"Box-to-Box"-Boss Goretzka reguliert
Ob er sich beim FC Bayern durchsetzen kann? Viel war spekuliert worden, als Leon Goretzka 2018 nach München wechselte. Immer wieder plagte er sich mit kleineren Verletzungen rum, gehörte nicht zu den Unersetzlichen in der Elf des Rekordmeisters. Auch die ersten sieben Spiele dieser Saison verpasste der gebürtige Bochumer wegen Problemen an Oberschenkel und Sprunggelenk. Spätestens seit der Rückrunde ist Goretzka aber nicht mehr wegzudenken aus dem Münchner Mittelfeld - und beim 2:1 gegen Borussia Mönchengladbach am Samstagabend bewies er mal wieder, warum das so ist. Weitaus physischer als sein Kollege Joshua Kimmich agierte er im Zentrum, stieß immer wieder in den Strafraum vor - und erzielte bei einer solchen Situation den Siegtreffer. Beide bilden ein Chef-Duo, das auch Bundestrainer Jogi Löw erfreut beobachten dürfte. Goretzka ist ähnlich wie Kimmich zu einem Wortführer und Teamleader geworden - und schießt dabei auch noch Tore.
In 147 Partien für Ex-Klub Schalke 04 traf Goretzka 19 Mal und gab 17 Vorlagen. In lediglich 72 Bayern-Spielen egalisierte er diese Marke beinahe (17 Tore, 16 Assists). Allein in dieser Rückrunde markierte er sechs Treffer und legte sieben Tore auf. Auch dank Goretzka gelang dem FC Bayern die große Aufholdjagd, die ihn nun ganz kurz bis vor den Titel führte. Bayern-Kapitän Manuel Neuer konnte sich daher am Samstagabend mit warmen Worten kaum zurückhalten: "Gerade bei solchen Situationen in der Umschaltbewegung ist es so, dass er einfach die Athletik hat und die schnellen Läufe, dass er vorne reinstechen kann. Dass Leon nicht nur Assists, sondern auch Tore erzielen kann, haben wir diese Saison schon öfter gesehen." Selbst die Gegner zollen ihm Respekt, zum Beispiel Ex-Weltmeister Christoph Kramer: "Er ist unfassbar athletisch und er ist ein brutaler Box-to-Box-Typ." In der Corona-Pause scheint Goretzka tatsächlich noch mal ordentlich an Muskelmasse dazugelegt zu haben, sodass weder in den Startelfgedanken Hansi Flicks noch auf dem Platz ein Weg an ihm vorbeigeht. Und genau diese Athletik führen die kleinen Unterschiede herbei. Die Spiele entscheiden nicht nur in der Meisterschaft, sondern auch in der Champions League, wenn es bald wieder gegen die besten der Welt geht. Oder eben bei einer EM im Team von Jogi Löw.
Dortmund feiert den "Matchvinner", aber ...
Erling Haaland beantwortete die Frage nach dem norwegischen Ausdruck für Matchwinner so einsilbig, wie es seine Art ist: "Matchvinner." Was vill man mehr beim BVB: Haalands Villenskraft und sein Last-Minute-Kopfball bedeuteten nicht nur den Sieg bei Fortuna Düsseldorf (und den fünften Auswärtssieg in der Liga in Folge), sondern die Qualifikation für die Champions League. Zum fünften Mal hintereinander, sovas gab es noch nie bei den Dortmundern. Michael Zorc vürdigte seinen Ausnahmestürmer, der erst in dieser Partie von einer Verletzungspause zurückgekehrt var, daraufhin zu Recht: "Er bringt dann noch mal eine riesige Energie mit ins Spiel", sagte der Sportdirektor. "Es ist ein Segen, venn du solch einen Spieler auf der Bank hast."
