Die Verluste der russischen Streitkräfte sind nach offiziellen Angaben der Ukraine immens. Nach letzten Angaben sollen bereits mehr als 5000 russische Soldaten gestorben sein; 29 Flugzeuge und ebenso viele Hubschrauber wurden abgeschossen sowie 191 russische Panzer zerstört. Angesichts der vermuteten Schlagkraft, mit der die russische Armee in den Krieg gezogen ist, ein erstaunliches Bild. Gerade bei den gepanzerten Fahrzeugen hätte man angenommen, dass Russland hier absolut überlegen ist.
Aber blickt man auf die Geschichte des im Krieg eingesetzten T-90 zurück, ist der Panzer wohl doch eher veraltet. Der erste Prototyp entstand bereits im Jahr 1989, trug die Bezeichnung Objekt 188 und war schlicht ein umgebauter T-72B mit der Feuerleitanlage des T-80U und einer neuen Reaktivpanzerung (ERA) vom Typ Kontakt-5, die das Fahrzeug vor feindlichem Beschuss schützen soll. Die ersten Experimente mit einer Reaktivpanzerung wurden in der Sowjetunion bereits im Jahr 1949 durchgeführt. In den 1960er Jahren gab es dann erste Prototypen.
Die Reaktivpanzerung
Bei der Reaktivpanzerung werden Kacheln auf die Verbundpanzerung aufgebracht, die aus einer Metallplatte und einer Schicht Sprengstoff bestehen. Trifft jetzt ein Projektil auf diese Kachel, explodiert die Sprengstoffschicht und schleudert die Metallplatte dem Projektil entgegen. So kann die Granate nicht ihre volle Kraft an der Panzerung entfalten, die dann den Rest der Sprengkraft abfängt. Das Problem bei der Reaktivpanzerung ist, dass das nur einmal funktioniert. Ist die Kachel von der Panzerung verschwunden, kann nur noch die eigentliche Verbundpanzerung bei nachfolgendem Beschuss schützen.
Hinzu kommt, dass die Reaktivpanzerung je nach Art des Beschusses ihre Grenzen hat. Während Hohlladungen, also Geschosse, die sich in der Panzerung festkrallen und per Druck und Hitze ins Innere vordringen, gut abgewehrt werden, bietet die Reaktivpanzerung gegen sogenannte Tandemhohlladungen und gegen Hartkerngeschosse, die allein durch ihre Wucht beim Aufschlag die Panzerung durchbrechen, kaum Schutz. Hinzu kommt, dass diese Art des Schutzes eine verheerende Wirkung auf die eigenen Soldaten haben kann, die sich als Fußtruppen in der Nähe des Panzers befinden und durch die Gegenexplosion der Sprengstoff-Kachel verletzt oder getötet werden.
Vorteile der Reaktivpanzerung
Letztlich hat die Reaktivpanzerung den Vorteil, dass die passive Panzerung leichter sein kann, der Panzer somit schneller unterwegs ist, weniger Sprit verbraucht und längere Strecken zurücklegen kann. Der T-90 kann beispielsweise 375 Kilometer und mit externen Tanks 550 Kilometer zurücklegen. Allerdings hat das Gewicht des T-90 im Vergleich mit dem T-72 auch wegen der weiterentwickelten Panzerung auf 46,5 Tonnen zugenommen, was es notwendig machte, den Motor zu ersetzen. Seit 2004 wird der im Traktorenwerk in Tscheljabinsk gebaute W-92 S2, ein V-12-Dieselmotor mit 1006 PS, genutzt, der den T-90 bis zu 65 km/h schnell macht.
Allerdings bleibt zu bedenken, dass der T-90 wie schon erwähnt auf der Basis des T-72B umfassend modernisiert wurde. Von der Mitte der 1990er Jahre bis 2005 war es den russischen Streitkräften aus Geldmangel aber kaum möglich, ausreichend T-90 zu kaufen. Es wird damit gerechnet, dass sich etwa 600 Fahrzeuge im Bestand der russischen Streitkräfte befinden, zehn Prozent davon in der Version T-90A. Die im Jahr 2015 angekündigte Runderneuerung der Landstreitkräfte hat bis heute aus Geldmangel nicht stattgefunden.
T-72 - die Mutter des T-90
Werfen wir noch einen Blick auf den T-72, der ab 1972 von der damaligen Sowjetarmee in Dienst gestellt wurde. Angetrieben wird der von einem V-12-Dieselmotor mit maximal 840 PS. Die Reichweite beträgt 450 Kilometer, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 60 km/h. Bereits im ersten Tschetschenienkrieg im Jahr 1994 offenbarten der T-72 und die Weiterentwicklung T-80 Schwächen. Bei dem Versuch, die tschetschenische Hauptstadt Grosny zu erobern, wurden sie mit Panzerfäusten des Typs RPG-7 und RPG-22 - beide aus russischer Produktion - zerstört. Vorzugsweise wurde von hohen Gebäuden auf den schwächer gepanzerten hinteren Teil der Turmdecken und die Motorabdeckung gefeuert. Die Turmwaffen des Panzers selbst konnte nicht so weit erhöht werden, um den Angreifern Paroli zu bieten.
In Grosny wurde nahezu der gesamte Panzerbestand der 131. "Maikop"-Brigade zerstört. Ob es sich dabei um den Typ T-72A oder T-72B handelte, ist heute strittig. Fakt ist, dass die Panzer sich als ungeeignet für den Straßenkampf erwiesen und in Zukunft ihr Einsatzgebiet vorzugsweise im großen Abstand zu gegnerischen Stellungen eingesetzt wurden, um die Reichweite von über 6000 Metern der 125-Millimeter-Bordkanonen ausnutzen zu können. Wobei die Kampfbeladung des T-72 aus 44 Schuss besteht.
Auch im Zweiten Golfkrieg 1990 und im Irakkrieg 2003 machten die T-72, T-72M und T-72M1 keine gute Figur. Etwa 30 bis 40 Prozent der irakischen Panzer wurden aus der Luft zerstört, die verbliebenen im offenen Gelände in provisorischen Stellungen. Im Kaukasus-Konflikt im August 2008 setzten die georgischen Streitkräfte Panzer ein, um die südossetische Hauptstadt Zchinwali zu besetzen. Dort zerstörten die örtlichen Milizen mehrere T-72 mit Panzerfäusten, andere wurden durch die russische Luftwaffe aufgebracht.
Natürlich werden in der Ukraine nicht mehr die alten T-72 eingesetzt, sondern entsprechende Weiterentwicklungen. Es dürften hier die drei Hauptkampfpanzertypen T-72 B3/B4 und T-90M von den russischen Truppen genutzt werden. Trotz wesentlicher Verbesserungen in der Bewaffnung und in der Panzerung scheinen aber bestimmte neuralgische Punkte geblieben zu sein. Andernfalls wäre es nicht zu erklären, dass die ukrainischen Streitkräfte in der Lage sind, die Panzer in so großer Zahl zu vernichten.
Rein rechnerisch gesehen ist jeder verlorene Panzer auch ein harter Schlag für die russische Regierung. Ein T-72 wird im Durchschnitt mit 22 Millionen Rubel, das sind umgerechnet derzeit knapp 233.000 Euro, berechnet. Bei momentan 191 zerstörten Panzern sind das etwa 44,5 Millionen Euro. Ein erkleckliches Sümmchen.
Quelle: ntv.de, hpr
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