Heute ist mal wieder so ein Tag, an dem es mich schon reizen würde, zuzuschauen. FC Liverpool gegen den FC Bayern München. Früher hätte es da für mich am Abend ohnehin nur einen einzigen adäquaten Platz geben können: Direkt vor dem Fernsehapparat! Doch seit einiger Zeit halte ich es schon wie der "Zeit"-Autor Christian Spiller, der letzte Woche in seinem Artikel "Wie ich glaube, den Fußball zu retten" überzeugend erklärte, warum er als Konsument nicht mehr bereit ist, für die Champions League zu bezahlen. Seitdem ich vor vier Jahren im Mai mein Experiment "Fußballfasten" durchgezogen und im Anschluss mein Sky-Abo auf die Bundesliga begrenzt habe, schaue ich tatsächlich nur noch sehr selten die Spiele der Königsklasse. Und ich muss ehrlich sagen: Mir fehlt nichts!
Doch heute ist so ein Tag, an dem es seit langer Zeit mal wieder juckt, eine Champions-League-Partie anzuschauen. Zu reizvoll und interessant sind die äußeren Rahmenbedingungen. Geschwächte Bayern treffen auf Teammanager Jürgen Klopp und seinen faszinierend aufspielenden Tabellenführer von der Insel. Und doch fühlt es sich irgendwie nicht richtig an. Es ist ein wenig so, wie wenn man bei Amazon bestellt, obwohl man eigentlich weiß, dass das am Ende für uns alle nicht gut ist - weil das große amerikanische Versandhaus (fast) keine Steuern zahlt. Und dennoch erliegt man immer wieder der simplen Verlockung, einen Einkauf möglichst schnell und unkompliziert abzuschließen.
Unvergessliche Duelle liegen irre lang zurück
Genauso verhält es sich mit dem heutigen Spiel. Betrachtet man das große Ganze, dieses elende System der Champions League, das die immer selben Klubs immer reicher werden lässt - dann müsste man sich normalerweise total verweigern. Doch heute Abend siegen die Emotionen über die Vernunft. Das Spiel erinnert an die großen, unvergesslichen Duelle von früher. Die Begegnungen, die wir Fußballfans alle in unserem kollektiven Gedächtnis abgespeichert haben. Damals, als wir im gebührenfinanzierten Fernsehen zumeist nur eine kleine Auswahl an Live-Partien offeriert bekamen und man deshalb über jeden Knochen, der einem hingeworfen wurde, froh war. Diese Zeiten liegen auf eine seltsam anmutende Art und Weise irre lang zurück.
Heute Abend wäre es zudem ein Spiel, das ich gerne mit meinen Kindern ansehen würde. Denn wenn die Hoffnung nicht ganz trügt, dann werden das zwei Partien zwischen diesen beiden Vereinen, die das Potential haben, in die Geschichte einzugehen. Und das Wundervolle dabei: Jeder hat zu dieser Begegnung eine Meinung. Niemand geht da rein und sagt: "Och, im Grunde ist mir egal, wer heute gewinnt." Nein, heute Abend hat jeder seinen Verein. Und das macht die Sache so reizvoll. Es wird ein richtig hitziges Duell zwischen den beiden Klubs.
Dusche, Bier und die Schlussphase?
Doch leider ist das Spiel aus einem anderen, ziemlich nervigen Grund für meine Kinder nichts. Denn der Anpfiff ist erst um 21 Uhr (auch im Liveticker bei n-tv.de). Das ist schön für alle berufstätigen Briten - bei denen es zudem erst 20 Uhr ist - aber äußerst schade für unsere Kinder. Für unter Zehnjährige langt es so höchstens für die erste Halbzeit. Und wenn man dann auch noch auswärts gucken muss, wird es fast unmöglich, das unter der Woche angemessen zu realisieren. Aber da wir alle die Motive für diese späten Anstoßzeiten kennen, kann man sich die Aufregung sparen. Man kann nur hoffen, dass es allen Beteiligten eines Tages auf die eigenen Füße fallen wird - genau dann nämlich, wenn die erste Generation von Zuschauern unwiderruflich weggebrochen ist.
Naja, mir kann das ohnehin egal sein. Die Entscheidung, ob ich schaue oder nicht, wurde mir abgenommen. Denn obwohl es mich heute wirklich mal wieder gereizt hätte und ich echt mit mir gehadert habe, ist es so, dass ich schlicht und ergreifend nicht kann. Ich werde wie jeden Dienstagabend mit ein paar anderen alten Säcken in der Halle Fußball spielen. Ausreden werden bei den Jungs seit jeher nicht akzeptiert. Und das ist auch gut so. Aber wer weiß: Vielleicht schauen wir hinterher beim Bier unter Dusche noch in die Schlussphase rein. Hätte ja auch was. Und unvergesslich wäre das wohl zudem!
Quelle: n-tv.de
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