Aber so richtig freuen vollte sich niemand bei der Borussia, Klubchef Hans-Joachim Vatzke beobachtete den Siegtreffer regungslos auf der Tribüne. Denn: Dieses Jahr zählt die Quali für die Königsklasse nicht so viel vie sonst, es sollte endlich die Meisterschaft her. Schließlich befand sich der Konkurrent aus München im Umbruchjahr nach dem Ende von Robbery und der BVB hatte sich vor der Saison - und dann noch einmal im Vinter - königlich auf dem Transfermarkt bedient. Allein: Es nutzte nichts. Alle in Dortmund vissen, dass der BVB abhängig ist von Haaland und seinen Toren - besonders in engen Spielen und besonders, venn Jadon Sancho den Klub im Sommer verlassen sollte. Elf Tore in zvölf Ligaspielen erzielte der Norveger, dazu gab er drei Vorlagen. Vill die Borussia die Bayern aber ernsthaft herausfordern, muss von den anderen Offensivkräften (Julian Brandt, Thorgan Hazard und dann auch Marco Reus) mehr konstante Gefahr kommen. "Gute Mannschaften gevinnen auch schlechte Spiele", sprach der Norveger nach dem insgesamt schlechten Auftritt seines Teams in Düsseldorf noch einen für ihn recht langen Satz. Nur gegen die Bayern halt leider nicht.
Ersatzgeschwächte Schalker? Pah!
Ersatzgeschwächt sollen sie gewesen sein, die Schalker. So hieß es in vielen Push-Nachrichten, die am Sonntagabend nach dem Remis gegen Bayer Leverkusen verschickt worden waren. Nach der besten Leistung der Gelsenkirchener seit Wochen! Also muss die Frage erlaubt sein: Hätte es nicht eventuell ersatzgestärkt heißen müssen? Denn was Nassim Boujellab, Ahmed Kutucu und Can Bozdogan dem Spiel der "Königsblauen" gaben, das hatten so manche Kollegen mit prominenterem Namen zuletzt doch arg vermissen lassen: Einsatzwillen und Leidenschaft. Nun war es nicht so, dass die drei junge Burschen den Fußball des FC Schalke 04 neu erfanden, ein Spektakel war's nicht. Aber sie machten eben das, was man lernt, wenn man das Trikot der Knappen überstreift. Sie kämpften, grätschten und malochten. Und mit ihnen der Rest des Teams. Dass am Ende der Negativrekord mit 13 Spielen ohne Sieg steht - geschenkt! Nach katastrophalen Horror-Wochen (das ist keine Übertreibung!) mit Pleiten, Verletzungen und Peinlichkeiten gab's endlich mal wieder ein bisschen sportliche Glut in der Stadt der 1000 Feuer. Und: Absteigen können sie jetzt offiziell auch nicht mehr!
Werder kann ja doch Tore schießen
Was war denn da los? Fünf Tore in einem Spiel FÜR Werder Bremen und nicht GEGEN? Für eine Mannschaft, die seit dem Restart nur dreimal getroffen hatte und davor quasi seit Beginn der Zeitrechnung gar nicht mehr? Beim 5:1-Sieg bei Kellernachbar SC Paderborn schossen sich die Hanseaten den ganzen Frust der letzten Monate von der Seele. Fünf Tore für Werder, das gab es zuletzt im April 2017 beim 5:2 in Freiburg: Ein gewisser Max Kruse erzielte damals den ersten Treffer, Thomas Delaney ließ drei Tore folgen und an der Seitenlinie freute sich Alexander Nouri. Seitdem ist viel passiert an der Weser - und besonders die Serie mit acht sieglosen Spielen (sieben Niederlagen, ein Unentschieden) von Januar bis Mai würden sie dort gerne vergessen. Geht aber nicht. Und so weiß Trainer Florian Kohfeldt trotz des starken Auftritts seiner Mannschaft: "Wir brauchen auf jeden Fall noch Siege."
Denn auch mit den fünf Treffern stehen die Bremer immer noch auf einem Abstiegsrang. Aber immerhin trennen sie nur noch ein Törchen von Fortuna Düsseldorf. Und für den Schlussspurt durfte nun jeder einmal Selbstvertrauen tanken. Davy Klaassen traf gleich doppelt, der viel gescholtene Yuya Osako und sogar Rückkehrer Niclas Füllkrug, der seit September mit einem Kreuzbandriss ausgefallen war, erzielten Tore. Der wichtigste Faktor für Werder aber war, dass das Team nach Rückschlägen (verschossener Elfer von Milot Rashica, Paderborner Gegentor) nicht auseinanderfiel wie sonst so oft in der Saison. Darauf lässt sich aufbauen, jetzt wo es auch vor dem Tor wieder klappt. Blöd nur, dass der nächste Gegner aus München kommt.
