So entstand die erste deutsche 30er-Zone

  14 November 2019    Gelesen: 735
So entstand die erste deutsche 30er-Zone

Runter vom Gas, so lautet die Devise ab Ende 1983 in der Innenstadt von Buxtehude. Dort errichtet ein Politiker die erste deutsche Tempo-30-Zone und fängt sich einen unrühmlichen Spitznamen ein. Das Modell schafft den internationalen Durchbruch, bleibt aber umstritten.

Wussten Sie, dass … eine Stadt vor den Toren Hamburgs heute vor 36 Jahren für ein Novum in der Verkehrspolitik gesorgt hat? Am 14. November 1983 richtet Buxtehude die erste Tempo-30-Zone Deutschlands ein. Längst hat das Testprojekt den bundesweiten Durchbruch geschafft, ist aber nach wie vor umstritten.

Freie Fahrt für freie Bürger - damit ist es zumindest ab Anfang der 1980er-Jahre vorbei in der Innenstadt von Buxtehude. Dort müssen Autofahrer nach einer Verordnung des Stadtbaurates Otto Wicht auf die Bremse treten. Bei dem Modellprojekt "Flächenhafte Verkehrsberuhigung" verlangsamt er den Verkehr im Stadtzentrum mit der Wiedereinführung der Rechts-vor-links-Regel und der Installation von 182 tonnenschweren Blumenkübeln.

Der Gegenwind ist Wicht sicher: Schnell verspottet der Buxtehuder Volksmund den Kommunalpolitiker als "Kübel-Otto" und nennt die neu bekübelte Niedrigtempozone "Wichtelgebirge". Doch nicht nur in der norddeutschen Stadt südlich von Hamburg gibt es das Modellvorhaben, auch Berlin-Moabit, das ostwestfälische Borgentreich, das schwäbische Esslingen, Ingolstadt sowie Mainz testen unter Mitwirkung des Umweltbundesamtes.

Schon wenige Jahre später ziehen weitere deutsche Städte nach, das Modell macht Schule - nicht zuletzt wegen geringer werdender Unfallzahlen. Dennoch erhitzt das Thema die Gemüter in Städten wie im ländlichen Raum. Während die einen erhöhte Staugefahr und Einschränkungen der Fahrqualität beklagen, heben andere wiederum den Kampf gegen Raserei und für mehr Umweltschutz hervor.

Mit dem neuen Jahrzehnt in die StVO

Mit der Intention, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, Emissionen zu reduzieren und die Lebensqualität von Verkehrsteilnehmern wie von Anwohner zu verbessern, erhält die Tempo-30-Zone schließlich 1990 im Paragrafen 45, Absatz 1c der bundesweit geltenden Straßenverkehrsordnung einen gesetzlichen Platz. Das System hat sich bewährt, mittlerweile gehören Tempo-30-Zonen in Wohngebieten oder vor Kindergärten und Schulen zum gewohnten Straßenbild der Republik. Auch in anderen europäischen Staaten findet das Modell Anklang, so etwa erlegte sich die südwestfranzösische Stadt Bègles bei Bordeaux erst Anfang Juli dieses Jahres eine flächendeckende Tempo-30-Zone auf.

Trotz des sogar internationalen Durchbruchs werden die Modell-Kritiker nicht leiser. Insbesondere die Automobilbranche und Lobbyverbände beklagen gerade in Zeiten der Dieselkrise und der Verkehrswende die Einrichtung von Tempo-30-Zonen als Aktionismus. Übrigens: Der einst vielfach gescholtene und verspottete Tempo-30-Pionier Otto Wicht aus Buxtehude ist schon sechs Jahre nach seiner Kübel-Aktion von der Deutschen Verkehrswacht mit dem Verkehrssicherheitspreis in Gold ausgezeichnet worden.

Quelle: n-tv.de


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