EU-Länder bremsen Scholz aus

  08 November 2019    Gelesen: 715
EU-Länder bremsen Scholz aus

Finanzminister Scholz will Bankguthaben EU-weit absichern - und ist dazu bereit, die Position der Bundesregierung aufzuweichen. Doch die EU-Länder reagieren verhalten: Wer weiß schon, ob der Deutsche sich durchsetzt?

Wenn jemand einen politischen Vorstoß als "wichtigen Beitrag" bezeichnet, ist das selten ein gutes Zeichen. So geschah es dem neuen Plan von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, eine EU-weite Einlagensicherung von Bankguthaben einzurichten. Das zwiespältige Lob kam in diesem Fall von Eurogruppen-Chef Mario Centeno, der nicht vergaß, auf die "sehr sensiblen" Teile des Vorschlags hinzuweisen.

Denn die haben es durchaus in sich. Scholz hat in einem achtseitigen Positionspapier seine Vorstellungen über die EU-Bankenunion formuliert. Bemerkenswert ist vor allem, dass der SPD-Politiker damit die bisher betonharte Position Deutschlands aufgibt, über ein europäisches Rückversicherungssystem für Bankguthaben nicht einmal zu reden, bevor in anderen EU-Ländern finanzielle Risiken abgebaut werden.

Nun also prescht Scholz voran, verbindet sein Angebot aber auch mit den bekannten deutschen Forderungen:

  • eine Verringerung der Risiken in den Bankbilanzen, vor allem von ausfallgefährdeten Krediten;
  • einheitliche EU-Regeln für Banken-Insolvenzen, egal wie groß die Institute sind;
  • die Einführung einer Mindestbesteuerung von Unternehmen, um unter den EU-Staaten einen schädlichen Wettbewerb um die niedrigsten Steuersätze zu verhindern;
  • die Bewertung von Staatsanleihen in Bankenbilanzen gemäß ihres Risikos.

Scholz verspricht sich davon eine größere Widerstandskraft des europäischen Bankensystems in Krisenzeiten. Wenn Kunden ihre Einlagen als sicher ansehen, so das Kalkül, ziehen sie im Krisenfall ihr Geld nicht ab und bringen damit die Banken in noch größere Schieflage. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der EU gegenüber den USA und China soll steigen.

Am Donnerstag aber stießen die Ideen des Deutschen bei einem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel auf ein geteiltes Echo. Aus Österreich und den Niederlanden kam Lob für die Forderungen zur Risiko-Reduzierung vor allem in südeuropäischen Ländern. Roberto Gualteri aber, Finanzminister des hochverschuldeten Italiens, wandte sich wenig überraschend gegen die Risikobewertung von Staatsanleihen.

In Steueroasen wie Malta, Luxemburg oder Irland dürften derweil vor allem Scholz' Ideen zur Einführung einer Mindestbesteuerung von Unternehmen für wenig Begeisterung sorgen, da sie das aktuelle Geschäftsmodell dieser Länder untergraben könnten.

Scholz' Vorstoß, so heißt es aus dem Finanzministerium, sei als erster Schritt gemeint, frei nach dem Motto: Deutschland hat sich bewegt, nun sollen sich auch die anderen bewegen. Das Problem daran: Bisher hat zwar Scholz sich bewegt, nicht aber Deutschland. Denn der Plan des Finanzministers, so viel ist inzwischen klar, war nicht mit der restlichen Bundesregierung abgestimmt. Und was nach dieser Abstimmung noch von seinem Vorhaben übrig sein wird, weiß niemand.

Finanzministerium erwartet Einigung der Koalition

Warum aber sollten es Politiker anderer EU-Länder riskieren, sich in brisanten Fragen zu bewegen, wenn sie nicht einmal wissen, ob der Scholz-Plan die nächsten Tage und Wochen überlebt? In Scholz' Finanzministerium hat man darauf nur vage Antworten.

Man sei optimistisch, dass die Koalitionspartner von der Union den Vorschlag zumindest in weiten Teilen akzeptieren, heißt es. Und außerdem habe man ja noch den ganzen November Zeit. Anfang Dezember wollen die Finanzminister über den weiteren Zeitplan zur Vollendung der Bankenunion beraten, sagte Eurogruppen-Chef Centeno am Rande des Ministertreffens in Brüssel.

Im Idealfall, so hofft man im Scholz-Lager, erhält die EU-Kommission anschließend ein breites Mandat zur Ausarbeitung eines neuen Bankenunion-Vorschlags auf Basis des Scholz-Plans. Er könnte dann Mitte 2020 entscheidungsreif sein. Denn von der Bankenunion, die von der EU als Reaktion auf die Finanzkrise beschlossen wurde, sind bisher nur eine stärkere Bankenaufsicht und ein Abwicklungsmechanismus für marode Kreditinstitute umgesetzt.

spiegel


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