Ansonsten: "Kaum Infos zu Umsatz und Gewinn, unterschiedliche Informationen zur Anzahl der jungen Firmen und ihrer Mitarbeiter, die Quellen dafür meist unklar, die Definition des Begriffs Startup ebenso", sagt Hergen Wöbken. Der Gründer des Instituts für Strategieentwicklung hat sich in einer Studie das Ökosystem der Hauptstadt-Startups genauer angeschaut. Wöbken fasst zusammen: "Es gibt einen Boom, aber Selbstüberhebung ist nicht angebracht."
Seine Zahlen verdeutlichen, wie rasant die Szene gewachsen ist. 620 Startups zählte er Anfang 2016, verglichen mit 270 im Jahr 2012 - wobei das Institut als Startups Unternehmen zählt, die ohne Internet nicht denkbar und nicht älter als fünf Jahre sind. Zudem müssen sie ein skalierbares Geschäftsmodell haben, also innerhalb kürzester Zeit expandieren können.
Wenig große und viele kleine Unternehmen
Die Zahl der Mitarbeiter hat sich der Studie zufolge von 6700 im Jahr 2012 auf mittlerweile 13.200 nahezu verdoppelt. Zusammengenommen wären die Startups damit der fünftgrößte Arbeitgeber der Stadt, gleich nach den Berliner Verkehrsbetrieben und noch vor Siemens, das an der Spree seinen weltgrößten Produktionsstandort hat.
Auffallend sei die Struktur mit wenigen großen und vielen kleinen Unternehmen. Doch während vor Jahren noch viele der großen Firmen aus dem Imperium der Brüder und Zalando-Finanziers Samwer stammten, trügen heute mehr Schultern die großen Unternehmen. Nach Erhebungen der Beratungsgesellschaft Ernst & Young gingen im vergangenen Jahr 70 Prozent (2,1 Milliarden Euro) des gesamten Risikokapitalvolumens in Deutschland an Startups in Berlin. Hamburg und Bayern liegen mit 300 beziehungsweise 260 Millionen Euro auf Platz zwei und drei in der Länder-Rangliste. Im europaweiten Ranking folgen London (1,7 Milliarden Euro), Stockholm (992 Millionen Euro) und Paris (687 Millionen Euro). "Es zeigt sich, dass wichtige Akteure in die Stadt gekommen sind", sagt Institutschef Wöbken.
Berlin ist kein klassischer Industriestandort
Ähnlich wie die Politik nach dem Regierungsumzug viele Verbände und Institutionen nach Berlin geholt habe, locke die Digitalbranche zahlreiche Investoren sowie Akteure der "Old Economy" und der internationalen Szene in die Stadt. Für Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer liegt darin die große Chance der Stadt. "Wir sind zwar kein klassischer Industriestandort", sagt die CDU-Politikerin. Aber schon heute seien in Berlin gegründete Unternehmen zu unverzichtbaren Partnern für multinationale Player geworden. Immer mehr Industriebetriebe investierten in Berlin, so etwa Daimler oder Bayer. "Es ist etwas entstanden, das nachhaltig wirkt", meint Yzer. "Die Startup-Szene ist erwachsen geworden."
Auch Studienautor Wöbken sieht die Berliner Startup-Szene in der Post-Pubertät, betont aber: "Berlin wird niemals das neue Silicon Valley werden." Zwar stehe die kreative Szene im Rampenlicht, aber "erfolgreicher agieren hier immer noch Firmen, die Ideen von anderen kopieren", sagt Wöbken mit Blick auf die Startup-Fabrik der Samwer-Brüder, Rocket Internet.
Gegenüber Städten wie San Francisco oder New York habe Berlin aber eine soziale Durchlässigkeit. "Das ist ein großer Standortvorteil, weil sich dadurch Menschen mit völlig verschiedenen Hintergründen gegenseitig inspirieren und voneinander lernen können", sagt der Institutsgründer. Demnach fragt sich aber, wie lange das angesichts stark steigender Mieten in den angesagten Vierteln der Stadt noch möglich sei. Denn dort haben auch viele Startups ihren Sitz.
Quelle: n-tv.de , Sarah Lena Grahn, dpa
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