Rolls-Royce Spectre - nun schwebt Emily mit Strom

  29 Auqust 2023    Gelesen: 764
  Rolls-Royce Spectre - nun schwebt Emily mit Strom

Die wohl berühmteste Kühlerfigur der Welt musste sich zwar einem Facelift unterziehen, doch jetzt ist auch Emily fit für die Zukunft: Sie thront auf dem Kühler des ersten Elektro-Rolls-Royce.

Die Elektromobilität nimmt die nächste Nische ins Visier. Denn während günstige Akku-Autos für die breite Masse weiterhin Mangelware bleiben, beruhigt Rolls-Royce künftig das Öko-Gewissen der High Society - mit dem vollelektrischen Spectre. Als Ultra-Luxusmodell mit E-Antrieb will das feudale Coupé, dessen Namen man mit "Gespenst" übersetzen könnte, den traditionellen V12-Motor ab diesem Herbst vergessen machen.

Dafür muss die standesbewusste Elite allerdings tief in die Tasche greifen: Los geht es bei knapp 390.000 Euro. Und die Erfahrung lehrt, dass da bei Rolls-Royce schnell noch mal 20, 30 Prozent für Extras und Sonderwünsche wie den handgefertigten LED-Sternenhimmel im Dach draufkommen.

Neuer Antrieb, gleiche Leistung

Wo die Briten bislang auf die Leistung und vor allem die Laufkultur eines 6,75 Liter großen Zwölfzylinders gesetzt haben, montieren sie bei dem 5,50 Meter langen Coupé nun einen E-Motor je Achse und dazwischen einen Akku von 102 kWh. So liegt der Spectre mit 430 kW/584 PS und 900 Nm von den Zahlen her nahezu gleichauf mit dem Zwölfender, fährt dafür aber ohne lokale Emissionen.

Das ist allerdings auch der einzige Unterschied zu den konventionellen Modellen. Denn egal, ob die Energie nun aus dem Benzin kommt oder aus der Batterie: Es bleibt bei jener fast magischen Mischung aus mühelosem Vortrieb und wolkenweichem Schweben. Die erreicht einfach keine andere Luxuslimousine.

Allenfalls beamen ist vielleicht noch entspannter als die Fahrt in einem Spectre. Und dabei darf man sich von der im wörtlichen wie im übertragenen Sinne souveränen Ruhe nicht täuschen lassen. Mit einem Sprintwert von 4,5 Sekunden ginge der Spectre auch als Sportler durch und 250 km/h sind für ein E-Auto ebenfalls nicht selbstverständlich.

Ein Wagen wie Windsor Castle

Was zu diesem erhabenen Auftritt neben den E-Motoren noch beiträgt, sind tatsächlich die Größe und das Gewicht. Klar haben das adaptive, mit Satellitendaten und Kameras vorausschauende Fahrwerk, die Wankstabilisierung und die Hinterachslenkung mit dem Koloss ihre Mühe. Aber sie machen ihre Sache gut. So gut, dass selbst in engen Kurven den Passagieren der Champagner nicht aus dem Kelch perlt und sich alle Insassen in einem Palast wähnen so unerschütterlich wie Windsor Castle - nur, dass draußen in bunten Schlieren die Landschaft vorbeifliegt.

Zwar nutzt Rolls-Royce die gleiche Elektrotechnik, die Konzernmutter BMW im i7 einbaut. Deshalb kommen die Briten auf eine mehr als vorzeigbare Reichweite von 500 Kilometern und können den Akku an der Gleichstromsäule mit bis zu 195 kW nachladen. Doch was für die meisten E-Fahrer zu den entscheidenden Kriterien bei der Fahrzeugwahl zählt, dürfte dem gemeinen Superreichen herzlich egal sein.

Denn für weitere Strecken gibts den Privatjet und Tanken steht bei dieser Klientel ohnehin nicht im Terminkalender, genauso wenig wie das Laden. Entweder kümmert sich darum das Personaloder man stöpselt den Spectre über Nacht zu Hause ein und riskiert so gar nicht erst eine Begegnung mit dem gewöhnlichen Volk.

Neue Zeit mit alten Werten

Mit dem Spectre mag für Rolls-Royce eine neue Zeit beginnen. Schließlich sollen auch alle künftigen Modelle ausschließlich mit Elektroantrieb kommen. Und dem V12 wollen die Briten spätestens 2030 endgültig den Benzinhahn zudrehen. Aber nur, weil sie auf neue Technik setzen, werfen sie nicht auch die alten Werte über Bord.

Es bleibt deshalb nicht nur bei Eigenheiten wie den hinten angeschlagenen Türen. Sondern es gibt auch wieder den traditionellen Luxus. Sogar die "Spirit of Ecstasy" oder volkstümlicher einfach "Emily" gibt weiterhin die vielleicht bekannteste Kühlerfigur der Welt. Allerdings musste die Dame dafür etwas windschnittiger werden.

Statt mit jedem Gramm zu geizen, pflegt Rolls-Royce auch weiterhin eine Opulenz wie die Royals in ihren besten Zeiten: Zweifarbige Lackierungen, von Hand gemalte Zierstreifen auf dem Blech, knöcheltiefe Teppiche, edle Hölzer mit kunstvollen Intarsien, Zierteile aus massivem Metall. Nicht zu vergessen Leder, wo immer man hinfasst - mit veganem Ersatz muss man den Briten genauso wenig kommen wie mit Konsolen aus recyceltem Kunststoff. Schon die modernisierten Grafiken auf den digitalen Instrumenten mit dem funkelnden Sternenstaub in der Tachoskale spannen den Bogen für viele womöglich zu weit.

Fazit: Wer einen Rolls-Royce fährt, der hat sich schon bislang in seiner eigenen Welt bewegt. Doch mit dem elektrischen Spectre beamen die Briten ihre Kundschaft in ganz neue Sphären. So schwer den Motorenfans unter den Superreichen dieses Zugeständnis auch fallen mag: Ein Zwölfzylinder war noch nie so verzichtbar wie in diesem Auto. Schade nur, dass mit dem neuen Antrieb auch der Preis neue Höhen erreicht. Das vielleicht beste Elektroauto der Welt bleibt so ein ausgesprochen elitäres Vergnügen.

Quelle: ntv.de, Thomas Geiger, dpa


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