Auf den ersten Blick wirkt das futuristisch anmutende Fluggerät wie eine absurd große, geschwollene Doppelbohne mit Propellern. Tatsächlich jedoch soll der Airlander bald schon Lasten von bis zu zehn Tonnen in die Lüfte heben - und damit bei Bedarf Tage oder gar Wochen am Himmel bleiben. Experten trauen dem Konzept Hybridluftschiff tatsächlich Großes zu. Denn unter der mattweißen Außenhaut verbirgt sich ein Konstruktionsprinzip, das zwei gegensätzliche Ideen aus den frühesten Tagen der Luftfahrt miteinander versöhnen könnte.
Auftrieb aus drei Quellen
Vereinfacht gesagt, geht es darum, die Vorteile von herkömmlichen Flugzeugen mit den Vorteilen von Luftschiffen zu verbinden: Hybridluftschiffe nutzen sowohl den Auftrieb von Edelgasen, die leichter als Luft sind, als auch den Auftrieb, der durch die weitauslandende, gewölbte Rumpfoberfläche im Flug entsteht. Das macht Hybridluftschiffe sparsamer als Jet- oder Propellerflugzeuge und zugleich kompakter, günstiger und leichter zu manövrieren als Zeppeline. Denn bei der Landung oder im Schwebeflug kann das Luftschiff mit seinen schwenkbaren Propellergehäusen zusätzlichen Schub oder zur Not auch Auftrieb erzeugen.
"Wir machen weniger Lärm, stoßen weniger Schadstoffe aus, verbrauchen weniger Treibstoff und kommen trotzdem auf eine längere Flugausdauer und eine bessere Zuladungskapazität als praktisch jedes andere Fluggerät", heißt es selbstbewusst bei HAV. Interesse hat neben dem US-Militär auch das britische Verteidigungsministerium angemeldet.
Zivile und militärische Einsätze denkbar
Als mögliche Einsatzgebiete für die Helium gefüllten, propellergetriebenen Airlander-Modelle sieht der Hersteller im zivilen, kommerziellen Bereich unter anderem Luftfrachtfahrten, Schwerlasttransporte sowie Such- und Überwachungsaufgaben aus der Luft wie zum Beispiel auf hoher See oder für den Straßenverkehr vor. Zuletzt konnte HAV den Prototypen eines Airlander 10 zum ersten Mal komplett montiert aus der Montagehalle ziehen. Die Vorbereitungen für die Testflugphase laufen. Der Erstflug soll bereits in den kommenden Wochen stattfinden.
"Der Luftfahrtmarkt wartet auf zwei Innovationen: Die Fähigkeit, mit einem Luftfahrzeug für Tage oder Wochen in der Luft zu bleiben, und die Fähigkeit, schwere oder sperrige Lasten schnell und sicher von einem Punkt zum anderen zu transportieren", erklärte ein HAV-Sprecher. Der Airlander 10 kann demnach bis zu fünf Tage ohne Unterbrechung in der Luft bleiben. Bleibt die Crew am Boden, kann das Fluggerät ferngesteuert sogar volle zwei Wochen ununterbrochen am Himmel kreisen.
Flugtests in den USA
Zweifel an der Flugfähigkeit des rund 90 Meter langen und knapp 40 Meter breiten Hybridluftschiffs gibt es bei HAV nicht. Das britische Unternehmen gilt als Weltmarktführer in diesem Spezialsegment und kann sich auf ausführliche Erfahrungen mit einem Vorgängermodell stützen. Beim nahezu baugleichen Modell HAV 304 testete die US-Armee das System ausführlich mit dem Rüstungskonzern Northrop-Grumman - auch in der Luft, wie Videoaufnahmen von den Testflügen in Lakehurst im US-Bundesstaat New Jersey eindrücklich belegen: Zu sehen ist auf diesen Bildern aus dem Jahr 2012 unter anderem, wie ein grau gestrichener Prototyp langsam und kontrolliert zur Landung einschwebt.
Den Amerikanern ging es eigenen Angaben zufolge vordringlich um die Eignung als unbemannten Systemträger für Aufklärungsaufgaben. Auch der US-Rüstungsriese Lockheed Martin experimentierte mit dem Konzept der Hybridluftschiffe. Offiziell wurde das Programm LEMV (für Long Endurance Multi-Intelligence Vehicle) in den USA allerdings aus Kostengründen eingestellt. In der Grafschaft Bedfordshire im Norden Londons verfolgen Luftfahrtbegeisterte ihr Projekt unter dem Namen Airlander dagegen mit ungebrochener Zuversicht weiter.
Erinnerungen an den Cargolifter
Der Airlander 10 ist erst der Anfang, heißt es bei HAV. Wenn die Tests in der Luft zufriedenstellen verlaufen, will das britische Unternehmen den Airlander 50 bauen. Das riesige Hybridluftschiff soll Frachten von bis zu 50 Tonnen aufnehmen und damit auf kurzen unbefestigten Pisten starten und landen können
Steht Großbritannien damit wirklich vor einer Revolution im Luftfahrtmarkt? Skeptischen Beobachter dürften sich schnell an den Traum vom Cargolifter erinnert fühlen. Nach hoffnungsfrohen Anfängen und vielversprechenden Aussichten in den 1990er Jahren schlitterte das Projekt mit der dazugehörigen Aktiengesellschaft im Jahr 2002 spektakulär in die Pleite.
Einziges sichtbares Relikt der großartigen Idee vom Lasttransport durch die Luft in Deutschland ist die eigens errichtete, wahrhaft riesige Cargolifterwerft im Süden Berlins. Nach jahrelangem Leerstand zog das Spaßbad "Tropical Island" dort ein - es ist bis heute die größte freitragende Halle der Welt.
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