Im altehrwürdigen Burlington House am Piccadilly in London referierte der Wissenschaftler von der University of Central Florida über Tests mit simuliertem Asteroidenmaterial. Dafür hatte er unter anderem die Mineralien Olivin, Pyrit, Vermiculit, Magnetit, Lizardit und eine bestimmte Art von Braunkohle zu einem knochentrockenen Pulver verquirlt. Aufgeheizt auf 700 bis 800 Grad Celsius passierte Wundersames: Das Material gab Wasserdampf ab, etwa zehn Prozent der Gesamtmasse. Das liegt daran, dass in der Kristallstruktur der Minerale größere Mengen an Wasser gebunden sind - und die lassen sich herauslösen und auffangen. "Wir haben gezeigt, dass es geht", frohlockt Metzger.
Nur im All möglich
Die Arbeiten des Forschers sind Teil einer aktuellen Debatte in der Weltraumcommunity: Es geht um die Frage, ob sich Rohstoffe auf fremden Himmelskörpern gewinnbringend fördern lassen - und ob mit ihrer Hilfe sogar die Kolonisation des Sonnensystems möglich wird. "Die Menschheit hat kein Ressourcenproblem", sagt Metzger. "Wir haben ein Vorstellungsproblem." Und zwar bei der Frage, wie sich Rohstoff- und Energiehunger einer immer größer werdenden Erdbevölkerung stillen lassen. Er glaubt: Im All ist das möglich. Und nur dort.
Folgt man dieser Argumentation, dann wäre das Wasser tatsächlich die wichtigste Zutat - aber nicht etwa zum Trinken. Aufgespalten in Sauerstoff und Wasserstoff könnte es stattdessen Raketen und Raumsonden als Treibstoff dienen. Der Vorteil: Wenn der Sprit nicht mehr beim Start von der Erde ins All gebracht werden muss, werden Missionen in die Tiefen des Kosmos deutlich billiger als bisher.
Paul Spudis vom Lunar and Planetary Institute in Houston spricht bei seiner Präsentation in London deswegen auch von einem Paradigmenwechsel: Missionen hinaus ins All würden in Zukunft "stärker weltraumbasiert" und "seltener von der Erde gestartet", sagt er. Spudis schlägt vor, das Wasser nicht auf einem Asteroiden, sondern auf dem Mond zu gewinnen. Dort haben in den dauerhaft dunklen Kratern an den Polen große Mengen Eis überdauert. "Daraus ließe sich genug Treibstoff gewinnen, um 2200 Jahre lang jeden Tag ein Space Shuttle zu starten", rechnet er vor.
Aus Kinderzeit des Sonnensystems
Doch egal, ob von Asteroiden oder vom Mond: Wasser aus dem All könnte nicht nur als Treibstoff für Sonden interessant sein - sondern auch als Energiequelle zur Rohstoffförderung in den Weiten des Kosmos. Asteroiden stammen aus der Kinderzeit unseres Sonnensystems. Es gibt Hunderttausende, wahrscheinlich sogar Millionen von ihnen - genaue Zahlen finden Sie hier.
Und viele der Himmelskörper sind vergleichsweise reich an wertvollen Metallen wie Gold, Platin oder Rhodium. Die Erzgehalte können deutlich höher liegen als an der Erdoberfläche. Das liegt daran, dass auf Asteroiden nicht wie auf unserem Planeten alles Metall im Kern konzentriert ist.
Rohstoffförderung im All? Das kennt man bisher nur aus dem Kino. Aus "Avatar" von James Cameron zum Beispiel, wo ein Mond im Alpha-Centauri-System auf der Suche nach der Fantasiesubstanz Unobtanium verwüstet wird. Oder aus Duncan Jones` "Moon", wo ein Mondbergmann hinter ziemlich fiese - und für ihn lebensgefährliche - Machenschaften seiner Firma kommt.
Klar, alles Sci-Fi. Doch längst schon kommt auf der Erde ziemlich futuristisch anmutende Technik im Rohstoffsektor zum Einsatz, wie zum Beispiel die fahrerlosen Bagger und Riesenlaster in den australischen Pilbara-Erzminen, auf die Bergbauriesen wie Rio Tinto, BHP Billiton oder die Fortescue Metals Group längst setzen. Warum sollen solche Maschinen nicht auch auf einem Asteroiden arbeiten können?
"Avatar"-Regisseur auch im All-Rohstoffgeschäft
Der erste Billionär der Weltgeschichte, so die Prognose des US-Astrophysikers Neil deGrasse Tyson, werde derjenige sein, der den Rohstoffabbau auf Asteroiden starte. Zwei US-Unternehmen haben genau das vor: Da ist zum einen Planetary Resources, ein Unternehmen, das Investoren wie Richard Branson (Virgin), Larry Page und Eric Schmidt (beide Google-Mutterkonzern Alphabet) vorweisen kann. Ach ja, und "Avatar"-Regisseur Cameron.
