Warum man in Hotels so schlecht schläft

  23 April 2016    Gelesen: 781
Warum man in Hotels so schlecht schläft
Die erste Nacht in der Fremde ist die schlimmste. Viele fühlen sich nicht erholt, wenn sie im Hotel erwachen. Forscher haben nun bewiesen, dass man tatsächlich anders schläft – aus Sicherheitsgründen.
Da kann das Bett noch so luxuriös, die Kissen flauschig, die Bettwäsche blütenweiß sein – nach der ersten Nacht in einem Hotel wachen viele gerädert auf. Sie fühlen sich nicht ausgeschlafen. So als hätten sie die halbe Nacht wach gelegen. Ganz falsch ist dieser Gedanke nicht. Denn das Gehirn bleibt in einer neuen Umgebung in einer Art Habachtstellung, berichten Wissenschaftler aus den USA im Fachblatt "Current Biology".

Dass man in der ersten Nacht in fremder Umgebung schlechter schläft, hat in der Schlafforschung sogar einen eigenen Namen: Vom First-Night-Effect, kurz FNE, sprechen Wissenschaftler. Auf den ersten Blick hat dieser Effekt nur Nachteile. Yuka Sasaki von der Brown University hatte aber einen Verdacht, warum Menschen in der Fremde nicht so richtig zur Ruhe kommen.

Bei Vögeln und einigen Meerestieren bleibt die eine Gehirnhälfte wach, während die andere schläft, erklärt die Professorin für Kognitive Linguistik und Psychologie. Die Tiere schützen sich so vor Gefahren. Ein schlafender Vogel droht jederzeit von einem Fressfeind attackiert zu werden. Beide Gehirnhälften abzuschalten könnte er sich gar nicht leisten. Beim sogenannten Ein-Hemisphären-Schlaf wird er von der wachen Gehirnhälfte geweckt, wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht.

Menschliche Gehirne arbeiten nicht so asymmetrisch wie die von Meerestieren oder Vögeln. Aber Sasaki mutmaßte, dass es im menschlichen Gehirn ein Miniatur-System dessen gibt, was etwa Wale und Delfine haben. Sasaki und ihr Team rekrutierten 35 Freiwillige und ließen sie acht Nächte in Folge in einem Schlaflabor übernachten. Während der ersten und achten Nacht kontrollierten sie die Hirnströme der Probanden und nahmen ihre Gehirne mittels bildgebender Verfahren unter die Lupe.

Das Default-Mode-Netzwerk

In der ersten Nacht sahen die Forscher tatsächlich eine Asymmetrie zwischen den beiden Gehirnhälften: Das sogenannte Default-Mode-Netzwerk in der linken Gehirnhälfte war aktiver als in der achten Nacht. Und es war aktiver als das Netzwerk in der rechten Hirnhälfte. Dort gab es zwischen den Nächten keine Unterschiede. Die Wissenschaftler waren also tatsächlich dem First-Night-Effekt auf der Spur.

Die am Default-Mode-Netzwerk beteiligten Hirnregionen sind aktiv, wenn der Mensch es nicht ist – wenn er also gerade nicht bewusst nachdenkt, sondern zum Beispiel tagträumt oder seine Gedanken schweifen lässt. Wenn das Gehirn Zeit und Ruhe hat, beschäftigt es sich mit sich selbst. Beginnt der Mensch sich zu konzentrieren, fährt das Default-Mode-Netzwerk seine Aktivität zurück und andere Bereiche des Gehirns werden aktiv.

Besonders leicht ansprechbar war das Default-Mode-Netzwerk in der ersten Nacht bei Probanden, die Probleme mit dem Einschlafen hatten. Schon länger weiß man, dass Menschen, die auch zu Hause schlecht schlafen, in Hotels noch weniger zur Ruhe finden. Einschlaf- und Durchschlafprobleme verstärken den FNE.

Dass eine Gehirnhälfte während der ersten Nacht in einer neuen Umgebung aktiver ist als in anderen Nächten, könnte dem Selbstschutz dienen. Die "wache" Gehirnhälfte fungiere als eine Art Nachtwächter, der den Schlafenden bei Gefahr aufweckt, schreiben die Forscher. Aller modernen Schließsysteme zum Trotz bleibt der Mensch eben ein von Natur aus wachsames Wesen. In Bezug auf Schlaf haben das schon frühere Studien gezeigt.

Die Tür lieber immer im Blick

Rund 28 Mal pro Nacht wacht ein Mensch im Schnitt ganz kurz auf. Man erinnert sich nicht an diese kurzen Phasen, in denen man überprüft, ob alles in Ordnung ist. Wirklich notwendig mag das heute nicht mehr sein. Es ist ein Relikt aus der Steinzeit, als es überlebenswichtig war, ständig auf der Hut zu sein.

Psychologen aus München konnten sogar nachweisen, dass der Mensch sein Schlafzimmer immer noch so einrichtet, wie er einst in Höhlen schlief. 70 Prozent der Probanden stellten in der Münchner Studie ihr Bett in einer Simulation am Computer so weit wie möglich von der Tür entfernt auf. Außerdem wollten fast alle so schlafen, dass sie die Tür im Blick hatten.

Die Ergebnisse der neuen US-Studie stützen noch eine andere Theorie, erklärt der Schlafforscher Dieter Riemann vom Universitätsklinikum Freiburg. "Sie passen in eine Forschungsrichtung, die man `local sleep` nennt – in diesem Fall dann allerdings eher `local wakefulness`." Diese Theorie gehe davon aus, dass Schlaf kein absolut homogener Zustand des gesamten Gehirns ist.

Riemann zufolge lassen sich aus den neuen Erkenntnissen Strategien zur Behandlung von Schlafstörungen entwickeln. "Wir gehen ja davon aus, dass bei chronischen Insomnien ein permanentes Hyperarousal (Übererregtheit) vorliegt." Letztlich sei auch dies Ausdruck einer Habachtstellung. An der Brown University versuche man derzeit, den "wachen" Teil des Gehirns mit einer bestimmten Technik auszuschalten, sagt Sasaki. Vielleicht könne man den Schlaf in der ersten Nacht dadurch verbessern.

Das eigene Kissen immer im Gepäck

Mit kleinen Tricks kann man das Gehirn aber möglicherweise auch selbst überlisten. Das eigene Kopfkissen mitzunehmen gaukelt dem Körper ein Stück Heimat vor. Helfen könne es laut Sasaki auch, stets Hotels der gleichen Kette zu buchen – in denen sich die Zimmer ähneln, dieselben Putzmittel verwendet werden und die Betten mit ähnlicher Bettwäsche bezogen sind.

Wie wichtig Hotelgästen ihr Schlaf ist, zeigt eine Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organistation, die sich mit der Zukunft der Hotellerie befasst. 98 Prozent der 3000 Befragten gaben dort an, besonderen Wert auf ein gutes Bett zu legen. Ungewohnt ist für viele demnach auch, dass sich in modernen Hotels oft die Fenster nicht öffnen lassen. Auch Ruhe in der Nacht und keine störenden Gerüche waren den Befragten wichtig.

Weil einige Hotels mittlerweile erkannt haben, dass es Gästen nicht nur auf einen schicken Wellnessbereich und einen großen Fernseher ankommt, werben sie mit breiten Betten und "Kissenmenüs". Aus drei oder vier Kissen kann sich der Gast dann dasjenige heraussuchen, das dem zu Hause am ehesten entspricht.


Quelle : welt.de

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