MG feiert seinen 100. Geburtstag und macht sich das größte Geschenk einfach selbst. Denn zum großen Jubiläum bringen die Chinesen mit den britischen Wurzeln jetzt tatsächlich den vor drei Jahren erstmals als Studie gezeigten Cyberster in Serie.
Zu Schätzpreisen ab etwa 60.000 Euro wird er fast 15 Jahre nach dem Tesla zum ersten neuen elektrischen Roadster und kommt noch in diesem Sommer bei uns auf den Markt. Damit ist MG dann mindestens ein Jahr früher dran als Elon Musk, der seinen neuen Roadster frühestens im nächsten Jahr bringen und dabei zwei, drei Preisklassen nach oben klettern wird.
Lange Tradition und mutiger Blick nach vorn
Zwar knüpfen die Chinesen mit dem Cyberster an eine lange Open-Air-Tradition an und erinnern an berühmte Modelle wie den MG B aus den 1960er Jahren oder den MG TF der Jahrtausendwende. Und dankenswerterweise haben die Chinesen der Versuchung widerstanden, ein Hardtop zu entwickeln. Deshalb faltet sich - auf Knopfdruck und natürlich auch während der Fahrt - wie eh und je eine knappe Stoffhaube hinter die beiden Sitze.
Doch ist der Cyberster deshalb noch lange kein Retro-Auto. Im Gegenteil: Während die Front noch vergleichsweise konventionell geraten ist, sieht das Heck aus wie bei einem Raumschiff, so wild flammen die pfeilförmigen Rückleuchten zwischen der messerscharfen Abrisskante und dem übertrieben großen Diffusor auf.
Wenn schon kein Sound, dann wenigstens Show
Aber am meisten macht der Roadster im Profil her. Denn wie man es sonst nur von Supersportwagen kennt, schwenken die Türen nach oben auf - und das sogar elektrisch und mit der Fernbedienung. Mehr Aufmerksamkeit kann man mit einem Auto in dieser Preisklasse kaum erzeugen. Allerdings öffnen sie sich vergleichsweise langsam und die Kletterei darunter durch und drumherum kann zuweilen mühsam werden.
Aber ein bisschen Show muss schon sein, schließlich fehlt dem Cyberster als reinem E-Auto ansonsten jedes Drama. Denn wenn anderswo Sportwagen mit lauten Dröhnen davonstürmen, surrt der Zweisitzer flüsterleise aus dem Blickfeld. Dafür ist er aber umso schneller: Schon mit der Basismotorisierung, einer E-Maschine mit 250 kW/340 PS an der Hinterachse, beschleunigt er in 5,0 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100.
Und wer die Topversion bestellt, der kommt dann mit 375 kW/510 PS, Allradantrieb und Launch-Control in 3,2 Sekunden ans Limit auf der Landstraße und sieht selbst Lamborghini & Co. nur noch im Rückspiegel.
Endlich elektrisch und emotional
Zwar ist in beiden Fällen bei maximal knapp 200 km/h schon wieder Schluss und an den Sound der Stille muss man sich in einem offenen Auto erst noch gewöhnen. Doch bietet der Cyberster mehr Emotionen als die meisten Elektroautos - und sticht damit vor allem die oft so gefühllosen und wenig engagierten China-Konkurrenten aus.
Erst recht auf einer kurvigen Landstraße. Denn selbst wenn ihm die Batterien buchstäblich schwer im Bauch liegen. So bringt der MG ein paar Zentner mehr auf die Waage als konventionelle Roadster und wird in den Kurven etwas weiter nach außen getragen.
Dennoch kratzt er rasanter durch die Radien, als man es vom elektrischen Einerlei aus China gewohnt ist. Denn die Lenkung ist schärfer programmiert, die elektronischen Aufpasser sind etwas nachsichtiger mit dem Fahrer als üblich und greifen entsprechend später ein. Und weil MG mit kaum mehr als 4,50 Metern Maß gehalten hat, fühlt er sich dabei wunderbar handlich an.
Endlich geht es deshalb mal nicht mehr nur ums Ankommen in einem Elektroauto, sondern den Cyberster fährt man um des Fahrens willen - und das gerne auch mal länger. Schließlich hat der Akku 77 kWh und die Reichweite liegt bei bestenfalls 508 Normkilometern. Ausruhen kann man sich dafür an der Ladesäule, weil dort maximal 150 kW drin sind.
Screens statt Sentimentalität
Auch innen reitet MG dabei nicht auf der Retro-Welle, sondern beamt den Fahrer in die Zukunft. Denn auch wenn es in der nicht zu knappen, sondern perfekt passenden Kabine Leder satt gibt und auf dem Lenkrad fast noch erschreckend viele Knöpfe prangen, wird die Kabine dominiert von einem digitalen Triptychon.
Dieses formt sich aus drei Bildschirmen, macht sich hinter dem Lenkrad breit und spielt dem Fahrer alle relevanten Informationen ein. Und als wäre das noch nicht genug, gibt's natürlich auch vor der Mittelkonsole noch ein Tablet für Navi & Co.
Schade nur, dass sie bei der Gelegenheit nicht auch gleich noch die Schalter für Türen und Verdeck auf den Touchscreen gelegt haben. Denn die sind so groß, so hässlich und so fehl am Platz, als hätte sie der Chefentwickler kurz vor Feierabend aus dem Elektrobaukasten der Enkel geklaut.
Fazit
Das war aber auch allerhöchste Zeit: Während immer mehr Cabrios und Roadster dauerhaft den Deckel zu machen, setzt uns ausgerechnet MG an die frische Luft - und beweist dabei eindrucksvoll, dass auch Elektroautos emotional sein können. Dafür sehen wir ihnen Nebensächlichkeiten wie die klobigen Schalter oder die spektakulären, aber am Ende ziemlich unpraktischen Türen doch gerne nach.
Quelle: ntv.de, Thomas Geiger, dpa
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