Die Firma kooperiert unter anderem mit dem US-Anlagenbauer Bechtel und arbeitet derzeit an der Entwicklung kleinerer Satelliten. Ein erster von ihnen ("Arkyd-3R") hat im vergangenen Jahr für ein paar Monate die Erde umkreist. Ein weiterer, doppelt so großer ("Arkyd-6") soll in diesem Herbst starten - und dabei helfen, mögliche Ziele für die Rohstoffsuche auszuspähen. Dorthin sollen sich dann irgendwann die Bergbauroboter aufmachen. Auch das Unternehmen Deep Space Industries interessiert sich für die Rohstoffsuche im All.
US-Gesetz ebnet den Weg
Eine wichtige Frage stellt sich in jedem Fall: Dürften Privatunternehmen überhaupt Rohstoffe auf Asteroiden erschließen? Hier lohnt ein Blick in den Weltraumvertrag der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1967. (Den Vertrag im Volltext finden Sie hier). Er stellt klar: "Der Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper unterliegt keiner nationalen Aneignung." Doch zumindest aus Sicht der USA ist das ausdrücklich kein Verbot des Weltraumbergbaus. Ganz im Gegenteil: Präsident Barack Obama hat Ende vergangenen Jahres den "US Commercial Space Launch Competitiveness Act" unterschrieben. Das Gesetz erlaubt US-Bürgern die kommerzielle Förderung von Ressourcen auf Asteroiden oder anderen Himmelskörpern.
Außerirdische Juristerei
Basis ist ein juristischer Trick: Eigentum soll nur am abgebauten Rohstoff entstehen, nicht am Himmelskörper selbst. Das soll einen Bruch des Weltraumvertrags verhindern. Bei Planetary Resources jubelte Co-Chef Eric Anderson trotzdem über die "größte Anerkennung von Eigentumsrechten in der Geschichte" und auch bei Deep Space Industries war man ähnlich begeistert.
Doch die US-Argumentation hat womöglich ein Problem: So kritisierte der Völkerrechtler Sa`id Mosteshar vom London Institute of Space Policy and Law, die US-Regierung könne ihren Bürgern keine Rechte übertragen, die sie selbst gar nicht habe. Es gibt aber auch mindestens eine weitere Regierung, die Washingtons Lesart stützt - und zwar in Luxemburg.
Vergleich mit Fischer in internationalen Gewässern
Nun könnte man sich fragen, was die Meinung des kleinen EU-Landes an dieser Stelle zur Sache tut. Doch interessant wird es, wenn man weiß: Luxemburg bringt sich gerade als Basis für Weltraum-Rohstoffsucher in Stellung. Wirtschaftsminister Etienne Schneider verkündete Anfang Februar, sei Land wolle einen Rechtsrahmen schaffen, der "Rechte auf Ressourcen wie etwa seltene Mineralien von Asteroiden absichert, die von privaten Unternehmen im Weltraum abgebaut werden". Der frühere Chef der Europäischen Weltraumorganisation (Esa), Jean-Jacques Dordain, ist einer der Berater für das Projekt. Im Herbst soll es eine große Wissenschaftlerkonferenz zum Thema geben.
Die Sache sei eigentlich ganz einfach, wischte Minister Schneider bei einer Pressekonferenz juristische Bedenken weg: Wenn der Kapitän eines Fischkutters in internationalen Gewässern seine Netze auswerfe, dann gehöre ihm der Fang. Das bedeute ja nicht, dass er auch Besitzer des Ozeans sei. Deep Space Industries habe bereits einen Ableger in Luxemburg gegründet, heißt es von der dortigen Regierung. Und Planetary Resources denke darüber nach. Selbst bei einer Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate im April habe Wirtschaftsminister Schneider Gespräche über die Rohstoffförderung im All geführt.
Wird es sich jemals lohnen?
Das klingt alles bereits sehr konkret - und womöglich werden zumindest Vorbereitungsmissionen von Rohstofffirmen tatsächlich schon bald im All unterwegs sein. Das heißt freilich nicht, dass sich der Abbau im All tatsächlich auch lohnen wird. Einstweilen ist es nämlich noch immer ein ziemlich teures Vergnügen, Sachen aus den Weiten des Sonnensystems zurück zur Erde zu bringen. Das zeigt das Beispiel der Nasa-Mission "Osiris Rex". Die soll im September zum Asteroiden Bennu starten - und dort mithilfe eines Greifarms um die Material einsammeln. Eine spezielle Rückkehrkapsel wird die Probe dann zurück zur Erde schippern. Kostenpunkt der Mission: 800 Millionen Dollar - und da ist die "Atlas V"-Rakete zum Start noch nicht einmal mit eingerechnet.
Und wofür der Aufwand? "Osiris Rex" soll mindestens 60 Gramm von Bennu mitbringen. Zum Vergleich: Das für die Mission nötige Geld würde reichen, um rund 25 Tonnen Platin zum aktuellen Marktpreis zu kaufen.
Quelle spiegel.de
Tags: