Ein Teil der Abgeordneten ist bereit, dafür zu stimmen. Ziemlich viele Parlamentarier treten jedoch dagegen auf. Ihr Hauptargument ist die Verflechtung von Fragen der territorialen Strukturierung des Landes und der Wege zur Konfliktregelung in den in Minsk unterzeichneten Dokumenten. Zudem gibt es Abgeordnete, die davor warnen, dass eine Novellierung der Verfassung im Kontext des Konfliktes im Donezbecken ein Präzedenzfall für andere Regionen werden könnte.
Die Behörden in Kiew stehen also vor der Wahl: Entweder folgen sie den Minsker Vereinbarungen und ändern die Verfassung oder sie geben die Minsker Vereinbarungen auf und verabschieden eine neue Verfassung.
Diese Initiativen wurden bereits 2015 geäußert. So wurden gleich mehrere mögliche Verfassungsversionen entwickelt. Im Dezember präsentierte der fraktionslose Abgeordnete Sergej Taruta einen entsprechenden Gesetzentwurf, der im Januar 2016 registriert wurde. Im Februar ging auch der „Oppositionsblock“ diesen Weg und stellte im Februar seine Version der Verfassung vor. Die früheren Mitglieder der Partei der Regionen schlagen vor, die Vollmachten der Regionen zu erweitern, dabei aber die Minsker Vereinbarungen nicht aufzugeben.
Zur Arbeit an einer neuen Verfassung zwingt das ineffiziente aktuelle unitarische Staatsmodell, in dessen Rahmen die Konfliktregelung in der Donbass-Region nahezu unmöglich scheint. Dabei sehen die meisten neuen Versionen der Verfassung vor, dass der unitarische Staatsaufbau weiter besteht. Da sich aber verschiedene Zweige des Establishments nicht einigen können, wird das Land weiterhin instabil bleiben.
Das Thema der Novellierung der Verfassung, ohne die die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen unmöglich ist, polarisiert die politischen Kräfte in der Ukraine immer mehr. Dass an der Debatte immer aktiver regionale Eliten teilnehmen, könnte die Positionen der Seiten korrigieren und zu einer Änderung der regionalen Politik führen, was in Kiew jedoch auf Ablehnung stößt.
Inzwischen gewinnt die Idee – vor allem im Westen des Landes – an Popularität, dass die Ukraine die rebellierenden östlichen Gebiete loswerden sollte. Kürzlich wurden die Ergebnisse einer Meinungsumfrage veröffentlicht, der zufolge fast 20 Prozent der Ukrainer eine Aussonderung der von Kiew nicht kontrollierten Territorien befürworten würden. Bislang sind diese Ideen in der Hauptstadt kaum populär. Aber der politische Druck seitens der radikalen Kräfte und der Rückgang der Popularitätswerte werden Poroschenko zur Suche nach neuen Wegen zur Konfliktregelung im Donezbecken zwingen – zumal er um jeden Preis darauf besteht, den unitarischen Staatsaufbau beizubehalten.
Möglicherweise hätte Kiew die Minsker Vereinbarungen schon längst aufgegeben, wenn die westlichen Länder nicht wären, die ihre Umsetzung mit den antirussischen Sanktionen verbinden. Unter diesen Bedingungen muss die ukrainische Führung zwischen den Forderungen ihrer westlichen Partner und dem Druck seitens der Radikalen lavieren.
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