Putin-Pressekonferenz - Der Überpräsident

  20 Dezember 2019    Gelesen: 990
    Putin-Pressekonferenz   - Der Überpräsident

Seit bald 20 Jahren ist Wladimir Putin an der Macht. Fragen von Journalisten beantwortet er nur selten - schon gar nicht zum Ende seiner Amtszeit. Auf seiner Pressekonferenz gibt er nun allerdings ein Signal.

In diesem Jahr schwenken die Journalisten sogar Ikonen, Bauhelme und Tücher mit Wladimir Putins Gesicht. Fast 1900 Medienvertreter sind an diesem Donnerstag in das Moskauer Handelszentrum gekommen, die meisten von ihnen vertreten russische staatliche Medien, einige ausländische Berichterstatter sind auch dabei.

Putins Presseshow - sie ist in diesem Jahr 77 Fragen lang, wird wie immer live von allen staatlichen Sendern übertragen. Knapp 20 Jahre ist es nun her, dass Boris Jelzin in seiner Neujahrsansprache seinen Rücktritt verkündete und Putin, damals Premier, als seinen Nachfolger empfahl.

Gegenüber den Medien ist Putin nicht offener geworden in den vergangenen Jahren, selbst die Journalisten des Kreml-Pools sehen den Präsidenten häufig nur auf dem Fernsehbildschirm.

Nichts wird dem Zufall überlassen

Deshalb ist das Ereignis im Moskauer Handelszentrum eine der wenigen Möglichkeiten, Einblicke in Putins Welt zu bekommen. Allerdings ist es ein Ritual mit einseitigen Regeln, das Putin bereits zum 15. Mal abhält.

Für die Journalisten ist es nicht gerade würdevoll, wie sie gegeneinander darum ringen müssen, endlich drangenommen zu werden. Putin und sein Sprecher Dmitrij Peskow wählen per Fingerzeig aus, wer Fragen stellen darf. Und natürlich wird auch bei dieser Veranstaltung wenig dem Zufall überlassen.

Putin hat Themen, über die er sprechen will - und solche, die er meidet. Wenigen Vertretern von kritischen russischsprachigen Medien wird das Wort erteilt. Die wochenlangen Proteste im Sommer in Moskau? Sie bleiben am Donnerstag unerwähnt. Und die mutige Frage einer russischen BBC-Journalistin nach den Geschäften von Putins Töchtern bügelt der Präsident schnell ab.

Eine Journalistin vom wirtschaftsliberalen Medium RBK will wissen, ob die Union, die Putin derzeit mit Weißrussland neu verhandelt, nicht dazu diene, dass er nach 2024 im Amt bleiben könne - dann eben als Präsident eines Unionsstaats Russland-Weißrussland, eines neuen staatlichen Konstrukts. Damit würde er die russische Verfassung umgehen, die nur zwei Präsidentschaften in Folge vorsieht.

Der Kremlchef übergeht die Frage einfach.

In drei Jahren endet Putins Amtszeit - laut Verfassung darf er dann nicht mehr antreten. Eigentlich. Und was dann? Schon einmal hat er mit Premier Dmitrij Medwedew das Amt getauscht. Plant Putin das wieder? Was hat er vor? Will er eine "weißrussische Lösung" - oder gar die Verfassung ändern?

Das sind Fragen, die zuletzt viel diskutiert wurden in Russland, auch wenn Kremlsprecher Peskow diese immer wieder abwimmelt. Ein älterer Journalist aus dem Kreml-Pool erkundigt sich nach dem Nachfolger von Putin und schiebt an den Präsidenten gewandt hinterher: "Wir wollen sie nicht gehen lassen."

Ein Putin denkt nicht einfach laut nach

Vorher hat der Präsident noch laut über Änderungen der Verfassung nachgedacht - jetzt sagt er: Man könne doch im Passus über die maximal zwei Amtszeiten in Folge die letzten beiden Wörter streichen. Also zwei Amtszeiten. Punkt. Es ist ein Signal, das er sicher nicht zufällig setzt, denn ein Putin denkt nicht einfach so laut nach. Er deutet damit also an, dass er die Amtszeiten eines Präsidenten in der Verfassung nicht ausweiten will. Das hieße, für ihn wäre erst einmal 2024 Schluss, was russische Medien auch gleich so vermelden.

Ob das am Ende wirklich so kommt, weiß nur einer: er selbst. Das gilt auch für die Ausweitung der Rechte des Parlaments sowie die Funktionen des Präsidenten und der Regierung, die er für möglich hält. Was das genau heißen könnte, sagt Putin allerdings nicht.

Der Fall des erschossenen Georgiers in Berlin

Dafür spricht er lieber viel über die Ukraine, erneuert seine Forderungen, dass Frieden im Donbass nur mit dem Minsker Abkommen möglich sei, das es einzuhalten gelte. Moskau hält daran fest, weil es erst Wahlen abhalten will, bevor es die Kontrolle der Grenze an Kiew übergibt.

Das ist wenig überraschend, auch Putins Behauptungen, dass alle Vorwürfe gegen Trump frei erfunden seien und das Impeachment-Verfahren nur benutzt werde, um dem US-Präsidenten zu schaden, Russland sich nie in Wahlkämpfe eingemischt habe, sind nicht neu.

Einzig überraschend ist, dass Putin auf Nachfrage des SPIEGEL zugibt, dass es kein russisches Rechtshilfeersuchen im Fall des erschossenen Georgiers Khangoshvili im Kleinen Tiergarten in Berlin gab. Das hatte der Präsident noch auf dem Normandie-Gipfel in Paris behauptet. Nun sagt er, es habe nur Gespräche auf Geheimdienstebene gegeben. Es wirkt, als sei der Staatschef bemüht darum, die russisch-deutschen Beziehungen nicht weiter zu belasten.

"Ein gutes neues Jahr allen"

Die russischen Journalisten aus den Regionen des Landes stöhnen bei solchen außenpolitischen Fragen: Sie wollen lieber über Müllprobleme, Straßenbau und die schlechte Qualität von Medikamenten reden.

Putin ist dann ganz in der Rolle des Kümmerers, den er gern gibt: Seine Presseshow wird dann zur Sozialstunde, allerdings bleiben seine Antworten meistens schwammig. Da die Fragen oft milde ausfallen, sogar mit einem Dank an Putin beginnen, Nachfragen nicht erlaubt sind, kann Putin seine Show weitgehend ungestört durchziehen.

Nach vier Stunden und 18 Minuten hat er dann genug: Putin sagt "Ein gutes neues Jahr allen" und steht auf. Die Journalisten mit Bauhelm und Tuch hatten dieses Mal keine Chance.

spiegel


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