Ersticken wir am Populismus?

  14 Mai 2019    Gelesen: 1037
  Ersticken wir am Populismus?

Wer den Menschen nach dem Mund redet erntet vielleicht Kopfnicken und "Jawoll!"-Rufe, löst aber selten die wirklich dringlichen Probleme. Was passiert, wenn bei der anstehenden Europawahl (rechts)populistische Parteien noch stärker werden als bislang schon?

In knapp zwei Wochen dürfen rund 400 Millionen Europäer ihre nächste Vertretung im europäischen Parlament wählen - und rund ein Drittel von ihnen könnte das Kreuz bei einer rechtspopulistischen Partei machen. Nun hat Populismus - egal ob von links oder rechts - allerdings herzlich wenig mit Realpolitik zu tun, sondern vor allem mit dem, was die Menschen hören wollen. Dass das nicht für immer gutgehen kann ist klar, doch Frank Plasberg will es bei "Hart aber fair" genau wissen: "Wieviel Populismus verträgt Politik?"

Am Montagabend diskutieren darüber der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl Guido Reil, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne), die "Weltspiegel"-Moderatorin Isabel Schayani, der österreichische Politikwissenschaftler Peter Filzmaier sowie der "Bild"-Parlamentskorrespondent Ralf Schuler.

"Wenn europaweit Populismus erstarkt und die AfD trotz einer Nullperformance um die 15 Prozent holt, dann kann schon mal der Gedanke aufkommen, dass mit dem Produkt Demokratie etwas nicht stimmt", dreht der "Bild"-Journalist die Fragestellung zu Beginn der Talkrunde direkt mal um. Schuler sagt: "Populismus gehört in die Mitte der Gesellschaft, und nicht an die Ränder." Allerdings folgt ausgerechnet der "Bild"-Mann seinem Vorsatz nicht, sondern kristallisiert sich neben Politikwissenschaftler Filzmaier als argumentativ stärkster Demokratieverteidiger heraus.

"Machen die Populisten nur stärker"

Wie Populismus wirklich funktioniert muss also doch mal wieder der Rand vormachen - auch wenn sich Reil gar nicht als Rand sieht: "Dass die Parlamente nicht mehr die Menschen da draußen widerspiegeln, das ist ein Riesenproblem", sagt der ehemalige Bergmann aus Essen und legt später alle wichtigen Klassiker aus der rhetorischen Waffenkammer der AfD nach: "Ich habe 20 Jahre lang Dinge mit meinen eigenen Händen aufgebaut, die dann aus Berlin wieder kaputtgemacht wurden."

"Was haben Sie nur all die Jahre unter Tage erlebt, dass sie jetzt so gegen ihre früheren Kumpel hetzen?", will Isabel Schayani von Reil wissen. Der Vater der Fernsehjournalistin war ebenfalls Bergarbeiter in Essen und hat wie viele ehemalige Kumpel einen Migrationshintergrund. Eine unangenehme Frage für den AfD-Politiker, der "die Türken" nach kurzem Zögern ausdrücklich für okay befindet, weil sie fleißig und wertkonservativ seien, Islam hin oder her.

Tübingens Oberbürgermeister, der selbst immer wieder als grüner Populist bezeichnet wird und erst kürzlich durch einen als rassistisch aufgefassten Facebook-Beitrag Schlagzeilen machte, verteidigt seine häufig sehr provokante Meinung ebenfalls mit einem ziemlich interessanten Argument: "Ich möchte, dass meine Partei aufhört, die Leute zur AfD zu treiben. Wir verkörpern die andere Seite des politischen Spektrums. Und wenn wir immer nur draufhauen, machen wir die Rechtspopulisten nur stärker." Anders gesagt: Wenn eine Seite nur erhobene Zeigefinger zu bieten hat und die andere scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme anbietet, welche Seite wählen die Menschen dann wohl?

Dass die Lösungen allerdings meistens keine Lösungen sind, stellt Peter Filzmaier klar: "Die Behauptung, für das Volk zu sprechen, ist ein typisches Anzeichen für Populismus und ausgemachter Schmarrn: Es gibt fünf, zehn, hundert verschiedene Meinungen, die berücksichtigt werden müssen", sagt der österreichische Politikwissenschaftler. Bei "Hart aber fair" waren an diesem Abend mindestens fünf Meinungen vertreten. Und das ist doch schon mal ein Anfang.

Quelle: n-tv.de


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