Parteichefs streiten über Grenzkontrollen
De Maizière will Grenzkontrollen zu Österreich beenden
Vor dem Treffen hatte Seehofer seine Kritik am Asylkurs der Bundesregierung erneuert und eine Kurskorrektur gefordert. "Wenn wir unsere Politik nicht ändern in Berlin, dann werden wir unter 30 Prozent rutschen", sagte der CSU-Chef mit Blick auf die gesamte Union.
Geradezu erbost reagierte die CSU auf die Ankündigung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, bei weiter niedrigen Flüchtlingszahlen Grenzkontrollen in absehbarer Zeit beenden zu wollen. Der "Mittelbayerischen Zeitung" sagte Seehofer: "Wir sind als hauptbetroffenes Land nicht beteiligt und nicht informiert worden. Das ist ein selbstherrlicher Regierungsstil." Grenzkontrollen sind Sache des Bundes, konkret der Bundespolizei.
Stegner: CSU ist bockig
SPD-Vizechef Ralf Stegner forderte Merkel nach dem Treffen im Kanzleramt zu einem Machtwort gegenüber der CSU auf. "Frau Merkel muss sich jetzt durchsetzen gegen Herrn Seehofer", sagte Stegner in der ARD. Die CSU führe sich derzeit in der Koalition "bockig" auf und blockiere die Umsetzung gemeinsamer Vorhaben wie die Reform der Erbschaftssteuer und das Gesetz gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen, kritisierte der Sozialdemokrat.
Stegner warnte die CSU davor, durch die Lähmung der Koalitionsarbeit der Politikverdrossenheit Vorschub zu leisten und rechtspopulistischen Parteien die Wähler zuzutreiben. "Die Rechtspopulisten haben nur dann eine Chance, wenn die Regierungen nicht ordentlich regieren", sagte er. Gerade deshalb müsse die CSU "ihre Störmanöver aufgeben".
Die Grünen begrüßten die Ankündigung des Bundesinnenministers, die Grenzkontrollen möglicherweise zu beenden. "Man darf nicht vergessen, dass Grenzkontrollen für Reisende und Pendler, aber auch für die Wirtschaft eine große Belastung sind", sagte Parteichef Cem Özdemir der "Passauer Neuen Presse". Bundesweit wurden im März nur noch rund 20.000 neue Flüchtlinge registriert. Das geht aus dem sogenannten "EASY"-System von Bund und Ländern hervor. Im Februar waren es noch etwa 61.000, im Januar fast 92.000.
"Vernünftiges Gespräch in guter Atmosphäre"
Im Kanzleramt hatten Merkel und Seehofer am Mittwochabend zunächst allein gesprochen. Hierzu verlautete am späten Abend, es sei ein vernünftiges Gespräch in guter Atmosphäre gewesen. Es werde die Chance gesehen, über Sachthemen wieder zu mehr Zusammenhalt in der Union zu finden. Später kam SPD-Chef Gabriel dazu.
Eigentlich wollten die Drei in Ruhe den Fahrplan zur Lösung von Streitthemen zwischen Union und SPD besprechen, um ein Signal der Geschlossenheit zu senden. Dabei sollte es unter anderem um das Integrationskonzept, die Erbschaftsteuer, Leiharbeit und Werkverträge, die Lebensleistungsrente, das Behindertenrecht und die Ökostromreform gehen. Konkrete Ergebnisse waren nicht erwartet worden. Die Dreierrunde wollte dem Vernehmen nach die Sitzung des größeren Koalitionsausschusses von Union und SPD in der kommenden Woche vorbereiten.
Quelle: n-tv.de , nsc/dpa/AFP