Bundespräsidentenwahl in Österreich: Mörtel und Spatzi haben einen Traum

  06 April 2016    Gelesen: 1153
Bundespräsidentenwahl in Österreich: Mörtel und Spatzi haben einen Traum
Die neueste Mission von Richard Lugner, Spitzname "Mörtel": Der Ex-Bauunternehmer will österreichischer Bundespräsident werden. Im Rennen um das höchste Staatsamt hat allerdings ein anderer die Nase vorn.
Er ist der Mörtel, sie die Spatzi, und beide haben einen Traum. "First couple for Austria". Richard Lugner, 83, der als Wiener Bauunternehmer zum Millionär aufstieg - Spitzname "Mörtel" - und sich später einen Namen als Partylöwe machte, möchte Österreichs Staatsoberhaupt werden. An seiner Seite Cathy Lugner ("Spatzi"), Mörtels fünfte Ehefrau, 57 Jahre jünger als ihr Mann, Ex-Playmate mit sehr blonden Haaren, sehr roten Lippen und sicherem Gespür fürs Obszöne: "Wir treiben`s zwar wie die Karnickel, aber noch ist nix passiert."

Lugners Kandidatur verleiht der Bundespräsidentenwahl am 24. April eine besondere Note - eine unterhaltsame, finden manche, eine peinliche, meinen andere.
"Sprüche klopfen, Spesen in die Taschen stopfen"

Der frühere Bauunternehmer ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten Österreichs: Besitzer des Wiener Einkaufszentrums "Lugner City", Dauergast beim Wiener Opernball, zu dem er alljährlich glamouröse Begleiterinnen in seine Loge einlädt - zuletzt die US-Schauspielerin Brooke Shields. In der Doku-Soap "Der Millionär und das Bunny" laufen die Lugners mal durch den Zoo, mal säubert Spatzi in rotem Bikini den Swimmingpool der eigenen Villa. Inzwischen rappt Richard Lugner in einem Wahlkampf-Song: "Hände schütteln, Sprüche klopfen, Spesen in die Taschen stopfen, und das völlig ungehemmt? Nicht mit mir als Präsident!"

Es ist nicht sein erster Ausflug in die Politik. 1998 kandidierte Lugner schon einmal für das höchste Staatsamt und bekam rund zehn Prozent der Stimmen, ein Achtungserfolg - der Bundespräsident wird in Österreich direkt vom Volk gewählt. Ein Jahr später trat er mit seiner damaligen Partei Die Unabhängigen bei der Nationalratswahl an und landete bei lediglich rund einem Prozent der Stimmen.

Auch seine neuerliche Kandidatur gilt als praktisch aussichtslos. Trotzdem bahnt sich Demoskopen zufolge für den ersten Wahlgang eine Überraschung an: In mehreren Umfragen liegt derzeit der Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen an der Spitze - gefolgt von Norbert Hofer, dem Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ, und Irmgard Griss, der früheren Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, die als Unabhängige antritt. Erst dahinter folgen die Kandidaten der beiden Volksparteien SPÖ und ÖVP. Lugner wurde bislang in den meisten Umfragen noch nicht berücksichtigt, weil er erst sehr spät seine nötigen Unterstützerunterschriften gesammelt hatte.

Frust über die Etablierten ist weit verbreitet

Bei der Bundespräsidentenwahl geht es nicht nur um die Nachfolge von Amtsinhaber Heinz Fischer (SPÖ), der nach zwei Wahlperioden nicht mehr antreten darf. Die Abstimmung gilt auch als wichtiger Stimmungstest: 2018 stehen Nationalratswahlen in dem Land an, und die Große Koalition aus SPÖ und ÖVP ist unbeliebt.

Es wäre ein Signal, sollte es am 24. April weder ÖVP noch SPÖ gelingen, ihren Präsidentschaftskandidaten in die Stichwahl zu bringen, die wahrscheinlich notwendig sein wird - ein weiteres Indiz für den Erosionsprozess der beiden Volksparteien, die seit Jahrzehnten das politische Leben des Landes bestimmen, aber immer stärker unter Druck von rechts außen durch die FPÖ geraten.

Der Abstieg der Konservativen und Sozialdemokraten wurde zuletzt bei den vier Landtagswahlen im vergangenen Jahr besonders sichtbar: ÖVP und SPÖ mussten empfindliche Verluste hinnehmen, während die Rechtspopulisten flächendeckend zulegten. Inzwischen liegt die FPÖ in landesweiten Umfragen vorn und träumt bereits von der Kanzlerschaft.

Die Ernüchterung, mitunter auch der Frust über die etablierten Volksparteien ist in Österreich weit verbreitet: ÖVP und SPÖ gelten bei vielen Bürgern als Kungelvereine, die lukrative Posten unter sich ausmachen, aber keine Rezepte gegen die Arbeitslosigkeit und schwächelnde Wirtschaft haben.

Für ÖVP und SPÖ dürfte es ein Warnsignal sein, dass in den Umfragen zur Bundespräsidentenwahl nicht nur der FPÖ-Kandidat, sondern auch Van der Bellen vor den eigenen Bewerbern liegt. "Ein bisserl Schadenfreude gegenüber SPÖ und ÖVP verspür ich schon", sagte der 72-jährige emeritierte Volkswirtschaftsprofessor angesichts seiner guten Umfragewerte.

Van der Bellen war von 1999 bis 2008 Bundessprecher der österreichischen Grünen, hat inzwischen aber keine Parteifunktionen mehr inne und tritt als unabhängiger Kandidat an. Er wolle der erste Bundespräsident sein, "der nicht aus den großen Parteiapparaten kommt, der unabhängig sein Amt ausübt und ein Präsident für alle Menschen in Österreich ist".

Ein besonderes Zeichen setzte Van der Bellen bereits: Er ließ in einem Streitgespräch erkennen, dass er als Bundespräsident eher das Parlament auflösen und für Neuwahlen plädieren würde, als eine FPÖ-Regierung zu akzeptieren.

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