Was soll in dem Integrationsgesetz stehen?
Ein Kernelement des Gesetzes ist eine befristete Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber. Die große Koalition ist sich bereits seit Januar darüber einig, die Migranten dezentral in der Bundesrepublik zu verteilen, um so einer Gettobildung in Großstädten vorzubeugen. Für einen bestimmten Zeitraum dürften Flüchtlinge ihren Wohnort also nicht frei wählen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt darauf, die Asylbewerber möglichst schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es gehe um "berufsvorbereitende und berufsbegleitende Maßnahmen, eine engere Verzahnung von Spracherwerb und Praxiserfahrungen am Arbeitsmarkt und in diesem Zusammenhang auch um Arbeitsgelegenheiten", teilte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Anfrage der "Welt" mit.
Was passiert, wenn sich Flüchtlinge nicht integrieren wollen?
Für den Fall, dass Asylbewerber die Integrationsangebote ausschlagen, spricht de Maizière von Kürzungen bei der sozialen Unterstützung. Ähnliches hatte Nahles bereits im Februar angekündigt. Außerdem will de Maizière die Gewährung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis an die Bereitschaft zur Integration binden. Wer sich weigere, Deutsch zu lernen oder Arbeitsangebote ablehne, könne nicht nach drei Jahren eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten, wie es nach der jetzigen Rechtslage noch der Fall sei, sagte de Maizière der ARD.
Wie ist die derzeitige Situation?
Seit Oktober 2015 haben Asylbewerber und Geduldete mit guter Bleibeperspektive einen Anspruch auf einen Integrationskurs. Die Teilnahme ist allerdings freiwillig. Anerkannte Flüchtlinge hingegen können von den Ausländerbehörden und Jobcentern zu Integrationskursen verpflichtet werden.
Seit November 2015 dürfen Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive auf freiwilliger Basis an den Kursen teilnehmen, falls ausreichend Plätze vorhanden sind.
Daran mangelt es aber vielerorts, wie schon ein erster Blick auf die Teilnehmerzahlen zeigt. Mehr als eine Million Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr nach Deutschland.
Von Januar bis Ende September 2015 nahmen den aktuellsten Zahlen des Bundesinnenministeriums zufolge aber nur 80.423 Neuzuwanderer an Integrationskursen teil. Für 70.052 von ihnen waren die Kurse verpflichtend. Von 2005 bis 2014 sind 466.990 Personen zu einem Integrationskurs verpflichtet worden.
Wer sich weigert, an dem Kurs teilzunehmen, kann schon heute mit einer Kürzung der Bezüge oder mit einem Bußgeld bestraft werden. Die Zahl der Integrationskurse ist nachfrageorientiert. Nach Angabe des Bundesinnenministeriums könne es in ländlichen Räumen "teilweise länger dauern, bis ein Kurs gefüllt ist und genug Teilnehmer hat".
Warum will de Maizière das Integrationsgesetz?
Aus Sicht von de Maizière ist es nötig, alle Erwartungen und Pflichten, die der Staat einem Asylbewerber entgegenbringt, in einem Gesetz zu bündeln. "Ein Integrationsgesetz ist eine Mischung aus Fördern und Fordern", so der Bundesinnenminister. Beides gehöre zusammen.
Welche Probleme stehen dem Gesetz im Weg?
Die geplante Wohnsitzauflage stellt einen Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit dar. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im März allerdings klargestellt, dass diese Auflage grundsätzlich erlaubt ist, etwa zur Vermeidung sozialer Spannungen.
De Maizière sieht die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs dadurch gewahrt, dass ein Migrant seinen Wohnort wieder frei wählen kann, sobald er seinen eigenen Lebensunterhalt verdient.
Wird jeder abgeschoben, der sich nicht integriert?
Die Formulierung, dass die Aufenthaltserlaubnis an die Integrationsbereitschaft gekoppelt werden soll, suggeriert diese Annahme zwar. Der Jurist Kay Hailbronner stellt jedoch klar: "Die angekündigte Verschärfung des erleichterten Zugangs zum Niederlassungsrecht ist zwar vernünftig, hat aber recht wenig mit der Aufenthaltsbeendigung zu tun."
Auch wer die Integrationspflichten missachte, könne mit einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis rechnen, da das nur einer von vielen Indikatoren in der Abwägung sei.
"Für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ist das weitgehend irrelevant", so der Professor der Universität Konstanz weiter.
"Ernsthafte Verschärfungen im Bereich der Aufenthaltsbeendigung sind aufgrund der Rechtsprechung zu Abschiebehindernissen kaum realistisch."
Wie sind die Reaktionen auf die Vorschläge?
Politiker der großen Koalition unterstützen de Maizières Ideen. SPD-Vize Ralf Stegner sagte der "Welt" allerdings: "Das Hauptproblem ist meist nicht mangelnder Integrationswille, sondern mangelnde Qualifizierungs- und Integrationsangebote."
Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte, sie wundere sich über de Maizières Worte. Im Umgang mit Flüchtlingen müsse klar sein, "dass sie eben nicht nur aus Verweigerern bestehen", sagte sie im Deutschlandfunk.
Aus der Opposition kamen kritische Töne. "Bevor der Innenminister nach immer noch härteren Sanktionen ruft, sollte er erst einmal die Integrationsangebote verbessern", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der "Passauer Neuen Presse". Dazu gehöre auch ein ausreichendes Angebot an Sprachkursen. Zudem müsse de Maizière dafür sorgen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gut ausgestattet und Asylverfahren beschleunigt würden. Linke-Chef Bernd Riexinger sprach sich gegen die geplante Wohnsitzauflage aus.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte zudem davor, den Eindruck zu erwecken, Geflüchtete seien bessergestellt als Langzeitarbeitslose. Es gebe für das Schwänzen von Integrationskursen bereits "beinharte Sanktionen – von Kürzungen über Bußgelder bis zu Nichtverlängerung der Aufenthaltsgenehmigung", sagte DGB-Bundesvorstand Annelie Buntenbach. "Da gibt es nichts zu verschärfen."
Wann soll es in Kraft treten?
Derzeit wird das Gesetz intern erarbeitet. Der Innenminister will das neue Integrationsgesetz bereits im Mai vom Kabinett verabschieden lassen. So könnte der Entwurf noch vor der Sommerpause den Bundestag passieren und schnell in Kraft treten.
Quelle : welt.de
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