Nokia will mit Kult-Handys wieder glänzen

  15 September 2019    Gelesen: 863
Nokia will mit Kult-Handys wieder glänzen

Die Klingeltöne waren schrill, der Akku hielt ewig, die Hardware war unkaputtbar: Kunden griffen ab der Jahrtausendwende massenhaft zu Handys von Nokia, die heute längst Kultstatus besitzen. An diese Erfolgsgeschichte knüpft die finnische Traditionsmarke jetzt wieder an.

Im finnischen Espoo kam den Entscheidern über die Zukunft der Handymarke Nokia vor einigen Jahren eine glänzende Idee. Die bislang unrentable und somit ungeliebte Mobilfunk-Sparte soll in einem neuen Unternehmen aufgefangen und Stück für Stück wieder groß gemacht werden. Zuvor hatte Microsoft zwei Jahre vergeblich versucht, die Smartphones aus Finnland profitabel zu machen. 2016 zog der US-Konzern dann die Reißleine und stellte die verlustreiche Produktion wieder ein. Hinter den Handys verbirgt sich heute ein finnisches Startup namens HMD Global, das Lizenznehmer der Marke Nokia ist.


Ein Teil der Firmenstrategie basiert, wie bei vielen Konkurrenten in dem hart umkämpften Markt, auf innovativen Smartphones zu attraktiven Preisen. Der andere Teil fußt auf etwas, das nicht unmittelbar in Zahlen und Fakten ausgedrückt werden kann: Nostalgie. Also wurde am Rande von Helsinki damit begonnen, die kultigen Ikonen wie das 3310 oder das wie eine Banane gekrümmte 8110 zu entstauben und ihnen ein dezentes Redesign zu verpassen, um sie damit in die Neuzeit zu hieven.

Der Mann, der die Fäden für HMD Global in den Märkten Deutschland, Österreich und Schweiz in den Händen hat, ist Eric Matthes. Für den Unternehmer sind Feature Phones, also Handys ohne die technische Finessen eines Smartphones, ein wichtiger Bestandteil der Unternehmensstrategie. "Solche Geräte sind ein elementarer Bestandteil des Geschäfts. Wir sind weltweit führend, was Absatzvolumen und Erlös durch solche Geräte angeht". Mit den neu aufgelegten Modellen habe man einen wichtigen Meilenstein erreicht und weltweit bereits 10 Millionen Stück verkauft. Die Marke scheint sich allmählich auf dem Weg der Besserung zu befinden. Das untermauern auch aktuelle Zahlen des Marktforschungsinstituts Canalys, nach denen HMD Global – und damit die Marke Nokia – im zweiten Quartal 2019 wieder zu den Top 5 der wichtigsten Handyhersteller in Europa gehört.

Retro-Fokus tut der Marke Nokia gut


Der letzte Streich der Traditionsmarke aus dem hohen Norden wurde erst kürzlich auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin präsentiert: Die Wiedergeburt des Klapphandys 2720. "Wir haben das Design aufgefrischt und die Innereien an heutige Standards angepasst. WhatsApp ist mit an Bord, da versuchen wir die Grenzen zum Smartphone ein wenig verschwimmen zu lassen", sagt der Nokia-Deutschlandchef. Handys auf Sparflamme scheinen im Trend, bei Nokia verspricht man dem Endverbraucher mit dem Kauf ein "Original" in den Händen halten zu dürfen.

 

Der Retro-Rundumschlag tut der Marke Nokia gut. Laut Matthes hat der Fokus auf die "Originals"-Serie zur Folge, dass Marktanteile, aber auch das Ansehen der Marke im Markt steigen. "Wir haben diese Ikonen wieder ins Leben gerufen, um den alten Glanz der Marke wiederzubeleben. Mit diesen alten Werten konnten wir die Marke wieder gut positionieren. Die Leute erinnern sich noch gut an ihr altes 3310, das zehn Tage mit einer Akkuladung durchgehalten hat", sagt der Unternehmer.

Aus markenpsychologischer Sicht scheint die finnische Traditionsmarke vieles richtig zu machen. Denn der gesellschaftliche Trend geht laut Markenexpertin Brigitte Kleinselbeck in Richtung Minimalismus und Achtsamkeit. Kleinselbeck ist Professorin für Medienmanagement an der Hochschule Macromedia in Berlin und leitet dort das Kompetenzzentrum Markenmanagement und Werbung. "Immer mehr Menschen fühlen sich heute von Technologien überfordert und streben einen achtsameren Umgang mit ihren eigenen Ressourcen an. Schlichtes Design und einfache Handhabung eines Mobiltelefons lenken den Nutzer weniger ab", sagt sie. Man erkenne eine Sehnsucht der Menschen nach dem Leben von früher.

"Normalerweise klatscht niemand für ein einfaches Tastentelefon"

Auch der Automobilsektor beherrscht das Spiel mit der Nostalgie perfekt: Ob Fiat 500, VW Beetle oder Mini – sie alle eint, dass ihre Blaupausen vor vielen Jahrzenten entworfen wurden und für die gute alte Zeit stehen. "Gerade die Automarken machen es vor. Sie punkten in Sachen Innovation und Hochtechnologie. Hier ist lediglich das Design retro geblieben, der Rest ist technisch nicht weniger auf dem Stand der Zeit als bei anderen Automodellen. Fortschritt und Retro-Look schließen sich nicht aus, ganz im Gegenteil", sagt Kleinselbeck.

Dass Retro-Charme keinen Rückschritt bedeuten muss, weiß man auch westlich von Helsinki. HMD Global will die in der Vergangenheit gebeutelte Handymarke nicht nur mit technischen Innovationen wieder auf Erfolgskurs bringen. "Wir sind uns sehr bewusst darüber, dass das Retro-Thema Emotionen bei unseren Kunden hervorruft. Das habe ich bei unserer letzten Pressekonferenz gesehen. Normalerweise klatscht niemand für ein einfaches Tastentelefon. Das war bei den Neuauflagen der alten Modelle ganz anders", freut sich Eric Matthes.

Auch Markenexpertin Kleinselbeck pflichtet bei: "Retro-Marketing kann sehr positive Gefühle auslösen. Da wird eine alte Sehnsucht befriedigt und mitunter auch verklärt, man blendet negative Erinnerungen aus. Wenn es um die Chancen von Retro-Phones geht, muss sich der Anbieter fragen, ob er den Massenmarkt oder spitz zugeschnittene Zielgruppen erreichen will. Beispielsweise Eltern, die ihren Kindern noch kein Smartphone an die Hand geben wollen. Oder Ältere, die auf einfache Handhabung setzen."

Nicht nur Autobauer schwimmen auf der Retro-Welle, sondern neuerdings auch große Technologiekonzerne. Im Fall der Marke Nokia haben die kleinen Handys ohne Touchscreen, mit abgespecktem Betriebssystem und mickrigem Speicherplatz einen großen Teil dazu beigetragen. Wenn es nach Markenexpertin Kleinselbeck geht, könnte der Siegeszug der Retro-Phones auch in Zukunft funktionieren: "Als Modeerscheinung ist der Retro-Trend alles andere als neu. Er ist vielmehr ein dauerhaftes globales Phänomen."

Quelle: n-tv.de


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