Die seltsame Rolle von Uli Hoeneß

  15 September 2020    Gelesen: 609
Die seltsame Rolle von Uli Hoeneß

Kaum taucht Uli Hoeneß wieder auf der Bildfläche auf, raschelt es im Blätterwald. Sein Auftritt im "Doppelpass" sorgt für heftige Diskussionen und wirft Fragen auf: Was wussten die Bayern-Offiziellen von dem, was Hoeneß da erzählen würde? Und hat der Ehrenpräsident etwa einen neuen Job?

"Ich traue mir jedes Amt zu, auch das des Papstes. Und technisch würde ich es wohl auch gut machen", hat Uli Hoeneß einmal gewohnt selbstbewusst gesagt. Nun ist er eigentlich Fußball-Pensionär oder wie er es nennt: "Wohlfühldirektor". Was das genau ist? Die Frage scheint seit Hoeneß' Auftritt beim Sport1-Doppelpass am vergangenen Sonntag durchaus berechtigt. Denn irgendwie mutet es seltsam an, dass ein Mann - ohne offiziellen Posten beim größten und finanzstärksten Fußballklub Deutschlands - scheinbar immer noch direkte und tiefe Einblicke in die Vereinsinterna hat.

Und genau deshalb waren seine Worte in der populären Talkrunde wohl eher nicht spontaner Natur. Auch wenn sich der ehemalige Bayern-Manager, Präsident und Aufsichtsratsboss in der Vergangenheit gerne einmal um den eigenen Kopf und Kragen geredet hat, wirkte seine öffentlichkeitswirksame Attacke auf den Berater von David Alaba wie abgesprochen und gezielt gesetzt. Der mögliche Plan hinter den scharfen Worten gegenüber Pini Zahavi ("geldgieriger Piranha"): Die aktuell agierenden Bayern-Verantwortlichen aus der Schusslinie nehmen, Alaba und seinen Vater auf die richtige Seite ziehen und schlussendlich die Frage der Schuld - warum die Verhandlungen immer noch nicht abgeschlossen sind - eindeutig in die Schuhe des israelischen Beraters zu schieben. Ob dieser Plan allerdings in seiner Gänze aufgeht, darf man nach den Reaktionen von Alaba und seinem Vater vorerst allerdings bezweifeln.

"Hoeneß muss sein Würstchen in jeden Topf hängen"

Als Hoeneß noch im Tagesgeschäft aktiv war, ist es häufiger so gewesen, wie es die "Frankfurter Rundschau" dereinst beschrieb: "Uli Hoeneß muss sein Würstchen in jeden Topf hängen, obwohl doch niemand nach Senf gerufen hat." Natürlich hört sich der 68-Jährige immer noch gerne reden und er genießt die öffentliche Aufmerksamkeit, doch im Falle des österreichischen Nationalspielers ist es auch vor dem TV-Auftritt am Sonntag bereits so gewesen, dass sich Hoeneß mittel- und unmittelbar durch spezielle Äußerungen in die schwierigen Vertragsgespräche eingemischt hat.

Auch wenn der frühere Erfolgstrainer des FC Bayern, Udo Lattek, einmal meinte, er "kenne keinen raffgierigeren Menschen als Uli Hoeneß", hat der Weltmeister von 1974 nach seinem Antritt als Bayern-Manager im Jahr 1979 selbst stets versucht, die Kaderplanung eher nach diesen Worten auszurichten: "Wir wollen nur solche Spieler in unsere Mannschaft haben, denen wir das Bayernemblem ins Herz pflanzen können. Ein Profi, der nur bei uns absahnen will, ist nicht unser Mann." Unter Umständen legt er sich deshalb bei Alaba auch besonders ins Zeug. Denn der gebürtige Wiener ist bereits seit seinem 16. Lebensjahr beim FC Bayern München. Ein Spieler also ganz nach dem Geschmack von Hoeneß. Und wenn der 28-Jährige nun tatsächlich einen neuen Vertrag über vier oder fünf Spielzeiten unterschreiben sollte, dann würde Alaba endgültig den Status einer Vereinslegende einnehmen.

Die Sache mit dem Geld

Doch bevor die Unterschrift des Bayern-Verteidigers erfolgen kann, muss erst einmal die Sache mit dem vielen Geld geregelt werden, um das es, wie Hoeneß es sieht, einzig und allein noch geht. Eigentlich sollte das ein Thema sein, das unter vernünftigen Verhandlungspartnern aus der Welt zu schaffen sein sollte - gilt doch auch hier wie immer die alte Hoeneß' Regel: "Die Wahnsinnspreise zahlen wir sicherlich nicht, aber die mittleren Wahnsinnspreise könnte ich mir schon vorstellen."

Eines hat der "Wohlfühldirektor" ohne offizielle Befugnisse des FC Bayern, Hoeneß, mit seinem jüngsten polternden Auftritt nun in jedem Fall geschafft: Die Karten und die Rollenverteilung liegen jetzt endgültig auf dem Tisch. Das geheime Pokerspiel hinter verschlossenen Türen ist beendet. Ob Hoeneß - und vermutlich mit ihm zusammen die Bayern-Offiziellen - dabei schlussendlich die richtige Strategie gewählt haben, wird sich in den kommenden Tagen und Wochen zeigen, wenn man alle Schritte einzeln im Rückblick bewerten kann.

Eine Sache hat Hoeneß mit seinen Worten allerdings jetzt schon deutlich gemacht: Alaba trifft eine Entscheidung, die weit über "ein, zwei oder drei Millionen" mehr oder weniger hinausgeht. Mit seiner Unterschrift wäre sich der Österreicher nicht nur der ewigen Verbundenheit von Hoeneß, sondern der des ganzen Vereins sicher. Und dieser "Wohlfühl"-Faktor erklärt dann vielleicht auch den neuen "Posten" von Hoeneß im Verein. Wie gut er diesen bereits ausfüllt und möglicherweise auch in Zukunft ausfüllen darf, hängt in jedem Fall ganz eng mit der Personalie Alaba zusammen.

Quelle: ntv.de


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