Kia Cee’d GT- verhaltenes Muskelspiel

  10 April 2016    Gelesen: 635
Kia Cee’d GT- verhaltenes Muskelspiel
Es gehört zum guten Ton unter Import-Marken, dem deutschen Segmentführer Golf GTI einen eigenen Kompaktsportler entgegenzusetzen. Bei Kia mimt der Cee’d GT den Herausforderer. Im n-tv.de-Praxistest soll er seine Qualitäten unter Beweis stellen.
Der geliftete Cee’d GT legt einen dynamischen Auftritt hin. Die nach hinten extrem ansteigende Gürtellinie vermittelt eine rasante Optik, die rote Spange am vorderen Lufteinlass setzt einen farbigen Akzent. Serienmäßige 18-Zoll-Leichtmetallfelgen lassen rot lackierte Bremssättel durchschimmern. Gegenüber dem Basismodell sind die Scheiben vorn auf 320 mm Durchmesser vergrößert. Die Seitenschweller ducken den Fünftürer angriffslustig auf die Straße und die neu gestaltete Frontpartie mit zwei mal vier LED-Spots als Tagfahrlicht signalisiert im Rückspiegel des Vordermanns ein solides Selbstbewusstsein.

Im Innenraum verleiht der Cee’d GT seinem sportlichen Anspruch durch serienmäßige Sportsitze von Recaro Ausdruck, dazu durch das unten abgeflachte Lenkrad sowie rote Kontrastnähte. Alu-Pedale und Einstiegsleisten aus dem gleichen Material ergänzen das Fitness-Outfit. Die genarbten Oberflächen sehen edel aus, leider birgt die stark geneigte Frontschreibe trotz dunklen Interieurs die Gefahr, die Frontpassagiere durch Spiegelungen zu nerven. Richtig bunt geht es im Zentraldisplay zu, wird die am Lenkrad befindliche "GT"-Taste betätigt.

Die normale Tachoskala wird dann durch eine orangefarbene, digitale Tempoanzeige ersetzt, links und rechts flankiert von einer blauen und einer roten LED-Säule, die über das aktuelle Drehmoment und den Ladedruck informieren. Grün sind die auffälligen Schaltempfehlung und die Statusanzeige für die Cruise-Control. In Weiß werden die Fahrdaten zu Verbrauch oder Reichweite angezeigt. Das mag überladen wirken, ist aber kontraststark und informativ.

Reisen lieber ohne "GT"-Modus

Die Drehmoment-Skala reicht zwar bis 300 Newtonmeter, doch der offizielle Wert im Datenblatt liegt bei 265 Newtonmeter und wird ab 1500 Umdrehungen erreicht. Das bedeutet, dass der 1,6-Liter große Vierzylinder kraftvoll und flüssig aus den Drehzahl-Niederungen heraus zieht, begleitet von einem deftigen und satten Motorengeräusch, das durch eine steuerbare Doppelauspuffanlage orchestriert wird. An ihr vollzieht sich der zweite Effekt der "GT"-Taste: Die Schallkulisse wird rauer und heftiger, sportlicher Sound also für sportliches Fahren. Dass sich gleichzeitig die Kennlinie des Gaspedals veränderte, war für den Tester nicht zu bemerken.

Beim herzhaften Beschleunigen kann der kernige Sound als akustisches Beiwerk noch gefallen, für den Dauerbetrieb bei Langstreckenfahrten auf der Autobahn ist der GT-Modus nicht geeignet. Schon bei 130 km/h wirkt die Klangfarbe eher lästig. Für entspanntes Reisen sollte man also lieber auf die sportliche Attitüde verzichten. Dann erlebt man, dass selbst bei 200 Stundenkilometern nicht der Motor, sondern der Fahrtwind die bestimmende Schallquelle ist.

Der Testverbrauch von neun Litern Kraftstoff je 100 Kilometer geht in Ordnung. Immerhin handelt es sich um ein leistungsorientiertes Gefährt mit 230 km/h Spitzengeschwindigkeit, da sind 1,6 Liter über der Prospektangabe hinnehmbar. Beim Vergleich mit dem NEFZ-Wert des Zweiliter-Motors im Golf GTI schneidet der Kia allerdings nicht mehr so gut ab: Das kleinere Zylindervolumen zahlt sich nicht in Spritersparnis aus und der Normverbrauch des Kias liegt 1,4 Liter über dem des Golfs. Hier kommt die fehlende Start-Stopp-Automatik ins Spiel, mit der sich beim Cee’d sicher noch ein paar Zehntel herausholen ließen.

