Bei den von der ukrainischen Armee gemeldeten täglichen Verlusten der russischen Seite sind in letzter Zeit vermehrt ungewöhnlich viele eliminierte Artilleriesysteme aufgefallen. Teilweise sollen es über 100 Stück gewesen sein, was ungefähr eine Verdoppelung der sonst gemeldeten Zahlen darstellt. Dem ukrainischen Medium Euromaidan Press zufolge wurde sogar eine massive russische Offensive im Gebiet Borowa-Lyman beeinträchtigt.
Der Erfolg soll unter anderem auf den beliebten Generalmajor Mychajlo Drapatyj zurückgehen - einem Shootingstar der ukrainischen Armee. Er befehligt seit Anfang des Jahres die Truppengruppierung Chortyzja. Drapatyj habe die Kampfeffektivität und Widerstandsfähigkeit erheblich gesteigert, heißt es.
Laut dem Bericht von Euromaidan Press konzentrieren sich die Ukrainer mittlerweile vor allem auf die Eliminierung von russischen Artilleriegeschützen und Mörsern. Es gebe eine intensivere Aufklärung mit Drohnen, um Ziele zu identifizieren. Im März sollen rund 1600 Systeme der Artillerie ausgeschaltet worden sein - mehr als dreimal so viele wie im Durchschnitt der beiden Jahre zuvor.
Alte Doktrin bei Moskaus Streitkräften
Für gewöhnlich nutzt die russische Seite Artillerie, um den Weg für Infanterie, Panzer und andere Fahrzeuge zu ebnen. Nun sollen die Kreml-Truppen gezwungen sein, schwere Geschütze zunehmend zu verlegen und zu tarnen. Dadurch wird ihre Effektivität laut dem Bericht erheblich geschwächt.
Die Geschütze befänden sich oft zwölf bis 15 Kilometer hinter den Frontlinien. Die Tarnung sei jedoch schwierig, da es sich um gezogene Artillerie handele. Zu dieser gehören Geschütze, die nicht von selbst fahren können, sondern beispielsweise von einem Fahrzeug bewegt werden müssen.
Euromaidan Press zufolge würden die Russen oft immer noch ihrer Doktrin folgen, die besagt, Artillerie nur nach feindlichem Beschuss zu verlegen. Das sei unflexibel und würde die Verluste verstärken, da die ukrainischen Drohnen oft nur einen einzigen Treffer benötigten, um ein Geschütz außer Gefecht zu setzen. Dafür nutzen Kiews Truppen in der Regel Kamikaze-Drohnen oder die eigene Artillerie.
"Vorsichtig bei solchen Bilanzen"
Die Angaben der Ukrainer zu russischen Verlusten lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Westliche Partner kamen den Zahlen in ihren Schätzungen in der Vergangenheit jedoch nahe, zum Beispiel in Bezug auf getötete und verwundete Soldaten.
Militärexperte Oberst Markus Reisner sagte ntv.de im März, in den Quellen, die er auswerte, seien ihm keine besonders höheren Verlustzahlen für russische Artillerie begegnet. "Man muss sehr vorsichtig bei solchen Bilanzen sein, auf beiden Seiten. Hat irgendjemand das wirklich alles gezählt? Ich verlasse mich auf Gruppen, die sich die Mühe machen, solche Bilanzen auch bildlich, also mittels Videos der zerstörten Fahrzeuge, darzustellen." Allerdings werden nicht von allen Zerstörungen im Krieg Videos angefertigt und ins Internet geladen.
Die Truppengruppierung Chortyzja von Generalmajor Drapatyj ist in den Regionen Donezk, Charkiw und Luhansk aktiv, also an den am meisten umkämpften Frontabschnitten in der Ukraine. Von Luhansk haben die Russen 99 Prozent erobert, scheitern aber seit längerer Zeit am letzten Prozent. Zuletzt gelang den Kreml-Truppen die Errichtung eines Brückenkopfs, der laut Institut für Kriegsstudien (ISW) möglicherweise dazu dienen soll, das langjährige Ziel der vollständigen Einnahme von Luhansk zu verwirklichen.
Quelle: ntv.de, rog
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