Vor diesem Hintergrund greift die EU zur „Scheck-Diplomatie“ – Kabul soll die Flüchtlinge zurücknehmen, denen das Asyl verweigert wurde. Sollte Kabul nicht darauf eingehen, könnte die EU die Finanzhilfe für Afghanistan kürzen, die bis zu 40 Prozent des BIP Afghanistans ausmacht.
Nach den Völkerrechtsnormen können politische Flüchtlinge, die in ihrer Heimat bedroht werden, nicht ausgeliefert werden. Deswegen beschlossen europäische Gerichte, dass einige Regionen in Afghanistan „sicher“ sind. Dies ermöglichte der EU die Auslieferung der afghanischen Flüchtlinge.
Im Oktober will die EU in Brüssel ein internationales Treffen der Geldgeber Afghanistans abhalten, um die Finanzhilfen von 2017 bis 2020 auf dem jetzigen Niveau zu halten (Europa stellt 1,4 Milliarden Euro bereit). EU-Beamte, darunter der EU-Kommissionsvorsitzende Jean-Claude Juncker, wollen dieses Treffen nutzen, um Kabul unter Druck zu setzen. Im Sommer werden mit Afghanistan Verhandlungen abgehalten.
Ohne finanzielle Unterstützung werden die afghanischen Behörden auf wirtschaftliche und politische Schwierigkeiten stoßen, was das ohnehin fragile Gleichgewicht in dem Land bedrohen könnte. Die EU unterstützt zudem die dortige Landwirtschaft, das Gesundheitswesen, die Bildung und Programme zum Kampf gegen Drogenhandel, und das ist ein zusätzlicher Trumpf in den Händen Brüssels.
Falls Kabul guten Willen zeigt, werden europäische Universitäten afghanischen Studenten zusätzliche Plätze anbieten. Zudem könnte sich die EU mit der Ausbildung und medizinischen Versorgung der Flüchtlinge befassen, die in ihre Heimat zurückgekehrt sind.
Doch Experten zufolge richtet sich der Deal weniger an Kabul als an europäische Wähler. „Die Afghanen schaffen keine großen Probleme. Das ist ein ziemlich lokaler Fall, der die Flüchtlingssituation nicht stark beeinflussen wird“, sagte der Politologe Alexander Tewdoi-Burmuli. „Doch die europäischen Länder stoßen auf eine ernsthafte Herausforderung seitens der Öffentlichkeit, die die Situation äußerst negativ einschätzt. Die Behörden wollen zumindest irgendwelche Ergebnisse in einer einzelnen Richtung vorweisen. Mit Afghanen sei es nicht schwierig zu arbeiten, man könnte die Wirtschaftshilfe an die Flüchtlingsprobleme knüpfen. Doch man sollte sich nicht beeilen – der geheime Deal ist sehr fragil, man hat Zweifel daran, dass er umgesetzt werden kann“, so der Experte.
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