Nicht gezahlte Verzugszinsen auf eine Dollar-Anleihe bringen Russland an den Rand des ersten Zahlungsausfalls seit der Russischen Revolution vor mehr als einem Jahrhundert. Mit ein Grund sind die Sanktionen der Europäischen Union. Sie nahm zuletzt einen Zahlungsabwickler auf die rote Liste, den Moskau für die Bedienung seiner Eurobonds nutzen wollte.
Russland ist in den vergangenen einhundert Jahren wiederholt in finanzielle Schwierigkeiten geraten. 1918 hatten sich etwa die regierenden Bolschewiken geweigert, ausländische Altschulden aus der Zarenzeit anzuerkennen. Bislang konnte das Land einen Zahlungsausfall stets abwenden, doch diesmal könnte das misslingen. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Warum zahlt Russland keine Schulden?
Ungewöhnlich ist, dass Russland nicht wegen fehlender Mittel in einen Zahlungsausfall schlittert. Das Land verfügt über hohe Devisenbestände und nimmt monatlich Milliarden durch Exporte von Öl und Gas ein. Die rund 40 Milliarden US-Dollar an ausstehenden Auslandsanleihen - mit etwa zwei Milliarden US-Dollar an Zahlungen, die bis zum Jahresende fällig sind - sollten also leicht zu stemmen sein.
Allerdings ist das Land durch die Sanktionen des Westens als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine weitgehend vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Zudem ist ein Teil seiner Währungsreserven eingefroren. Eine Ausnahmeregelung, die es US-Eigentümern russischer Staatsanleihen ermöglichte, Zahlungen zu erhalten, ist nun abgelaufen. Das treibt Russland in die Pleite, indem es den Weg blockiert, auf dem Zahlungen die Bankkonten der Anleihegläubiger erreichen würden.
Gibt es Alternativen?
Russland sucht den Ausweg, indem es Gläubiger angewiesen hat, in der russischen Devise Rubel oder in anderen harten Währungen als dem Dollar zu bezahlen und dabei die westliche Zahlungsinfrastruktur zu umgehen. Finanzminister Anton Siluanow schlug vor, das den europäischen Gaskunden auferlegte Rubel-Konvertierungszahlungssystem zu kopieren. Dabei eröffnen die Gläubiger Konten bei einer russischen Bank und zahlen in anderen Währungen als dem Dollar.
Der Plan hätte es Russland jedoch nicht ermöglicht, einem Zahlungsausfall auszuweichen, da US-Investoren nicht in der Lage gewesen wären, sich zu beteiligen. Und am Freitag verhängte die Europäische Union Sanktionen gegen Russlands National Settlement Depository, das die Anleihezahlungen abwickeln sollte.
Wann könnte die Pleite passieren?
Als offiziell zahlungsunfähig könnte Russland Ende Juni gelten. Fraglich ist nämlich, ob Zinszahlungen, die Russland eigenen Angaben zufolge am 27. Mai angewiesen habe, wegen der Sanktionen auch bei den Anleihegläubigern ankommen. Konkret geht es um Zinszahlungen in Höhe von 71,25 Millionen US-Dollar und 26,5 Millionen Euro. Um einen Zahlungsausfall abzuwenden, muss das Geld innerhalb einer Nachfrist von 30 Tagen auf den Konten landen.
Einen Anfang April fälligen Bond hatte Russland erst kurz vor Ablauf der Nachfrist am 2. Mai zurückgezahlt. Da dabei aber Verzugszinsen über 1,9 Millionen Dollar unberücksichtigt blieben, hatten Gläubiger den Fall dem Investoren-Komitee CDDC vorgelegt. Das Gremium stufte Russland daraufhin bereits als säumigen Zahler ein. Dadurch können Käufer von Zahlungsausfall-Versicherungen ihren Schaden bei Anbietern dieser sogenannten Credit Default Swaps (CDS) geltend machen.
Wie relevant ist eine Staatspleite?
Russland ist bereits von den globalen Finanzmärkten abgeschnitten. Abgesehen von Reputationsschäden hat ein Zahlungsausfall weitere Konsequenzen. So könnten Gläubiger vor Gericht ziehen, um Russlands Auslandsvermögen zu beschlagnahmen. Außerdem droht ein langer und kostspieliger Prozess zur Restrukturierung ausgefallener Schulden, sollten sich Russland und der Westen in Zukunft wieder annähern. Ein Staatsbankrott erhöht in der Regel langfristig die Kreditkosten und könnte Russland somit noch jahrelang teuer zu stehen kommen.
Quelle: ntv.de, hny/rts
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