Keine übertriebene Härte

Das Fahrwerk des GTs ist zwar sportlich abgestimmt, ohne aber durch übertriebene Härte aufzufallen. Dass Kopfsteinpflaster nicht sein Lieblingsgeläuf ist, macht er unmissverständlich deutlich, ohne aber den Komfort für die Insassen zu vernachlässigen. Die Sechsgang-Handschaltung – einzige Getriebe-Option für den GT – ist knackig. Die Lenkung könnte man sich etwas direkter und griffiger vorstellen. Die Servo-Unterstützung sorgt zwar dafür, dass der nötige Kraftaufwand denkbar gering ist, dadurch verliert sie aber auch an Gefühl und Rückmeldung. Die Sportlichkeit, die an anderer Stelle mit Sorgfalt und Ernsthaftigkeit verwirklicht ist, kommt hier etwas kurz.

Zwei Fraktionen von Kunden balgen sich um die Führung in der Kia-Verkaufsstatistik: Die einen folgen dem SUV-Trend, die anderen sehen in der Vielseitigkeit eines Kompakten ihr Heil. So war das Modell Cee’d vergangenes Jahr in Deutschland fast so beliebt wie der Sportage. Immerhin 8,3 Prozent der Cee’d-Käufer entschieden sich für einen GT, der mit 204 PS Leistung zwar nicht ganz das Niveau des Klassenprimus Golf GTI erreicht, aber mit einem Basispreis von 24.990 Euro auch fast 5000 Euro unter dem Volkswagen liegt. Mit sieben Jahren Garantie wie der Koreaner kann der Wolfsburger schon gar nicht glänzen.

Ordentlich Platz im Fond

Von einem sportlichen Kompakten wird auch ein hohes Maß an Familientauglichkeit verlangt. Der Cee’d GT trägt dem Rechnung, in dem in beiden Sitzreihen Mittelarmlehnen mit Ablagen und Getränkehaltern angebracht sind. Die Beinfreiheit im Fond ist gut bemessen. Stellt ein 1,85 Meter großer Fahrer seinen Sitz optimal ein, bleiben hinter seiner Rücklehne immer noch gute 20 Zentimeter Raum für die Knie des Hintermanns. Die gute Raumaufteilung illustriert auch die Tatsache, dass der um 17 Zentimeter längere Kia Sportage nur zwei Zentimeter mehr Radstand hat. Eine 68 Zentimeter hohe Ladekante erlaubt müheloses Beladen des Cee’d-Kofferraums, der zwischen 380 und 1318 Liter Volumen bietet. Dem Golf VII also lediglich um zehn Liter nachsteht.

Seinen Erfolg auf dem deutschen Markt, hat Kia im Wesentlichen einem hohen Ausstattungslevel zu verdanken. Der Cee’d ist ein weiteres Beispiel für diese Politik, denn im GT Track gibt es für 27.990 Euro unter anderem diese Merkmale inklusive: Xenon-Scheinwerfer nebst Reinigungsanlage, Abbiege-/Kurvenlicht, Nebelscheinwerfer, Navigations-System, Smart-Key-Zugang, Licht- und Regensensor, Rückfahrkamera, Digitalradio, Sitz- und Lenkradheizung, automatisch abblendender Innenspiegel, 2-Zonen-Klimaautomatik, Verkehrszeichenerkennung und Parksensoren hinten.

Fazit: Auf dem Spielfeld der Kompaktsportler bieten manche Importmarken noch mehr Muskeln als der Cee’d GT. Doch der Kia glänzt durch Ausgewogenheit und gutes Ausstattungsniveau. Das bringt Punkte für das Preis-Leistungsverhältnis. Abzug muss es dagegen für die fehlende Start-Stopp-Automatik geben, die inzwischen eigentlich Standard sein sollte und bei einem Handschalter technisch weniger aufwändig zu realisieren ist, als bei einem Automatik-Fahrzeug. So gesehen bleibt beim positiven Gesamteindruck noch "Luft nach oben".

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