Im Rechtsstreit zwischen der Zentralbank Venezuelas und der „Bank of England“ – der britischen Zentralbank – um den Verkauf venezolanischer Goldreserven bahnt sich laut aktuellen Medienberichten eine überraschende Wende mit deutscher Beteiligung an.
Demnach pocht auch die skandalträchtige Deutsche Bank auf einen angeblichen Anspruch, der etwa 20 Tonnen des venezolanischen Staatsgoldes umfassen soll. Aktuell laufen dazu an einem Handelsgericht in London Verfahren und Anhörungen. Laut Medien ist der „Commercial Court“ in der britischen Hauptstadt das dafür zuständige Schiedsgericht. Es handelt sich dabei um das sogenannte Hauptaufsichtsgericht für Schiedsverfahren in London.
Den in London laufenden Prozess und die Forderung der Deutschen Bank hatten Medien und Politik bis vor kurzem noch geheim gehalten, verschwiegen bzw. nicht weiter erwähnt. Erst die internationale Nachrichtenagentur Bloomberg vermeldete in einer spanischsprachigen Pressemeldung am 28. Mai diese Neuigkeit.
„An diesem Tag fand nämlich die erste Verhandlungsrunde im Streit um das venezolanische Gold in London statt“, berichtet RT in einem aktuellen Kommentar. Venezuelas Regierung unter Präsident Nicolás Maduro „fordert die Rückgabe eines Teils des venezolanischen Staatsbesitzes von 31 Tonnen Gold im Gegenwert von rund einer Milliarde US-Dollar.“
Rechtliche Schritte gegen die Bank of England hatte Venezuela bereits Mitte Mai eingeleitet. Caracas wirft London dabei vor, widerrechtlich Gold einzubehalten, das dem südamerikanischen Land zustehe. Es gehe um einen Wert von rund einer Milliarde US-Dollar, der als Teil der nationalen Gold-Reserven Venezuelas in London lagert. Derzeit soll das Handelsgericht in der britischen Hauptstadt prüfen, wem das Edelmetall zusteht und gehört.
„Gold zur Finanzierung von Corona-Hilfeleistungen“ – Finanz-Medien
In den letzten Monaten hatte „Venezuela versucht, über die Vereinten Nationen als Vermittler an das Gold zu kommen“, so Finanzmedien. Erklärtes Ziel des Landes „war es, durch den Verkauf des Goldes Liquidität zur Finanzierung der Corona-Folgen einzusetzen. Die Sache soll nun vor einem Handelsgericht in London geklärt werden.“
Dass Staaten – darunter auch Deutschland – ihre jeweiligen nationalen Edelmetall-Reserven in britischen oder US-amerikanischen Banken und Tresoren lagern, ist seit dem Kalten Krieg ein gängiges Mittel der internationalen Politik. Dies geschehe meist „aus Sicherheitsgründen“, wie es immer wieder heißt. Unvorteilhaft für einen Staat wird es nur, wenn das eingeforderte Gold nicht herausgerückt wird. Wie jetzt im Fall Venezuelas.
Das lateinamerikanische Land scheint auf das Gold dringend angewiesen. „Venezuela ist praktisch bankrott“, berichtete die Zeitung „Die Welt“ bereits vor einem Jahr. Das Einzige, was der finanziell am Boden liegende Staat noch besitze, „ist das Gold der Notenbank“. Das Edelmetall soll nach dem Willen der Venezolaner jetzt aus London zurückgeholt werden. Doch nun hat sich zusätzlich noch ein anderer, in Deutschland wohlbekannter Akteur dazwischen geschaltet.
„Deutsche Bank spricht mit Gericht in London“ – RT
Wie aus einem Kommentar bei RT hervorgeht, seien bereits Vertreter der Deutschen Bank beim Londoner Schiedsgericht vorstellig geworden.
Die Bank erhebt demnach „Anspruch auf 20 Tonnen vom venezolanischen Gold, das ebenfalls in den Gewölben der britischen Bank lagert“.
Dieser umfangreiche Bestand an Edelmetall stamme „von der Absicherung für einen mit der venezolanischen Regierung abgeschlossenen Kreditvertrag über 750 Millionen US-Dollar aus dem Jahr 2016. Die Laufzeit des Kredits sollte allerdings bis 2021 dauern. Da Venezuela die Zinszahlungen jedoch bis jetzt nicht mehr bedienen konnte, fordert die Deutsche Bank nun diese Garantie für sich ein. Allerdings steigerte sich inzwischen der damalige Wert des Edelmetalls und legte im Fall der Garantien für die Deutsche Bank um rund 123 Millionen US-Dollar zu. Der Karibikstaat hat Anspruch auf diese Differenz.“
Sputnik berichtete bereits im Juni 2019 über diese Tatsache. „Die Deutsche Bank hat 20 Tonnen venezolanisches Gold im Rahmen eines Kreditvertrags beschlagnahmt, weil das Land seine Zinszahlungsfristen versäumt haben soll: Darüber berichtete Bloomberg unter Berufung auf informierte Quellen“, hieß es damals.
