Erdogan: “Keine Journalisten aufgrund ihres Berufes verurteilt“
Zuvor hatte sich US-Vizepräsident Joe Biden im St.-Regis-Hotel mit Erdogan getroffen. Ein zentrales Thema war nach Angaben des Weißen Hauses der internationale Terrorismus. Biden bekräftigte die Ansicht Washingtons, dass die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK eine Terrororganisation sei, hieß es in einer Mitteilung. Beide hätten ihre Absicht erklärt, die Kooperation im Kampf gegen den Terror zu vertiefen, insbesondere gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS). Auch die Bemühungen um einen Friedensschluss in Syrien seien Gegenstand des Gesprächs gewesen.
Im Vorfeld des Gipfels hatte es geheißen, Obama werde Erdogan nicht wie andere Staatschefs zu getrennten Gesprächen empfangen. Dies war als Affront gegen Erdogan gesehen worden. Die Beziehungen zwischen den beiden traditionellen Verbündeten USA und Türkei sind derzeit unter anderem wegen der türkischen Militäroffensive gegen kurdische Kämpfer stark angespannt. Zudem zeigte sich das Weiße Haus in den vergangenen Monaten immer wieder besorgt über Angriffe auf Meinungsfreiheit und Demokratie in der Türkei. Regierungskritische Journalisten haben in der Türkei einen immer schwereren Stand. Die USA hatten sich in den vergangenen Wochen wiederholt besorgt über den Druck der türkischen Regierung auf die Medien des Landes gezeigt.
Auseinandersetzungen mit prokurdischen Demonstranten
Erdogan wies am Donnerstag indes den Vorwurf zurück, Journalisten würden in seinem Land unter Druck gesetzt. „In den türkischen Gefängnissen sitzen keine Journalisten, die aufgrund ihres Berufes oder dem Recht auf Meinungsfreiheit verurteilt wurden“, sagte er bei einem Auftritt im Brookings-Institut in Washington. Sie säßen im Gefängnis, weil sie Mitglieder einer terroristischen Vereinigung seien. Erdogan ging auch auf Proteste ein, die es vor seiner Rede gegeben hatte: „Ich habe gesehen, dass Leute draußen auf der Straße geschrien haben. Sie haben geschrien, aber sie wissen nicht, was wirklich in der Türkei passiert.“
Die US-Polizei hatte zuvor Leibwächter Erdogans und prokurdische Demonstranten getrennt, die vor dem Brookings-Institut aneinander geraten waren. Dabei gingen die türkischen Sicherheitskräfte auch gegen Journalisten vor. Die rund 40 Demonstranten hatten sich vor dem Institut versammelt und Fahnen der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) geschwenkt.
Die Türkei betrachtet die PYD und ihren bewaffneten Arm, die Volksverteidigungseinheiten (YPG), als "Terrororganisationen". Für die USA und andere westliche Staaten sind sie Verbündete im Kampf gegen den IS. Die Türkei, die im eigenen Land militärisch gegen die PKK vorgeht, beschießt von der Grenze aus auch kurdische Stellungen in Syrien.
Reporter ohne Grenzen tadelt "inakzeptables Verhalten" der Leibwächter
Auch pro-türkische Demonstranten waren am Donnerstag in Washington vor Ort, die Banner mit der Aufschrift "Kein Unterschied zwischen PKK und IS" trugen. Die türkischen Sicherheitskräfte gingen auch gegen Journalisten vor. Ein Bodyguard Erdogans trat nach einem US-Kameramann, der die Zusammenstöße filmen wollte. Ein anderer nannte eine Frau "PKK-Hure". Erst nach einiger Zeit konnten etwa 20 US-Polizisten die Kontrahenten trennen.
Versuche der türkischen Sicherheitskräfte, Reporter der Opposition aus dem Raum zu verbannen, wo Erdogan seine Rede hielt, wurden vom Brookings-Institut unterbunden. Die Organisation Reporter ohne Grenzen verurteilte das "inakzeptable Verhalten" der Leibwächter Erdogans. Erdogan hält sich zu einem bis Freitag dauernden Nukleargipfel in Washington auf.