Boris de Groot, 39, Techniker, überwacht die Produktion von Beatmungsgeräten

  28 April 2020    Gelesen: 1069
Boris de Groot, 39, Techniker, überwacht die Produktion von Beatmungsgeräten

Das öffentliche Leben steht in der Coronakrise still, doch einige Menschen halten die Gesellschaft am Laufen. Hier kommen sie zu Wort.

Noch immer wissen Forscher und Ärzte wenig über das Coronavirus. Ein wirksames Medikament gegen die Symptome oder ein Impfstoff fehlen nach wie vor. Eins aber ist klar: Verläuft eine Infektion schwer, müssen Erkrankte häufig beatmet werden, in Italien betraf das jeden zehnten Patienten.

Doch die Maschinen sind rar, in Italien stieg vor Kurzem gar Ferrari in die Produktion ein. In Deutschland erhielten mehrere Unternehmen Großaufträge - auch durch die Bundesregierung. Die Firma Dräger in Lübeck soll binnen kürzester Zeit 10.000 Geräte liefern, die dann an Kliniken im Land verteilt werden.

Boris de Groot, 39, ist Teamleiter im Bereich Intensivbeatmung bei Dräger und beaufsichtigt die Produktion der Geräte:

"Ich bin Frühaufsteher, normalerweise bin ich morgens einer der ersten in der Firma. Gerade ist hier aber nichts so wie immer. Seit einigen Wochen arbeiten wir im Schichtbetrieb und ich bleibe regelmäßig bis nachts um halb drei in der Firma komme dann erst am späten Nachmittag ins Büro. Die Schichten wechseln wochenweise. Zum einen können wir so mehr Geräte herstellen, zum anderen minimieren wir damit das Ansteckungsrisiko für die Mitarbeiter.

In der Sparte Beatmungsgeräte, in der ich tätig bin, haben hat sich die Aufträge Nachfrage seit Beginn der Krise um ein Vielfaches gesteigert. Als es in China losging, haben wir das direkt gemerkt, Anfang des Jahres stieg plötzlich die Nachfrage für den chinesischen Markt. Da war die Krankheit für die Menschen in Europa noch weit weg, auch für uns hier in Lübeck. Jetzt verbuchen wir pro Tag ungefähr so viele Auftragseingänge, wie sonst in einem Monat.

Unsere Geräte werden im Krankenhaus eingesetzt, wenn ein Patient nicht mehr selbstständig atmen kann, etwa weil er im Koma liegt oder eben eine schwere Covid-19-Erkrankung durchmacht. Wir merken in unserer Firma genau, was draußen in der Welt passiert und wo das Virus gerade besonders wütet. Mir passiert es momentan fast täglich, dass ich Aufträge aus einer Region erhalte und am nächsten Tag in den Nachrichten sehe: Dort steigt die Zahl der Fälle gerade rasant.

Italien war so ein Beispiel. Die Geräte für unsere italienischen Kunden haben wir noch am Donnerstag und Freitag fertig produziert. Übers Wochenende sind sie per Eiltransport verschickt worden. Und am Montag bekam ich schon ein Foto per Mail, da waren die Geräte bereits im Einsatz. Da bekommt man einen ganz neuen Bezug zur Krise. Ich sage meinem Team immer: Wir arbeiten alle für unsere eigenen Familien, für unsere Freunde und Bekannten. Wir haben in Italien gesehen, was passiert, wenn Beatmungsgeräte knapp werden. Das möchte hier keiner erleben.

Vor Corona fand ich es manchmal schwer, auf einer Familienfeier in wenigen Sätzen zu erklären, was ich denn beruflich mache. Jetzt können alle etwas mit dem Begriff Beatmung anfangen. Den Zuspruch, den man jetzt erhält, freut einen natürlich.

Doch die Situation bringt auch schwierige Entscheidungen mit sich: Wir können aktuell nämlich nicht alle Aufträge bedienen, auch wenn wir unser Bestes dafür geben, das zu schaffen. Wir versuchen deshalb, die Aufträge danach zu gewichten, wo die Not aktuell am größten ist. Momentan ist das nach wie vor Italien, jetzt kommt noch Spanien hinzu. Wir haben eine eigene Abteilung, die sich um die Priorisierung der Aufträge kümmert, um diese belastende Aufgabe beneide ich die Kolleginnen und Kollegen nicht."

spiegel


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