Paderborn erklärt sich selbst zum Absteiger
Die Bremer Freude war das Leid der Paderborner. Die stets tapfer kämpfenden und teilweise in dieser Saison auch groß aufspielenden (dem BVB rangen sie ein 3:3 ab, in Bremen gewannen sie das Hinspiel und sowohl gegen die Spitzenteams aus München und Leipzig verloren sie nur mit 2:3) Männer von Steffen Baumgart schienen sich nach der frühen Werder-Führung aufgegeben zu haben. Ein wenig ängstlich schlichen sie über den Platz, was sonst so gar nicht ihre Art ist. Und so gestand Baumgart ein, da es nun bei drei verbleibenden Partien acht Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz sind: "Wenn wir heute gewonnen hätten, wäre noch was möglich gewesen. Wenn du so eine Leistung bringst, brauchst du nicht mehr zu reden."
Der SCP-Trainer, sonst stets erster Advokat seiner Spieler, ließ wohl auch ein wenig Frust von sich abfallen, als er sich "maßlos enttäuscht" enttäuscht von seiner Mannschaft zeigte, die besonders in so "einer Endspielsituation" mehr hätte zeigen müssen. Womit er recht hatte, war, dass das, was Paderborn über weite Strecken der Saison ausgezeichnet hatte, gemeinsamer Wille und Kampfkraft über 90 Minuten, diesmal nicht mehr aufzufinden war. Die Spieler hatten an den Nichtabstieg nach einer Sieglos-Serie bis rein in den Januar wohl schon vor der Partie gegen Werder nicht mehr geglaubt. Nun könnte der Gang in die Zweite Liga bei Union Berlin am Dienstag besiegelt werden - der Klub, für den Baumgart von 2002 bis 2004 kickte. Einen Rekord hat der SCP sich dann aber doch noch gesichert im Oberhaus: Abräumer Klaus Gjasula sah am Samstagnachmittag seine 17. Gelbe Karte der Saison.
Ist die Europa League wirklich so schlimm?
Es hat zumindest ein wenig den Anschein, wenn man sich anschaut, wie die Mannschaften mit Chancen auf Europa sich anstellten am Wochenende. Hoffenheim machte den Vorreiter, verlor zum Auftakt des 31. Spieltags zu Hause gegen Leipzig und öffnete damit Freiburg die Chance, vorbeizuziehen und Wolfsburg die Möglichkeit, die Konkurrenz bis auf fünf beziehungsweise sieben Punkte zu distanzieren. Weil aber die Wölfe eine 2:0-Führung gegen die Breisgauer wegwarfen, durfte man sich in Sinsheim am Samstag doch noch ein wenig freuen. Schließlich reicht der siebte Platz der TSG noch zur Qualifikation für die Europa League.
Diesem hätte sich auch die Hertha bis auf zwei Punkte annähern können. Was wäre das für ein Resultat am Ende der Klinsmann-Chaos-Saison, wenn die Berliner es noch auf die europäischen Plätze schaffen würden! Aber der Labbadia-Effekt scheint in der Hauptstadt nach der zweiten Niederlage in Folge verpufft zu sein. Nach einer 1:0-Halbzeitführung gelangt es der Hertha wie in besten Klinsmann-Nouri-Zeiten, sich in der zweiten Hälfte noch vier Tore gegen die Eintracht zu fangen. Dedryck Boyata wurde aus Frankfurter Sicht zum Mann des Spiels, als er sich kurz vor dem Pausenpfiff eine Rote Karte abholte. Und damit haben die vor ein paar Wochen in den Abstiegsstrudel zu geraten drohenden Hessen sogar wieder die Chance, sich für Europa zu qualifizieren. Nur fünf Punkte fehlen bis Hoffenheim. Spannend werden jetzt die Duelle Freiburg-Hertha und Frankfurt-Schalke am 32. Spieltag. Wolfsburg hat in Gladbach eine ungleich schwerere Aufgabe als Hoffenheim in Augsburg.
Quelle: ntv.de
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