„Gold-Krieg“: Feuert Trump bald gegen Deutsche Bank?
Die RT-Autorin vermutet allerdings, dass die US-Regierung unter Donald Trump der Deutschen Bank noch einen Strich durch diese Rechnung machen könnte. Das deutsche Kreditinstitut könnte demnach noch „von der Trump-Regierung beschuldigt werden, gegen die Wirtschaftssanktionen zu verstoßen, und ebenfalls sanktioniert werden, falls sie diese 123 Millionen Wertzuwachs an Venezuela erstattet“.
Die Geschäftsführung der Deutschen Bank wolle deshalb wissen, „wem dieser Wertüberschuss zusteht: Der venezolanischen Regierung unter Präsident Maduro oder dem Anführer eines Teils der Opposition in Venezuela, Juan Guaidó. Letzterer wird zwar von 50 Staaten als angeblich rechtmäßiger Präsident des Landes anerkannt, doch weitere 150 Staaten erkennen ihn als solchen nicht an.“ Momentan besitze dieser „politische Schüler Trumps“ nur noch wenig Rückhalt in seiner Heimat. Guaidós Verbindungen zu korrupten Kreisen, Drogenkartellen und zu einer durch Staatsgelder finanzierten und umstrittenen US-Söldnertruppe hätten sein Ansehen im eigenen Land schwer beschädigt.
Ein britisches Handelsgericht soll also „nun den Präsidenten Venezuelas bestimmen“, fährt der Kommentar fort.
Doch es sei mehr als fraglich, ob ein solches Unterfangen nicht bei weitem die Kompetenzen eines Handelsgerichtes übersteige. Das Londoner Gericht befasse sich demnach mit komplexen Fällen, die sich aus nationalen und internationalen Geschäftsstreitigkeiten ergeben. Ein besonderer Schwerpunkt liege auf dem internationalen Handel, auf Banken, Versicherungen und Rohstoffen.
Es mutet bizarr an, so RT weiter, „dass ein solches Handelsgericht die politische Qualifikation und Definitionsgewalt besitzen soll festzulegen, wer der rechtmäßige Präsident eines Landes sei. In der Folge könnte so das Staatsvermögen einer ganzen Nation enteignet werden.“
Maduro oder Guaidó? – die ewige Frage der Anerkennung
Momentan „erkennt die Bank of England die amtierende Regierung von Präsident Maduro sowie die Verwaltung der venezolanischen Zentralbank nicht an, da Großbritannien den selbsternannten Interimspräsidenten Guaidó als legitimen Staatschef unterstützt.“ Das meldete „Amerika21“, ein Fachmagazin für Lateinamerika, am Donnerstag.
„In einer ersten Anhörung kündigte das Londoner Gericht die Aufnahme des Verfahrens ab dem 22. Juni an.“ Venezuelas Zentralbank-Vorsitzende Calixto Ortega erwarte angesichts der dringlichen Situation „ein unbehindertes und schnelles Verfahren“.
Ein Gericht in London müsse nun entscheiden, welcher Staatsführer im Fall des Venezuela-Goldes „anerkannt werden soll“, berichtete die britische Tageszeitung „The Guardian“ Ende Mai. „Großbritannien erkennt Guaidó als Interimspräsident des Landes an und argumentiert, Präsident Maduro habe die Wahlen 2018 manipuliert. (…) Das Londoner Gericht hat angekündigt, dass es entscheiden muss, welche der sich duellierenden politischen Fraktionen Venezuelas anzuerkennen ist, bevor es über die Forderung von Präsident Maduro an die Bank of England entscheidet, Gold zu übergeben, das das Land in seinen Tresoren hat. Venezuela lagert seit Jahrzehnten Gold, das einen Teil seiner Zentralbankreserven ausmacht, in den Tresoren ausländischer Finanzinstitute, einschließlich der Bank of England, die Entwicklungsländern Goldverwahrungsdienste anbietet.“
Schon im vergangenen Jahr hatte sich die britische Notenbank laut der Nachrichtenagentur „Reuters“ mehrfach geweigert, „das von der Regierung angeforderte Gold auszuliefern. Man erkennt Präsident Maduro nicht als legitimes Staatsoberhaupt Venezuelas an.“
Das südamerikanische Land weist laut der John-Hopkins-Universität aktuell weiterhin steigende Zahlen von Covid-19-Infizierten auf. Die ohnehin allgemein angespannte Versorgungslage werde durch Quarantänemaßnahmen in der Corona-Krise nur noch weiter verschärft.
sputniknews
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