber Venezuela ist ein Rechtsbruch — Einmischung in innere Angelegenheiten und Gewaltandrohung; der Angriffskrieg der Amerikaner mit der willigen Koalition gegen den Irak.“ Auch hier habe sich die Bundesregierung bis heute nicht dazu durchringen können, das als Rechtsbruch zu bezeichnen, erinnert der Linkspolitiker.

NATO-Osterweiterung und die offenen Arme von Putin?

Neben den völkerrechtswidrigen Kriegen der USA und der Nato beklagt die AfD-Fraktion auch westliche Interessensexpansion nach der deutschen Wiedervereinigung. Diese hätten „selbstverständlich das große Russland in seinem Wirkungskreis behindert, eingeschränkt oder sogar gestoppt“, bemängelt Hampel. Eine „frühzeitige Abklärung der Interessen“ hätte sich der AfD-Politiker hier gewünscht. Doch das habe nicht stattgefunden: „Russland war wirtschaftspolitisch schwach. Das hat der Westen ausgenutzt.“

So sei Hampel als Journalist dabei gewesen, als es darum ging, die NATO auf das ehemalige Territorium der DDR zu erweitern. Er glaube, dass die Regelung heute noch gelte, „dass wir nur nationalbefohlene Truppen auf dem Ex-Gelände der DDR haben dürfen und keine NATO-kommandierten Truppen“, behauptet Hampel. „Und über das Baltikum, Polen, Georgien, Mazedonien oder andere Länder haben wir uns damals nicht nur unterhalten, keiner hat davon zu träumen gewagt“, so der Außenpolitiker. Er hält es für falsch, „dass man mit einer Interessenspolitik, die rein westlich ausgerichtet war, in den 1990er Jahren versucht hat — wie es Obama ausgedrückt hat, Russland zu einer ‚Mittelmacht‘ zu reduzieren“.

Hampel erinnerte zudem an die Ansprache des russischen Präsidenten Wladimir Putin  im Bundestag an das deutsche Volk im Jahr 2001. Dort habe er mit offenen Armen eine Vielzahl von Zusammenarbeit und Kooperationen angeboten, erinnert sich der Journalist. „Und ich kann mich noch gut an die teilweise abfälligen Reaktionen der dort damals ansässigen Fraktionen erinnern — insbesondere der CDU.“

„Wir sind die Guten! Punkt, Aus, Feierabend!“

Auch heute scheint es nicht anders zu sein, wenn Bundestagsabgeordnete von Union, FDP, Grünen und teilweise SPD die russische Regierung an den Pranger stellen und die Erhaltung der Sanktionen fordern und dabei sogar mögliche nukleare Aufrüstungsschritte in Kauf nehmen.

Deutliche Worte hierfür findet der Friedensforscher Dr. Neu: „Ich glaube, dass sie sich ideologisch sehr stark verrannt haben. Die glauben wirklich, was sie sagen. Die einseitige Wahrnehmung von Wirklichkeit ist extrem fest angesiedelt in deren Denkmustern. Die nehmen gar nicht ihre eigenen Fehler und ihr eigenes Missverhalten wahr. Sie glauben, dass alles, was im Westen, vom Westen gemacht wird, irgendwie moralisch zurechtfertigen ist und höherwertiger ist als das, was andere Staaten — vor allem Russland oder Serbien — machen oder sagen. Und eine Selbstreflektion findet gar nicht statt. Wir sind die Guten! Punkt, Aus, Feierabend!“

sputniknews


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