Bayern zeigen Klasse, Kovac lässt sich feiern

  26 Mai 2019    Gelesen: 811
  Bayern zeigen Klasse, Kovac lässt sich feiern

Dank brutaler individueller Qualität ringt der FC Bayern die Rasenballsportler nieder, gewinnt den DFB-Pokal und damit das Double. Für Trainer Niko Kovac ist das ein Triumph. Nun darf er beim Fußball-Bundesligisten bleiben - seine Chefs zumindest tun so, als sein nie etwas gewesen.

Lange hatte dieses Hochgeschwindigkeitsfinale des DFB-Pokals keinen Raum für Reminiszenzen an seinen Altmeister gelassen, zu sehr hatten die Rasenballsportler aus Leipzig seine Mannschaft in Atem gehalten. Als die Fußballpartie aber zugunsten des FC Bayern entschieden war, nahm sich Niko Kovac die Freiheit. Schon nach dem 2:0 durch Kingsley Coman in der 78. Minute hatten die Fans der Münchner in der Ostkurve des mit seinen 74.322 Plätzen ausverkauften Berliner Olympiastadions klar zu verstehen gegeben, was - oder besser- wen sie vom Trainer erwarten: " Ri-bé-ry! Ri-bé-ry! Ri-bé-ry!" Und nachdem Robert Lewandowski, der nach einer knappen halben Stunde das 1:0 besorgt hatte, in der 85. Minute mit seinem zweiten Tor an diesem rasanten Fußballabend das 3:0 erzielt und damit seiner Mannschaft endgültig den Pokalsieg und somit das Double gesichert hatte, war es dann so weit.

Kovac wechselte Franck Ribéry ein. Der 36 Jahre alte Franzose kam dann doch noch zu seinem allerletzten Spiel. Ganz nebenbei stellte er einen Rekord auf: Er ist der erste Spieler, der in acht Pokal-Endspielen mitgemacht hat. Am Ende also war das 76. Endspiel um den Vereinspokal des DFB am Samstagabend für die Bayern eine rundum gelungene Sache, auch wenn der Sieg ein wenig zu hoch ausfiel. In der ersten halben Stunde ließen die von ihrem Trainer glänzend eingestellten Leipziger mit ihrem aggressiven Pressing ihren Gegner nicht zur Entfaltung kommen. Hinterher musste ein sichtlich angefressener Ralf Rangnick allerdings das einräumen, was ohnehin alle gesehen hatten: "Wenn Du fünf Großchancen gegen die Bayern hast und keine reinmachst, wird es natürlich schwer." Letztlich sogar unmöglich, da hilft dann auch das Gerede von der Augenhöhe nichts.

Neuer spielte stark wie lange nicht

Die Münchner hingegen dürfen sich zugutehalten, das Spiel als Einheit, aber auch aufgrund ihrer brutalen individuellen Qualität gewonnen zu haben. Sie hatten und haben einen überragenden Manuel Neuer im Tor, der in der elften Minute einen Kopfball von Yussuf Poulsen mit einem Reflex noch an die Latte lenkte, in der 48. Minute alleine vor Emil Forsberg rettete und nach seiner sechs Wochen währenden Verletzungspause so stark spielte wie lange nicht mehr.

Und sie haben Lewandowski, der mit seinem überragenden Kopfball zum 1:0 den Leipzigern erst einmal den Mut nahm und mit einem kraftvollen Solo samt gefühlvollem Lupfer zum 3:0 den Knockout verpasste. Famos war auch das Tor des sehr starken Kingsley Coman zum 2:0. Erst natzte der Franzose den deutschen Nationalspieler Lukas Klostermann mit einer geschickten Körpertäuschung, dann schoss er den Ball aus sieben Metern unhaltbar ins Tor. Da dürfte er es verschmerzt haben, dass er kurz vor dem Ende für seinen Landsmann Ribéry Platz machen musste.

Gefühlig, das können sie ja

Schon fünf Minuten vor dem zweiten Tor durfte der Niederländer Arjen Robben in die Partie, der wie sein ein Jahr älteres, kongeniales Pendant auf dem rechten Flügel den Verein nun verlässt. Wie schon bei der Meisterfeier nach dem 5:1 am letzten Bundesligaspieltag gegen Eintracht Frankfurt wurde das Ganze so richtig schön gefühlig, nur jetzt mit Pokal statt Schale. Und gefühlig, das können sie ja, die Münchner - wenn sie nicht gerade monatelang öffentlich ihren Trainer mobben. Doch seit Karl-Heinz Rummenigge am Tag vor dem Finale den Daumen gehoben haben soll, scheint das Thema vom Tisch. Und die Chefs des FC Bayern tun plötzlich so, als hätten sie niemals in aller Öffentlichkeit an Kovac gezweifelt. "Ja, aber das haben wir eigentlich nie infrage gestellt", sagte der Vorstandschef der ARD nach dem Finale. "Wir haben nie gesagt, wir stellen irgendwas infrage." Hört, hört.

Die Fans feierten den Trainer der besten Fußballmannschaft des Landes, wie sie ihn in dieser so abwechslungsreichen Saison noch nie gefeiert hatten, auch nicht am letzten Ligaspieltag. Niemand, selbst der bescheidene Kovac nicht, wollte hinterher behaupten, er habe dieses gewaltige Ausmaß an Zuneigung nicht genossen. Sie riefen seinen Namen, kurz nach dem Schlusspfiff und später dann, nachdem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Siegern den Pokal überreicht hatte. Und Kovac? Er ließ es zu, stand auf dem mit goldenem Konfetti bedeckten Rasen, ließ sich feiern und lächelte. Auch als die Anhänger ihm ein Megafon in die Hand drückten, schreckte er nicht zurück. Bloß beim Anschalten brauchte er ein wenig Hilfe. Dann sagte er: "Ich möchte mich bei euch allen bedanken für die wirklich tolle Unterstützung der Mannschaft in der ganzen Saison. Ohne euch wäre es nicht möglich gewesen. Herzlichen Dank, ich kann euch gar nicht sagen, wie stolz ich auf euch bin."

"Freue mich auf den Urlaub"

Hinterher, im Gespräch mit den Journalisten, bat Kovac erst einmal um Entschuldigung: "Meine Stimme ist nicht die beste. Aber das ist normal, wenn man gegen 70.000 ankämpft." Als wären das die einzigen Widerstände gewesen, die er zu überwinden hatte. Und dann erzählte er, er habe sich bei den Fans dafür bedankt, dass sie auch ihn unterstützt hätten "in der nicht ganz so leichten Zeit". Es war sein drittes Finale in Berlin in seiner noch jungen Karriere als Trainer. Zweimal hatte er mit der Frankfurter Eintracht um den DFB-Pokal gespielt. 2017 gab's ein 1:2 gegen Borussia Dortmund, und im vergangenen Jahr ein durchaus überraschendes 3:1 gegen die Bayern.

Ob er sich seitdem verändert habe, wurde er gefragt. Ob der Niko Kovac im Mai 2019 noch der gleiche sei wie der Niko Kovac im Mai 2018? Er überlegte kurz und sagte dann: "Hier sitzt der Niko Kovac mit einem Jahr mehr Erfahrung." Ansonsten wolle er so bleiben, wie er sei. "Und zwar mein Leben lang. Ich glaube, das ist das Wichtigste." Und jetzt? "Jetzt", sagte er und lächelte wieder, "freue mich auf den Urlaub, das war eine anstrengende Saison". Die Freiheit hat er sich verdient.

Quelle: n-tv.de


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